LVwG Steiermark LVwG 443.8-2976/2019

LVwG SteiermarkLVwG 443.8-2976/20199.3.2019

BVergG 2018 §78 Abs1 Z9
ABGB §932
BVergG 2018 §82 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.443.8.2976.2019.

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Schnabl, die Richterin Mag. Schlossar-Schiretz und den Richter Dr. Auprich betreffend das Vergabeverfahren „Bodenmarkierung Region B/M 2020-2021“ durch das Land Steiermark, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 - Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Stgasse, G, über Antrag der Bietergemeinschaft A B GmbH, C D Ges. m.b.H., E F GesmbH, Nweg, G, vertreten durch G H Rechtsanwalts GmbH, Hgasse, G,

 

z u R e c h t e r k a n n t:

 

I. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung wird

 

s t a t t g e g e b e n

 

und die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 03.12.2019 für nichtig erklärt.

 

II. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren im Ausmaß von insgesamt € 4.860,00 binnen 14 Tagen bei sonstigen Zwangsfolgen zu ersetzen.

 

III. Die einstweilige Verfügung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 18.12.2019, GZ: LVwG 45.8-2977/2019-7, tritt mit dieser Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark außer Kraft.

 

IV. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Verfahrensgang:

A)

Mit Schriftsatz vom 11.12.2019, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Steiermark per E-Mail am selben Tag nach den Amtsstunden, brachte die A B GmbH, C D Ges. m.b.H., E F GesmbH, per Adresse Nweg, G, vertreten durch G H Rechtsanwälte GmbH, Hgasse, G (im Folgenden: die Antragstellerin), einen Nachprüfungsantrag ein, mit welchem im Vergabeverfahren „Bodenmarkierung Region B/M 2020 bis 2021“ die angefochtene Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin zu Gunsten der I J Ges.m.b.H. vom 03.12.2019 für nichtig zu erklären, eine öffentlich mündliche Verhandlung durchzuführen und die Auftraggeberin dazu zu verpflichten, der Antragstellerin die im Nachprüfungsverfahren entrichtete Pauschalgebühr, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, zuhanden des Antragstellervertreters zu ersetzen, beantragt wurde. Begründend brachte die Antragstellerin vor, dass das Land Steiermark, vertreten durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, als vergebende Stelle (im Folgenden: die Auftraggeberin), ein EU-weites offenes Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich für Bauaufträge eingeleitet habe. Die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union sei am 02.10.2019 zu 2019/S 190-461185 erfolgt. Die Angebotsfrist habe am 06.11.2019 geendet. Die Antragstellerin habe fristgemäß ein ausschreibungsgemäßes Angebot eingereicht, wobei der Zuschlag nach dem Bestangebotsprinzip erteilt werden soll. Mit Verständigung per E-Mail vom 03.12.2019, habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren der I J Ges.m.b.H., A F Gasse, W, FN ****, mit einer Vergabesumme von netto € 337.066,18 erteilt werden solle. Die Stillhaltefrist betrage 10 Tage und ende nach dem Text der Zuschlagsentscheidung vom 03.12.2019 am 12.12.2019, um 24.00 Uhr. Die Antragstellerin sei ein Unternehmen, welches auf die Durchführung von Bodenmarkierungen, genau wie sie hier vergeben werden sollten, spezialisiert sei, weshalb sie höchstes Interesse an einem Vertragsabschluss habe. Sollte die bekämpfte Entscheidung nicht für nichtig erklärt werden, bestehe für die Antragstellerin keine Möglichkeit mehr den Auftrag zu erlangen. Dadurch entginge der Antragstellerin jedenfalls ein Gewinn bzw. Deckungsbeitrag von etwa zumindest € 10.000,00. Durch die bekämpfte Entscheidung sei der Antragstellerin bereits ein Schaden, in zumindest der Höhe der Kosten, für die Ausarbeitung des Angebotes entstanden. Darüber hinaus hätte die Antragstellerin durch die Erlangung des Auftrages eine weitere wertvolle Referenz erworben, die es ermögliche andere gleichartige Aufträge von öffentlichen Auftraggeberin zu erlangen. Durch die rechtswidrige Entscheidung der Auftraggeberin sei die Antragstellerin in ihrem Recht auf Erteilung des Zuschlags, auf Nichterteilung des Zuschlags an die I J Ges.m.b.H., insgesamt in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt. Komme die vorgesehene Zuschlagsempfängerin nicht zum Zug, wäre der Zuschlag dem Angebot der Antragstellerin zu erteilen. Die Zuschlagsentscheidung vom 03.12.2019 werde bekämpft, da die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin im Sinne der Ausschreibung, nicht geeignet sei. Ihr Angebot hätte gemäß § 141 Abs 1 Z 2 iVm § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ausgeschieden werden müssen, da die I J Ges.m.b.H. bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung, im Rahmen eines früheren Auftrages, erhebliche oder dauerhafte Mängel habe erkennen lassen, die zu einer Ersatzvornahme durch den öffentlichen Auftraggeber geführt hätte. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hätte aber auch wegen mangelnder Eignung aufgrund fehlender Referenzen ausgeschieden werden müssen, da die von der I J Ges.m.b.H. vorgelegten Referenzen die Referenzanforderungen gemäß Punkt 19 der Ausschreibung (Seite 12), vermutlich in mehrfacher Hinsicht, nicht erfüllten. Gemäß Punkt 19 der Ausschreibung (Seite 12) sei, sofern für mehrere Regionen ein Angebot gelegt werde, eine Mehrfachverwendung derselben Referenzen nicht zulässig. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe auch in den Losen F, L und L Angebote abgegeben. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die I J Ges.m.b.H. nicht über die erforderliche Anzahl an Referenzen verfüge, welche auch die strengen Anforderungen der Auftraggeberin an die Qualität erfüllten – insbesondere ohne die in Oberösterreich (eben nicht) erworbenen Referenzen. Auch aus diesem Grund seien solche von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgelegten Referenzen nicht zu werten gewesen. Die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien in allen Regionen, in denen gleiche Referenzen vorgelegt worden seien, auszuscheiden. Darüber hinaus weise das Angebot der präsumtiven Bestbieterin keine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auf und hätte daher gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG ausgeschieden werden müssen. Aus dem Angebotsöffnungsprotokoll sei ersichtlich, dass von den sechs abgegebenen Angeboten alle anderen fünf Angebote eine LV-Summe um netto € 500.000,00 aufwiesen. Das Angebot der Antragstellerin sei mit einer LV-Summe von netto € 469.304,20, das zweitgünstigste Angebot nach jenem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin; die weiteren Angebote lägen bei € 499.098,90, € 508.128,30 und € 524.742,00. Mit € 343.945,08 unterbiete die präsumtive Zuschlagsempfängerin das ohnehin schon straff kalkulierte Angebot der Antragstellerin um gute 36%. Die Auftraggeberin habe es insgesamt unterlassen, eine vertiefte Angebotsprüfung, samt Preisangemessenheitsprüfung, auf Basis einer sachkundigen Kostenschätzung durchzuführen bzw. das Angebot der I J Ges.m.b.H. aufgrund unplausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden, weswegen die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären sein werde. Die Antragstellerin gehe auch davon aus, dass der Gesamtpreis im Angebot der präsumtiven Bestbieterin nicht wie gefordert formrichtig in den K3-, K4- und K7-Blättern aufgeschlüsselt sei. Die Antragstellerin vermute, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihren Preis nur dadurch derartig niedrig habe kalkulieren können, indem sie entweder Lohnbestandteile außer Acht gelassen oder den Material- oder Geräteaufwand vernachlässigt habe. Die I J Ges.m.b.H. habe ihre Arbeitskräfte als Malerbetrieb nach Kollektivvertrag und Lohnordnung für Maler, Lackierer und Schildhersteller zu entlohnen. Gemäß Art. XV.A, des mit Beilage zum Kollektivvertrag vom 02.04.2019 geänderten Rahmenkollektivvertrages, gültig seit 01.05.2019, hätten Malerbetriebe Taggeld zu zahlen. Arbeitnehmer, die außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes, für den sie aufgenommen wurden, zur Arbeit auf Baustellen eingesetzt würden und täglich an ihren Wohnort zurückkehrten, hätten darauf Anspruch. Der Antragstellerin sei bekannt, dass die I J Ges.m.b.H., mit Sitz in W, hauptsächlich Arbeitskräfte aus Wien beschäftige und diese zu den Arbeiten auf die Baustellen in die Steiermark zureisen lasse. Es würde den unplausibel niedrigen Angebotspreis der I J Ges.m.b.H. erklären, wenn diese Taggelder in ihrer Kalkulation nicht berücksichtigt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass von der I J Ges.m.b.H. wesentliche Kostenbestandteile von Lohn, Material oder Gerätschaften gar nicht – oder nicht realistisch – abgebildet worden seien, was der Auftraggeberin nicht aufgefallen sei. Auch aus diesen Gründen sei die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

