European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00082.25P.0805.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte * S* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I) und „des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und siebter Fall, teils Abs 2 SMG“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0114037 [T1, T9]) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit hier relevant – in L* und andernorts
(I) in der Zeit von September bis 2. Dezember 2024 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich jeweils 500 Gramm Metamphetamin (Reinheitsgehalt 79,3 %) und Kokain (enthaltend 89,6 % Cocain) sowie 2.000 Gramm Amphetamin (Reinheitsgehalt 13,5 %), anderen überlassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) reklamiert eine Verletzung des § 221 Abs 2 StPO mit der Begründung, dass dem in Haft befindlichen Angeklagten die Anklageschrift nicht zugestellt worden sei und deshalb die Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 2 erster Satz StPO nicht zu laufen begonnen habe (vgl RIS‑Justiz RS0097825).
[5] Aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO kann allein die unrichtige Entscheidung in der Rechtsfrage geltend gemacht werden. Somit ist eine Verfahrensrüge erfolgreich, wenn der Beschwerdeführer aufzeigt, dass deren Lösung angesichts der tatsächlichen Lage im Entscheidungszeitpunkt (hier im Zeitpunkt der Bestimmung des Tages der Hauptverhandlung) rechtlich verfehlt war. Da die Sachverhaltsgrundlage der kritisierten Verfügung nicht zu erkennen ist, sind Bezugspunkt dieser (rechtlichen) Beurteilung die vom Obersten Gerichtshof in freier Beweiswürdigung des Akteninhalts festgestellten prozessualen Tatsachen bezogen auf den Zeitpunkt der bekämpften Verfügung (RIS‑Justiz RS0118977 [T14]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 46 und 50):
[6] Die Vorsitzende unterfertigte am 27. Februar 2025 ein Schreiben mit der Überschrift „Zustellung der Anklageschrift“. Dieses Schreiben enthält keine Ordnungsnummer, ist im elektronischen Akt im Ordner „Sonstiges“ abrufbar und mit „Ankl1“ bezeichnet. Ob es dem Angeklagten samt Anklageschrift zugestellt wurde, ist nicht feststellbar. Am selben Tag fertigte die Vorsitzende den am 25. Februar 2025 gefassten (ON 1.5) Beschluss auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers aus und stellte ihn dem Angeklagten zu. Der (in der Verfahrensautomation Justiz abrufbaren) Beschlussausfertigung sind zwei Beilagen angeschlossen, darunter die (hier gegenständliche) Anklageschrift ON 6. Der Angeklagte übernahm diese Schriftstücke persönlich am 3. März 2025 (Zustellschein mit der Bezifferung 129). Nachdem kein Einspruch gegen die Anklageschrift erhoben worden war, beraumte die Vorsitzende mit Verfügung vom 19. März 2025 die Hauptverhandlung für den 13. Mai 2025 an (ON 1.6).
[7] Auf Basis dieses Sachverhalts ist zum einen die Anklageschrift auch dem Angeklagten gegenüber rechtswirksam geworden und räumte zum anderen die Vorsitzende dem Angeklagten bei Bestimmung des Tages der Hauptverhandlung (§ 221 Abs 2 erster Satz StPO) eine die Mindestfrist von (hier) acht Tagen weit überschreitende Zeit zur Vorbereitung ein. Die behauptete Verletzung des § 221 Abs 2 erster Satz StPO liegt daher nicht vor.
[8] Aber selbst bei Annahme eines derartigen Verfahrensfehlers wäre unzweifelhaft erkennbar, dass dieser keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Denn nach dem Beschwerdevorbringen händigte der Verteidiger dem Angeklagten die Anklageschrift am 11. April 2025 (im Zuge seines zweiten Besuchs in der Justizanstalt L*) aus, sodass dieser letztlich auch unter dieser Prämisse jedenfalls ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung hatte.
[9] Indem sich die Mängel‑ und die Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) zu I des Schuldspruchs gegen die Feststellung richten, dass der Angeklagte anderen jeweils 500 Gramm Methamphetamin und Kokain und nicht bloß jeweils 200 Gramm der bezeichneten Suchtgifte überließ (US 5), sprechen sie keine entscheidende Tatsache an. Denn schon das konstatierte Überlassen von 2.000 Gramm Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von 13,5 % (US 5) trägt die (rechtliche) Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (vgl RIS‑Justiz RS0117499, RS0117264 [zum Begriff entscheidende Tatsache]).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
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