 

B)

Mit Note des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wurde der Auftraggeberin der Nachprüfungsantrag sowie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung übermittelt und ihr Gelegenheit gegeben, allfällige Gründe, die der Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen, bekannt zu geben. Von Seiten der Auftraggeberin wurde innerhalb der aufgetragenen Frist mitgeteilt, keine Einwände gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu haben.

 

In ihrer Stellungnahme vom 23.12.2019, legte die Auftraggeberin dar, dass das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden sei, da sie zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit unzureichende Referenzen vorgelegt hätte. Die Antragstellerin habe ausschließlich „Autobahn-Referenzen“ vorgelegt. Autobahnen seien aber hinsichtlich der Verkehrszusammensetzung und Straßenklassen den in Anhang 2 der Ausschreibungsunterlage genannten Straßen weder ähnlich noch mit diesen vergleichbar. Die Vorlage unzureichender Referenzen stelle einen unbehebbaren Mangel dar, weshalb das Angebot der Antragstellerin ohne Verbesserungsmöglichkeit auszuscheiden sei. Die Nichterfüllung der Referenzanforderungen ergebe sich aus dem Vergabeakt und bedürfe keiner weiteren Gutachten, weshalb die Vergabekontrollbehörde verpflichtet sei diese eingewendeten Gründe zu prüfen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei während der letzten 5 Jahre mit Ausführungen von Bodenmarkierungsarbeiten in der Region B beauftragt gewesen und habe diese Aufträge ordnungsgemäß und zur Zufriedenheit der Auftraggeberin abgewickelt. Bei den jährlich durchgeführten Überprüfungen hätten keine signifikanten Unterschiede in der Qualität der Markierung zwischen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der Antragstellerin festgestellt werden können. Bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei keine Pönale schlagend geworden, weder aufgrund von Überschreitung der Ausführungszeit noch aufgrund von mangelnder Qualität. Art und Umfang der Markierungsarbeiten zwischen dem in den letzten 5 Jahren abgewickelten Auftrag und der neuen Ausschreibung, unterschieden sich nur geringfügig. Seitens der Auftraggeberin bestünden keine Zweifel an der Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Aufgrund der im eigenen Wirkungsbereich gemachten Erfahrungen sehe die Auftraggeberin kein Erfordernis bei der Angebotsprüfung auf „vermutete“ Probleme, die beim Land Oberösterreich aufgetreten seien, zurückzugreifen. Das Land Oberösterreich sei in Referenzen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht angeführt worden, der Auftraggeberin sei es deshalb nicht möglich gewesen, im Zuge der Angebotsprüfung, eine Anfrage beim Land Oberösterreich zu stellen. Der Auftraggeberin sei weder bekannt, ob es einen Schadenersatzprozess gegeben habe, noch ob die Schuldfrage geklärt worden sei oder aber ein Prozess gerichtsanhängig sei. Sollte die Schuldfrage nicht geklärt sein, könne § 78 Abs 1 Z 9 BVergG nicht angewendet werden. Voraussetzung für den Ausscheidensgrund den die Antragstellerin geltend gemacht habe, sei jedoch ein „kennen“ oder „kennen müssen“ der mangelhaften Leistungserbringung. Die Probleme mit dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung in der Leistungsabwicklung seien der Auftraggeberin weder bekannt noch mussten diese bekannt sein. Nach dem Kenntnisstand der Auftraggeberin sei in Oberösterreich der Zuschlag an eine ARGE erteilt worden, deren Teil die präsumtive Zuschlagsempfängerin gewesen sei. Aus advokatorischer Vorsicht werde vorgebracht, dass, sollte es die von der Antragstellerin aufgezeigten Mängel bei den Ausführungen in Oberösterreich gegeben haben, diese nicht der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, sondern dem anderen Mitglied der ARGE zuzurechnen sein. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe eine ausgefüllte Referenzliste abgegeben, die Referenzen entsprächen sowohl bei den Markierungsstoffklassen, wie auch bei der Art der Markierung. An Mengen seien in den Referenzen mehr enthalten als ausgeschrieben, die zeitliche Forderung, über die letzten 3 Jahre, sei eingehalten worden. Referenzen von der Stadt W seien keine abgegeben worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe die Forderungen, keine Referenzen mehrfach zu nennen, erfüllt. Die Kostenschätzung sei auf Basis des letzten Einheitspreises aus der Region B erstellt worden. Die von der Antragstellerin behauptete Unterpreisigkeit, beim Auftrag der letzten 5 Jahre in der Region B, sei nicht feststellbar. Die Kalkulationsblätter K3, K4 und K7 der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien geprüft worden und lägen vollständig und formrichtig vor. Die K4-Blätter seien von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin als Formblatt K-BM bezeichnet worden, entsprächen aber den Vorgaben. In den K7-Blättern seien die Personal- und Materialkosten ausgewiesen. Hinsichtlich der Gerätekosten sei mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, im Zuge einer vertieften Angebotsprüfung, ein Bieteraufklärungsgespräch geführt und sei eine schriftliche Erklärung vorgelegt worden. Die Aufklärung sei nachvollziehbar, da in den K3-Blättern der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in der Zeile N der Anteil der Geschäftsgemeinkosten tatsächlich deutlich höher sei als bei der Antragstellerin. Bei den Lohnkosten im K3-Blatt werde von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin der Kollektivvertrag für Maler verwendet. Die Ansätze seien geprüft worden und entsprächen dem Kollektivvertrag. Die Aufteilung von 1/3 Facharbeiter und 2/3 Helfer sei schlüssig mit der Kalkulation in den K7-Blättern (3 Mann pro Partie) und entspreche den Vorgaben der Ausschreibung. Alle Lohnanteile seien in den K3-Blättern vollständig angesetzt worden. Für die umgelegten Lohnnebenkosten, die im Vergleich niedrig seien, habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin eine Aufschlüsselung vorgelegt. Der im Vergleich zur Antragstellerin niedrigere Mittellohnpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erkläre sich dadurch, dass die Antragstellerin den Kollektivvertrag für das Baugewerbe anwende, beim Kollektivvertragslohn bereits von einem höheren Ansatz aus kalkuliere und sich daraus auch die höheren Einheitspreise ergäben. Eine vertiefte Angebotsprüfung sei durchgeführt und bezüglich der auffälligen Positionen eine Aufklärung verlangt worden. Im Preis der Positionen seien alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten und seien die Personalkosten nachvollziehbar. Eine (grobe) Prüfung habe zu dem Ergebnis geführt, dass die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien.

 

C)

Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 erhob die I J GmbH, A F Gasse, W, vertreten durch Dr. K L, Rechtsanwalt, M N Rechtsanwälte GmbH, D-C-Str., W (im Folgenden: die präsumtive Zuschlagsempfängerin), begründete Einwendungen. Das Angebot der Antragstellerin stelle eine gegen das Wettbewerbsrecht verstoßende Bietergemeinschaft dar, weshalb ihr Angebot nach den vergaberechtlichen Bestimmungen auszuscheiden gewesen wäre und es der Antragstellerin an der Antragslegitimation mangle. Die Auftraggeberin habe das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Recht nicht gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ausgeschieden. Die Mutmaßungen der Antragstellerin in Bezug auf den Vertrag mit dem Land Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, seien unrichtig. An der Zuverlässigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin könne kein Zweifel bestehen, ein Ausschluss wäre nicht gerechtfertigt. Die Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei durch ausreichende Referenzen belegt, eine Mehrfachverwendung derselben Referenzen, auch in den anderen Regionen, liege nicht vor. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei entsprechend den vergaberechtlichen Vorgaben vertieft geprüft worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei mit Schreiben der Auftraggeberin um Aufklärung in Bezug auf wesentliche Positionen der Kalkulation ersucht worden und habe die Fragen der Auftraggeberin innerhalb der gesetzten Frist und im Rahmen des Aufklärungsgespräches eingehend beantwortet. Sämtliche relevante Kostenbestandteile des Angebots seien von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin berücksichtigt und nachvollziehbar dargestellt worden. Ihr Angebot sei ordnungsgemäß kalkuliert, plausibel zusammengesetzt und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Es wurde beantragt, dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, insbesondere dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung, nicht Folge zu geben, und das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin samt allen Bestandteilen von der Akteneinsicht auszunehmen und der Antragstellerin keine Einsicht in diese oder sonstige wettbewerbsrelevante Unterlagen des Vergabeverfahrens zu gewähren.

 

Mit Schriftsatz vom 08.01.2020 erklärte die präsumtive Zuschlagsempfängerin den am 20.05.2019 mündlich mit dem Land Oberösterreich geschlossenen Vergleich nicht vorlegen zu können.

 

Aa)

In ihrer Replik vom 09.01.2020 betonte die Antragstellerin, sämtliche gesetzliche Verpflichtungen bei der Bildung der Bietergemeinschaft beachtet und die geforderte technische Leistungsfähigkeit, durch die Vorlage entsprechender Referenzen, nachgewiesen zu haben. In Punkt 19 der Ausschreibungsunterlage sei festgelegt, dass die Referenzen lediglich „ähnliche Straßenklassen“ und „ähnliche Verkehrszusammensetzungen“ aufweisen müssten, nicht aber, dass die Referenzen die gleichen Straßenklassen und Verkehrszusammensetzungen zu umfassen hätten, wie die in Anhang 2 der Ausschreibungsunterlage angeführten Straßen. Die in Anhang 2 zur Ausschreibung angeführten Straßen seien der A2 und A9 in der Steiermark ähnlich, da eine nicht geringe Anzahl der in Anhang 2 angeführten Straßen über 3 oder 4 Fahrbahnstreifen verfügten, die vorgelegten Referenzen betreffend die Bodenmarkierungsarbeiten auf der A2 und A9 in der Steiermark auch Abschnitte mit Gegenverkehr umfassten und etwa beim Autobahnzubringer „P“ auch Schutzwege und Radfahrstreifen markiert worden seien. Der Großteil der ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten betreffe die Markierung von Randlinien, die Bodenmarkierungsarbeiten auf Autobahnen unterschieden sich, hinsichtlich der Bodenmarkierung von Randlinien nur unwesentlich von Markierungsarbeiten auf Landesstraßen. Bei Arbeiten auf Autobahnen würden besonders hohe Anforderungen an die Absicherung der Markierungsbereiche gestellt werden. Die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen umfassten auch Bodenmarkierungsarbeiten auf Raststationen, in diesen Bereichen gebe es Fußgängerverkehr, auf welchen während der Markierungsarbeiten zu achten sei und seien in diesem Bereich auch Parkplätze jeglicher Art zu markieren gewesen. In der Ausschreibung sei zwar gefordert, dass die Referenzen ähnliche Straßenklassen und ähnliche Verkehrszusammensetzungen zu betreffen hätten, es sei in der Ausschreibung aber nicht näher definiert, was unter ähnlichen Straßenklassen und ähnlichen Verkehrszusammensetzungen genau zu verstehen sei. Diese Unklarheit in der Ausschreibung ginge zulasten der Auftraggeberin. Gemäß Punkt 21 der Ausschreibung, seien Bietergemeinschaften ausdrücklich für zulässig erklärt, die Bildung der Bietergemeinschaft der Antragstellerin sei erforderlich gewesen, um ein erfolgversprechendes Angebot abgeben zu können. Aus den Angebotsöffnungsprotokollen ergebe sich, dass sich zahlreiche andere Unternehmen an den Ausschreibungen beteiligt hätten. Die Bildung der Bietergemeinschaft der Antragstellerin, verstoße weder gegen das Vergabe- noch das Kartellrecht. Auch wenn die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihre Leistungen gegenüber der Auftraggeberin in der Vergangenheit ordnungsgemäß erbracht habe, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass sie ihre Leistung auch gegenüber anderen Auftraggebern ordnungsgemäß erbracht hätte. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei ihrer Verpflichtung, Bodenmarkierungsarbeiten für das Land Oberösterreich zeitgerecht auszuführen, nicht nachgekommen. Aus diesem Grund seien andere Unternehmen mit einer Ersatzvornahme vom Land Oberösterreich beauftragt worden. Da die Tatbestandsmerkmale des § 78 Absatz 1 Z 9 BVergG vorlägen, sei die präsumtive Zuschlagsempfängerin zwingend gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG auszuscheiden und komme der Auftraggeberin dabei kein Ermessen zu. Auch auf das Kennen bzw. Kennen-Müssen der Auftraggeberin komme es nicht an. Es handle sich um einen zwingenden Ausscheidensgrund, der zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens, auch noch im Nachprüfungsverfahren vom Gericht selbst, wahrzunehmen ist. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe den Auftrag in Oberösterreich im Jahr 2018 nicht zeitgerecht ausgeführt und sei daher Ende 2018 die Ersatzvornahme beauftragt worden. Der Ausscheidensgrund sei daher auch nicht verfristet. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei sowohl im Verhältnis zur Kostenschätzung der Auftraggeberin, als auch im Verhältnis zu den Angebotspreisen der übrigen Bieter auffallend niedrig, weshalb zwingend eine vertiefte Angebotsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Die Auftraggeberin hätte im Zuge einer vertieften Angebotsprüfung vor allem zu prüfen gehabt, ob in den Positionspreisen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten seien und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar seien. Es hätte auch überprüft werden müssen, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin Tagesgelder in ihrer Kalkulation berücksichtigt habe. Die von der Auftraggeberin gewählte Vorgangsweise stelle keine ausreichende vertiefte Angebotsprüfung dar und vermöge den ungewöhnlich niedrigen Preis, der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht zu erklären, weshalb die Zuschlagsentscheidung auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären sei.

 

Bb)

In ihrer Stellungnahme vom 09.01.2020, legte die Auftraggeberin dar, dass eine nähere Prüfung, hinsichtlich wettbewerbswidriger Abreden seitens der Auftraggeberin nicht erforderlich gewesen sei, da neben dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der Antragstellerin noch 3 weitere Angebote vorlägen. Nach dem Kenntnisstand der Auftraggeberin, gebe es neben den im Vergabeverfahren bietenden Unternehmern, zumindest noch 2 weitere Unternehmen am österreichischen Markt, die sich an der Ausschreibung hätten beteiligen können, darüber hinaus hätten sich auch Unternehmen aus den Nachbarländern beteiligen können, da die Arbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben worden seien. Eine marktdominierende Position der Bietergemeinschaft der Antragstellerin, sei nicht erkennbar. Nicht nachvollziehbar sei der Einwand der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, dass durch die Bildung der Bietergemeinschaft, der Preis hochgehalten werde. Die Angebotssumme der Bietergemeinschaft liege unter der Kostenschätzung und somit unter dem Niveau der bisherigen Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Eine Einschränkung des Wettbewerbs aus der Sicht der Auftraggeberin sei nicht gegeben, es hätten auch keine Anhaltspunkte oder ein begründeter Verdacht vorgelegen, die eine nähere Prüfung erforderlich gemacht hätten.

 

Bc)

In ihrer Replik vom 21.01.2020, brachte die Auftraggeberin vor, dass die von der Antragstellerin genannten Gegenverkehrsbereiche ca. 2.200 m und ca. 650 m lang seien und sich in Summe für die Mittelmarkierung der beiden Zubringer, eine Länge von 2.850 m ergebe. In der gegenständlichen Ausschreibung seien in Summe Mittelmarkierungen von 180.000 m vorgesehen. Die Herstellung sowohl von Rand-und Mittelmarkierung unterscheide sich sehr wohl zwischen Autobahnen und Landesstraßen. Auf Autobahnen erfolge die Aufbringung der Markierung auf den für den Verkehr gesperrten Spuren, während auf Landesstraßen die Absicherung durch die Markierungsmaschine selbst erfolge. Es sei nicht nachvollziehbar, was von Seiten der Antragstellerin mit „höherwertigen Referenzen“ in Bezug auf die Verkehrszusammensetzungen gemeint sei. Eine Verkehrszusammensetzung könne nur ähnlich, nicht aber höherwertiger sein. Die in der Ausschreibung verwendeten Formulierungen hinsichtlich Referenzen entstammten dem Arbeitspapier Nummer 23, Checkliste für die Ausführung von Bodenmarkierungsarbeiten, rechtliche Vertragsbestimmungen, herausgegeben von der FSV Forschungsgesellschaft für Verkehr und Straße. Das Arbeitspapier stelle einen österreichweit verwendeten Standard dar. Der Vertreter der Antragstellerin, Ing. O P, habe an dem Arbeitspapier mitgearbeitet. Auch wenn in der Ausschreibung Gegenverkehr nicht ausdrücklich erwähnt sei, könne eine ähnliche Verkehrszusammensetzung bei Landesstraßen nur bedeuten, dass die Referenzen Straßen mit Gegenverkehr enthielten. Der Auftraggeberin sei kein Zeitraum für die Mängel in Oberösterreich bekannt gegeben worden, und sei deshalb nicht klar, ob diese innerhalb der letzten drei Jahre aufgetreten seien. Die Behauptung, die Preise der Kostenschätzung seien von den übrigen Bietern unterschritten worden, sei falsch. Dies ergebe sich aus dem im Akt aufliegenden Preisspiegel. Die Auftraggeberin habe eine vertiefte Angebotsprüfung für alle Positionen in Entsprechung des § 137 Abs 3 BVergG durchgeführt. Die festgestellten Auffälligkeiten seien mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufgeklärt worden. Die Auftraggeberin habe auch für die Personalkosten eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. In Punkt 25 der Ausschreibung sei geregelt, dass die Kalkulation der Personalkosten mit dem Formblatt K3 zur erfolgen habe. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe ein vollständig ausgefülltes K3-Blatt vorgelegt und sei dieses von der Auftraggeberin im Zuge der vertieften Angebotsprüfung geprüft worden. Der Kollektivvertragslohnansatz sei eingehalten und seien alle Zuschläge im K3-Blatt vollständig angesetzt worden. Für die umgelegten Lohnnebenkosten, die im Vergleich niedrig seien, habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin eine Aufschlüsselung vorgelegt. Ein gesonderter Ausweis der Tagesgelder sei im K3-Blatt nicht vorgesehen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei ihrer Verpflichtung, hinsichtlich Vorgaben für die Kalkulation der Personalkosten, nachgekommen. Die Auftraggeberin habe die Prüfung gemäß § 137 BVergG durchgeführt und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegebenen Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar seien.

 

Ac)

In ihrer Replik vom 29.01.2020, hielt die Antragstellerin fest, technisch leistungsfähig zu sein und ihre Leistungsfähigkeit auch den Vorgaben der gegenständlichen Ausschreibung, entsprechend durch die Vorlage von Referenzen, die dem Ausschreibungsgegenstand jedenfalls ähnlich seien, nachgewiesen zu haben. Die Antragstellerin habe in den Jahren 2016 - 2018, im Auftrag der burgenländischen Landesregierung, Bodenmarkierungen auf Landesstraßen mit Gegenverkehr im Umfang von über 1.000.000 Laufmetern und einem Auftragsvolumen von mehr als 1,7 Mio. durchgeführt. Das Amt der burgenländischen Landesregierung habe die ordnungsgemäße Ausführung dieser Bodenmarkierungsarbeiten auch mit Schreiben vom 17.10.2019, bestätigt. Damit stehe fest, dass die Antragstellerin zum eignungsrelevanten Zeitpunkt der Angebotsöffnung am 06.11.2019, über die geforderte technische Leistungsfähigkeit, verfügt habe. Das Schreiben des Amtes der burgenländischen Landesregierung vom 17.10.2019, sei auch zur Vorlage an die Auftraggeberin für das gegenständliche Vergabeverfahren bestimmt gewesen, sei es auch explizit an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung adressiert. Nur aus einem Irrtum heraus, sei das Schreiben vom 17.10.2019 nicht an die Auftraggeberin übermittelt worden. Auch bei Bodenmarkierungsarbeiten von Mittelmarkierungen ergebe sich kein wesentlicher Unterschied zwischen Autobahnen und Landesstraßen. Ein erhöhtes Gefahrenpotenzial bestehe bei Markierungsarbeiten auf Landesstraßen mit Gegenverkehr nicht. Vielmehr sei ein erhöhtes Gefahrenpotenzial bei Markierungsarbeiten auf Autobahnen gegeben. Bei Markierungsarbeiten auf Autobahnen seien mehr Absicherungsmaßnahmen zu setzen, als auf Landesstraßen mit Gegenverkehr. Die Anforderungen an die Absicherungsmaßnahmen bei Markierungsarbeiten auf Autobahnen, seien um einiges höher als bei Markierungsarbeiten auf Landesstraßen mit Gegenverkehr. Bei Markierungsarbeiten auf Autobahnen sei man höheren Gefahren und Risiken ausgesetzt, als bei Markierungsarbeiten auf Landesstraßen mit Gegenverkehr. Eben aus diesem Grund seien bei Markierungsarbeiten auf Autobahnen mehr Absicherungsmaßnahmen zu setzen, als bei Markierungsarbeiten auf Landesstraßen mit Gegenverkehr. Die Antragstellerin gehe weiterhin davon aus, dass der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, sowohl die Kostenschätzung der Auftraggeberin, als auch die Angebotspreise der Mietbieter erheblich unterschritten habe und daher zwingend eine vertiefte Angebotsprüfung von der Auftraggeberin durchzuführen gewesen wäre. Selbst wenn die Auftraggeberin das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin tatsächlich vertieft geprüft hätte, sei davon auszugehen, dass diese vertiefte Angebotsprüfung den Anforderungen des Bundesvergabegesetzes 2018 nicht entsprochen habe. Die Ausführungen der Auftraggeberin in deren Stellungnahmen, könnten den ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht erklären. Aus den Ausführungen der Auftraggeberin sei nicht ableitbar, aus welchen Gründen der niedrige Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sei. Entgegen den Ausführungen der Auftraggeberin seien im K3-Blatt, in der Zeile I, „andere nicht abgabepflichtige Lohnbestandteile“ anzugeben. Zu diesen Lohnbestandteilen zählten jedenfalls auch die Tagesgelder, da auf diese keine Abgaben anfielen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hätte die Tagesgelder in der Zeile I des K3-Blattes berücksichtigen müssen. Die Ausführungen der Auftraggeberin ließen vermuten, dass diese die Berücksichtigung der Tagesgelder der Zeile I des K3-Blattes, der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, nicht geprüft habe.

 

Bd)

Mit ergänzender Stellungnahme vom 04.02.2020 brachte die Auftraggeberin vor, dass sie nunmehr Anfragen an das Land Oberösterreich gestellt und darauf aufbauend die präsumtive Zuschlagsempfängerin um Aufklärung ersucht habe. Nach den vorliegenden Stellungnahmen sei der frühere Auftrag nicht vorzeitig beendet, noch eine einer vorzeitigen Beendigung vergleichbare Sanktion schlagend geworden. Die Auftraggeberin und die beauftragte ARGE hätten sich bezüglich der aufgetretenen Mängel verglichen und einen geringen Prozentsatz der Schlussrechnungssumme von dieser abgezogen. Es liege kein erheblicher und dauerhafter Mangel betreffend wesentliche Anforderungen des Auftrags vor. Der Auftrag sei von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in einer ARGE erbracht worden, ein anderes Mitglied dieser ARGE sei maßgeblich an der mangelhaften Leistungserbringung beteiligt gewesen und habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin die Konsequenzen gezogen, indem sie mit diesem Unternehmen zukünftig keine Bietergemeinschaft einzugehen beabsichtige. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe bei keiner der 7 Ausschreibungen, die derzeit abgewickelt würden, in einer Bietergemeinschaft mit diesem Unternehmen angeboten. Die Feststellung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, dass alle Aufträge, bei denen sie allein tätig gewesen sei, ordnungsgemäß ausgeführt worden seien, decke sich mit den Erfahrungen der Auftraggeberin während der letzten 5 Jahre für die Region B, weshalb die Auftraggeberin zusammenfassend davon ausgehe, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der präsumtiven Zuschlagsempfängerin durch die Auftraggeberin gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG nicht vorlägen. Lediglich aus advokatorischer Vorsicht werde vorgebracht, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit der Trennung von dem Mitglied der ARGE des früheren Auftrags Maßnahmen gesetzt habe, die geeignet seien, auszuschließen, dass es nochmals zu ähnlich gelagerten Problemen komme. Mit der Stellungnahme legte die Auftraggeberin ihr E-Mail an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24.01.2020, die Antwort des Herrn Diplom-Ingenieur Q R, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, vom 29.01.2020, das E-Mail der Auftraggeberin vom 29.01.2020 an die präsumtive Zuschlagsempfängerin, mit welchem diese um schriftliche Aufklärung ersucht wurde, das Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 31.01.2020 samt Referenzlisten aus den Jahren 2012, 2013 2014 2016 und einer Referenzliste aus dem Jahr 2018. Die Auftraggeberin verwies darauf, dass die Angaben in den Beilagen ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der früheren Auftraggeberin darstellten.

 

Ad)

In der Replik der Antragstellerin vom 05.02.2020 brachte diese vor, dass in Punkt 20 der Ausschreibung festgelegt sei, dass ANKÖ-Eintragungen als Nachweise akzeptiert würden. In diesem Fall sei die ANKÖ-Nummer im Abgabeexemplar auf dem Blatt G Eigenerklärung anzugeben. Die Antragstellerin habe die Eigenerklärung gemäß § 80 Abs 2 BVergG mit dem Angebot ausdrücklich abgegeben und dort pflichtgemäß die ANKÖ Nummer angegeben. Im ANKÖ sei schon zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe die gültige Referenzliste hinterlegt, welche die Referenz „Bodenmarkierungen Landesstraßen B und L Burgenland“ enthalte. Dieser Auftrag erfülle sämtliche Anforderungen der Auftraggeberin an Referenzen. Wegen der ausdrücklichen Abgabe einer Eigenerklärung und Anführung der ANKÖ Nummer mit dem Angebot hätte die Auftraggeberin auch die dort hinterlegten Referenzen zu berücksichtigen gehabt. Die im ANKÖ angeführte Referenz sei in keiner anderen Region verwertet worden und erfülle inhaltlich alle Anforderungen der Auftraggeberin, weshalb diese ihre Eignung schon mit dem Angebot nachgewiesen habe. Der Replik angeschlossen waren die Eigenerklärung gemäß § 80 Abs 2 BVergG vom 23.10.2019 (Beilage ./G), und die Referenzliste 2018 aus dem ANKÖ (Beilage ./H).

 

Sachverhalt:

 

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht aufgrund des vorliegenden Vergabeaktes in Verbindung mit den Stellungnahmen der Parteien, des Schreibens des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 29.01.2020 an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, des Schreibens des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, DI Q R, vom 30.01.2020 sowie der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung, anlässlich welcher der Zeuge Ing. S T, der Vertreter der mitbeteiligten Partei, Herr Prokurist Ing. U V und der Vertreter der Auftraggeberin, Herr DI W X, einvernommen worden sind, von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen aus:

 

Das Land Steiermark, Amt der steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16, Verkehr- und Landeshochbau, führte das Vergabeverfahren „Bodenmarkierung Region B/M 2020-2021“, in Form eines offenen Verfahrens zur Vergabe eines Bauauftrages im Oberschwellenbereich durch. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte am 02.10.2019. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 06.11.2019, 09.00 Uhr, beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16, vorgesehen. Die Angebotsabgabe hatte auf elektronischem Weg zu erfolgen. Die Angebotsöffnung erfolgte am 06.11.2019. Der geschätzte Auftragswert betrug netto € 475.840,50. Nach Ablauf der Angebotsfrist lagen fünf Angebote vor. Die Antragstellerin legte fristgerecht ein Angebot und schloss diesem die Eigenerklärung gemäß § 80 Abs 2 BVerG, in welcher ihre ANKÖ Nummer angegeben war, an. Im ANKÖ war zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe die Referenzliste hinterlegt, welche die Referenz „Bodenmarkierungen Landesstraßen B und L Burgenland“ enthielt. Die im ANKÖ angeführte Referenz wurde in keiner anderen Region verwertet und erfüllte inhaltlich alle Anforderungen der Ausschreibung. Gleichzeitig war dem Angebot der Antragstellerin die Referenzliste L Markierung 2016/2017/2018 für den Markierungsbereich Autobahn A9 und A2 angeschlossen. Dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, waren eine Referenz für das Jahr 2016, Markierungsbereich S1, und zwei Referenzen für das Jahr 2018 für den Markierungsbereich: Region B a d M; Landstraßen B, L und den Markierungsbereich: Bauabteilung 1, Hbrunn; Landesstraßen B, L angeschlossen. Im Zuge der Angebotsöffnung wurden keine Besonderheiten festgestellt. Das Angebot der Antragstellerin war das zweitgünstigste Angebot, nach jenem der präsumtive Zuschlagsempfängerin. Mit Verständigung per E-Mail vom 03.12.2019 teilte die Auftraggeberin mit, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren der I J Ges.m.b.H., A F Gasse, W, mit einer Vergabesumme von netto € 337.066,18 erteilt werden solle.

 

Die Bildung der BIEGE der Antragstellerin erfolgte aus Gründen wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit, als es durch diese Kooperation erst möglich war, auch Angebote für die nahezu zeitgleich ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten der Bezirke G-U, F, L, L, H und J abgeben zu können, was aus Kapazitätsgründen sonst den beteiligten Unternehmen nur hinsichtlich einzelner dieser Ausschreibungen möglich gewesen wäre. Darüber hinaus ermöglichte die BIEGE den beteiligten Unternehmen bei dem gegenständlich zu vergebenden mehrjährigen Auftrag eine bessere Planung ihrer Auslastung und eine entsprechende Bindung von Ressourcen.

 

Laut Anhang 2 der Ausschreibungsunterlage Straßenverzeichnis Region B a d M weisen die B72, die L118, die B115, die B116 in den bezeichneten Bereichen drei Fahrstreifen und die B116 in den im Anhang 2 bezeichneten Bereichen vier Fahrstreifen in eine Fahrrichtung auf. Die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen, betreffend die Bodenmarkierungsarbeiten auf der A2 und A9 in der Steiermark, umfassten nach ihren Angaben auch Abschnitte mit Gegenverkehr, es wurden Bodenmarkierungsarbeiten auf Raststationen, in deren Bereich Fußgängerverkehr herrscht, durchgeführt und auch Parkplätze markiert. Mit Schriftsatz vom 29.01.2019 legte die Antragstellerin die L Referenzlistemarkierung 2016/2017/2018 vom 17.10.2019, Beilage ./F vor und ergibt sich aus dem mitübermittelten E-Mail, dass vom Amt der burgenländischen Landesregierung, Abteilung 5, Baudirektion, die unterfertigte L Referenzliste Markierung 2016, 2017 und 2018 Burgenland, am 23.10.2019 an die Antragstellerin gemailt wurde.

 

Folgende Festlegungen finden sich in den Ausschreibungsunterlagen:

 

Punkt 19, Seite 12 der Ausschreibungsunterlage lautet:

„Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit:

Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit

a) Referenzliste

bei der Angebotslegung ist die Referenzliste, über die in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen vollständig auszufüllen und beizulegen (Abgabeexemplar Blatt L Referenzliste).

Aus den Referenzen hat eindeutig hervorzugehen, dass der Bieter oder die Bietergemeinschaft sowohl in der geforderten Qualität, wie auch im vorgesehenen Leistungszeitraum die ausgeschriebenen Arbeiten durchzuführen in der Lage ist und bereits nach Qualität und zeitlicher bzw. termingerechter Leistungserbringung vergleichbare Arbeiten erbracht hat.

Darunter ist zu verstehen:

gleiche Markierstoffe,

gleiche Markierstoffklassen,

gleiche Art der Markierung (z.B. Flächen-, Längsmarkierung usw.),

ähnliche Straßenklassen (Verkehrsdichte),

ähnliche Verkehrszusammensetzung (schwer-, individual-, fußgänger-, öffentlicher Verkehr, Stadt- oder Überlandverkehr),

ähnliche Baulosgrößen.

Bei Bietergemeinschaften sind die oben angeführten Angaben aus Referenzleistungen der Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammenzurechnen.

Diese Leistungen sind nachzuweisen.

Eine Bescheinigung der jeweiligen Auftraggeber über die ordnungsgemäße Ausführung für die wichtigsten Leistungspositionen ist auf Erlangen vorzulegen.

Sofern davon Leistungen in Arbeitsgemeinschaften erbracht wurden, ist der Anteil des Bieters an der Leistungserbringung anzugeben.

Sofern für mehrere Regionen ein Angebot gelegt wird, gilt, dass eine Mehrfachverwendung der selben Referenzen nicht zulässig ist…“

 

Punkt 19, Seite 13 der Ausschreibungsunterlage lautet:

„Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, Eignungskriterien:

Für die Erfüllung dieses Auftrages wird nur ein erfahrener Auftragnehmer herangezogen,

- der bereits Aufträge der gleichen Art und ähnlichen Umfanges bei ähnlichen Straßenklassen (Verkehrsdichte) ausgeführt hat. Bei Bietergemeinschaften sind die Aufträge der Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammenzurechnen...“

 

Punkt 20 der Ausschreibungsunterlage lautet:

„sämtliche geforderten Nachweise sind in aktueller Fassung (in der Regel nicht älter als 6 Monate) vorzulegen. Der Bieter/die Bietergemeinschaften kann/können gemäß § 80 BVergG 2018 durch Vorlage einer Eigenerklärung nachweisen, dass sie die vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien erfüllen und die festgelegten Nachweise auf Aufforderung innerhalb von 3 Werktagen beibringen können. Die Befugnisse, über die die Bieter/Bietergemeinschaften konkret verfügen, sind im einzelnen anzugeben………………

………. ANKÖ-Eintragungen (ANKÖ) werden als Nachweise akzeptiert. In diesem Fall ist die ANKÖ-Nummer im Abgabeexemplar auf dem Blatt G Eigenerklärung anzugeben.

Bei Bietergemeinschaften sind die ANKÖ-Nummern in der Tabelle Abgabeexemplar Blatt I, für Subunternehmer in der Tabelle Abgabeexemplar Blatt J anzugeben. “

 

Punkt 21 der Ausschreibungsunterlage lautet:

„ARGE/Bietergemeinschaft

Bietergemeinschaften (BIEGE) sind zulässig. Die Bildung einer BIEGE muss bis zum Ende der Angebotsfrist erfolgt sein. Alle Teilnehmer einer BIEGE sind im Abgabeexemplar auf dem Blatt I. bekanntzugeben. Nach Ablauf der Angebotsfrist ist jede Änderung der Zusammensetzung unzulässig.

Die Teilnahme eines Unternehmens an mehreren Bietergemeinschaften gleichzeitig oder die Abgabe eines Angebotes eines Unternehmers als Einzelbieter und als Mitglied einer Bietergemeinschaft gleichzeitig ist nur dann zulässig, wenn das mehrfach beteiligte Unternehmen keine tatsächlich positive Kenntnis über den Inhalt anderer Angebote gehabt hat und die Preisgestaltung der Angebote dadurch tatsächlich nicht beeinflussen konnte und somit keinen Wettbewerbsvorteil hat.

Bietergemeinschaften müssen bei Angebotsabgabe bekannt gegeben werden und sind überdies nur insoweit zulässig, als die Bietergemeinschaft die für die Ausführung ihres Teiles erforderliche Befugnis, wirtschaftlichen technische Leistungsfähigkeit sowie Zuverlässigkeit besitzt. Jedes Mitglied der BIEGE hat die Befugnis für den konkret zufallen Leistungsteil nachzuweisen.

Im Fall der Bildung einer BIEGE haften die beteiligten Unternehmer solidarisch für sämtliche Verpflichtungen gegenüber dem Auftraggeber. Die BIEGE erbringt im Auftragsfall die Leistung als Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Es ist ein für die gesamte Vertragsabwicklung zuständiger Bevollmächtigter bekanntzugeben.“

 

Punkt 25 der Ausschreibungsunterlage lautet:

„Erstellung der Preise

Die Preise sind veränderlich und werden entsprechend der ÖNORM B2111 umgerechnet.

Die den Preisen zugrundeliegende Kalkulation ist auf Verlangen innerhalb von drei Werktagen durch Vorlage der K3-, K4- und K7-Blätter, gemäß Anhang 1, Kalkulationsformblätter darzulegen.

Für die Umrechnung des Anteiles „Lohn“ und „Sonstiges“ ist der jeweils gültige Index „Maler (Bodenmarkierer)“ des „Index der Baukostenveränderung“ heranzuziehen. ….

Im Zuge der Teilschluss- bzw. Schlussrechnung ist die Preiserhöhung gesondert auszuweisen. Bei Teilrechnungen ist keine Preisumrechnung vorgesehen.“

 

Punkt 43.07, Absatz 2, des Leistungsverzeichnisses lautet:

„Vorarbeiten für Bodenmarkierungen, Verweis auf technische Vertragsbedingungen:

Die Anforderungen der folgenden Regelwerke sind einzuhalten:

RVS 05.03.11

RVS 05.03.12

RVS 05.05.42

RVS 05.05.43

RVS 05.05.44

RVS 08.23.11

Önorm EN 1436

ONR 22441…“

 

Am 11.10.2019 erfolgte zu GZ: ABT16SD-131152/2019-3 in Beantwortung der Bieteranfrage – Ausschreibung Fremdmarkierung Region B/M, 2020 – 2021 – nachstehende Klarstellung:

„Unter Punkt 19 Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit a) Referenzliste, sind unter anderem Referenzen gleicher Markierstoffe und gleicher Markierstoffklassen gefordert.

Dies ist so zu verstehen, dass gleichwertige, wie auch höherwertige Referenzen zugelassen werden. Das heißt beispielsweise, wenn im Leistungsverzeichnis MSK A ausgeschrieben ist, wird hierfür auch eine Referenz mit MSK B akzeptiert.“

 

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erhielt als Bietergemeinschaft mit der Y Z s.r.o. im Vergabeverfahren „Bodenmarkierungsarbeiten auf Landesstraßen B und L im Bundesland Oberösterreich“ mit der Vertragsdauer von 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2018 den Zuschlag mit Schlussbrief des Landes Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22.03.2018, erteilt und nahm diesen mit Gegenschlussbrief vom 27.03.2018, an. Die Bodenmarkierungsarbeiten wurden durch gemischte Arbeitspartien ausgeführt. Der pro Arbeitspartie erforderliche Facharbeiter für Bodenmarkierungen wurde von der Firma I J gestellt, die restlichen Hilfsarbeiter zum überwiegenden Teil von der Firma Y Z. Im Zuge der von der ARGE I J/Y Z für das Land Oberösterreich im Jahr 2018 durchgeführten Bodenmarkierungsarbeiten traten sowohl Mängel bei den Flächenmarkierungen, als auch bei den Längsmarkierungen (Mittel- und Randmarkierungen) auf. Bei den Flächenmarkierungen wurden mangelnde Rückstrahlwerte, und bei der Linienführung Abweichungen beim Markierungsbild und anderen Funktionen der Markierung, festgestellt. Bei Inselumrandungen fehlten Markierungen und waren Fahrbahnverschmutzungen festzustellen. Für die fehlenden Markierungen wurde vom Land Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, einerseits eine Ersatzvornahme auf Kosten der ARGE I J/Y Z vorgenommen und andererseits ein Pönale vom Schlussrechnungsbetrag in Abzug gebracht. Ausführungsmängel wurden durch Preisminderungen im Schlussrechnungsbetrag berücksichtigt. Der oberösterreichischen Auftraggeberin wurde von Seiten der ARGE schriftlich in einem E-Mail die festgestellten Mängel, das Pönale und die Abzüge bestätigt.

 

In ihrem Nachprüfungsantrag vom 11.12.2019, führte die Antragstellerin unter anderem aus, dass die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin rechtswidrig sei, da die präsumtive Zuschlagsempfängerin, im Sinne der Ausschreibung, nicht geeignet sei und gemäß § 141 Abs 1 Z 2 iVm § 78 Abs 1 Z 9 BVergG hätte ausgeschieden werden müssen, da die I J bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung, im Rahmen eines früheren Auftrages, erhebliche oder dauerhafte Mängel habe erkennen lassen, die zu einer Ersatzvornahme durch den öffentlichen Auftraggeber geführt habe. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei in einer Bietergemeinschaft mit der Firma Y Z mit der Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten für das Land Oberösterreich betraut worden, und sei dem dortigen Auftrag, Bodenmarkierungen zeitgerecht durchzuführen, nicht nachgekommen, weshalb das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung die an die Bietergemeinschaft I J/Y Z vergebene Aufträge an andere Unternehmen neu vergeben habe. Die Ersatzvornahme ziehe zwangsläufig die Einforderung der Kosten für die Ersatzvornahme als Schadenersatz nach sich.

In ihrer Stellungnahme vom 19.12.2019, bestätigte die präsumtive Zuschlagsempfängerin, dass sie in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Y Z, s.r.o., einen Auftrag des Landes Oberösterreich erhalten habe, welcher zwischenzeitlich abgeschlossen sei. Der Auftrag habe nicht so abgewickelt werden können, wie es den Vorstellungen und Anforderungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entsprochen habe, wobei der Grund dafür an der Y Z gelegen habe. Dieses Unternehmen habe entgegen den gemachten Zusagen, Leistungen nicht erbracht, keine Facharbeiter vor Ort eingesetzt sowie Maschinen nicht beigestellt. Oftmals sei eine Kommunikation auf Deutsch nicht möglich gewesen und seien auch die erbrachten Leistungen nicht wie gefordert von der Y Z dokumentiert worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe dies auffangen und einspringen müssen, Facharbeiter und Gerät beistellen, in großem und so nicht vorherzusehendem Mehraufwand, die Abrechnung vornehmen müssen, um den Auftrag, trotz des Verhaltens von Y Z, so gut wie möglich abzuwickeln. Unrichtig sei die Vermutung der Antragstellerin, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin zur Zahlung von Schadenersatz oder einem Pönale verhalten worden sei. Richtig sei vielmehr, dass mit dem dortigen Auftraggeber einvernehmlich Abzüge vereinbart worden seien, um die unerwartet negative Zusammenarbeit mit Y Z beenden zu können. Jeglicher, allfälliger Schaden, sei über den Vergleich ausgeglichen und der Auftrag abgeschlossen worden. Ein Pönale oder dergleichen im juristischen Sinn, sei der damaligen Auftraggeberin nicht zugestanden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe auch sonst die Konsequenzen gezogen und werde mit Y Z nicht mehr zusammenarbeiten und habe das auch für die hier gegenständliche Auftragsvergabe nicht getan. Überall dort, wo die präsumtive Zuschlagsempfängerin – wie hier – allein aufgetreten sei, seien alle übernommenen Aufträge fach- und fristgerecht sowie insgesamt ordnungsgemäß ausgeführt worden. Beispielhaft schloss die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihrer Stellungnahme Referenzbestätigungen, aus den Jahren 2012, 2013, und 2014, an.

 

Mit E-Mail vom 30.12.2019 wurde die präsumtive Zuschlagsempfängerin durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark ersucht, bis 09.01.2020 den zwischen der I J Ges.m.b.H., im Rahmen der Bietergemeinschaft mit der Y Z, mit dem Land Oberösterreich abgeschlossenen Vergleich, vorzulegen. In ihrer Stellungnahme vom 08.01.2020 brachte die präsumtive Zuschlagsempfängerin vor, dass der Vergleich mit dem Land Oberösterreich in einer Besprechung am 20.05.2019 mündlich geschlossen worden sei, ein Vergleich könne als solcher nicht vorgelegt werden. Mit Stellungnahme vom 20.12.2019, erklärte die Auftraggeberin, keine Zweifel an der Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu haben. Im gegenständlichen Vergabeverfahren seien keine Referenzen des Landes Oberösterreich angeführt worden, weshalb es der Auftraggeberin nicht möglich gewesen sei, im Zuge der Angebotsprüfung eine Anfrage beim Land Oberösterreich zu stellen. Es sei weder bekannt, ob es einen Schadenersatzprozess gegeben habe, noch ob die Schuldfrage geklärt oder ein Prozess gerichtsanhängig sei. Die Probleme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, mit dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung in der Leistungsabwicklung, seien weder bekannt noch müssten diese bekannt sein. Dem Vorbringen der Antragstellerin sei nicht zu entnehmen, wann das betreffende Ereignis eingetreten sei, nach dem Kenntnisstand sei in Oberösterreich der Zuschlag an eine ARGE erteilt worden, deren Teil die präsumtive Zuschlagsempfängerin gewesen sei. So es die von der Antragstellerin aufgezeigten Mängel bei der Ausführung in Oberösterreich gegeben habe, seien diese nicht der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, sondern dem anderen Mitglied der ARGE zuzurechnen. In ihrer Replik vom 21.01.2020 stellte die Auftraggeberin klar, dass sie mit ihrem Vorbringen nur darauf habe hinweisen wollen, dass seitens der Antragstellerin kein Zeitraum für die Mängel bekannt gegeben worden sei und daher nicht klar sei, ob diese innerhalb der letzten drei Jahre aufgetreten seien.

 

Mit E-Mail des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 29.01.2020 an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Straßenbau- und Erhaltung, wurde ersucht unter Vorlage der entsprechenden Urkunden bekannt zu geben, um welches Vergabeverfahren in Oberösterreich es sich konkret gehandelt habe, ob die ARGE tatsächlich den Zuschlag und zu welchen Bedingungen erhalten habe, ob der Auftrag ordnungsgemäß und zeitgerecht erbracht worden sei, ob dieser vorzeitig von Seiten der Auftraggeberin beendet, eine Ersatzvornahme gewählt und der ARGE eine Pönale auferlegt worden sei. Wesentlich sei auch, ob die Gesamtrechnung der ARGE anerkannt worden sei, oder aber Abzüge von Seiten der Auftraggeberin vorgenommen worden seien und ob etwaige Abzüge bzw. die Pönale, nur jeweils gegenüber einer Firma der ARGE Gültigkeit erlangt habe.

 

Mit E-Mail vom 30.01.2020 wurde von Seiten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Straßenneubau- und Erhaltung, Bplatz, L, von DI Q R nachstehende Stellungnahme abgegeben:

„Betreffend ihre Anfrage, im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren für Bodenmarkierungsarbeiten Land Steiermark, Bodenmarkierungen Region B/M 2020 - 2021, werden seitens der oberösterreichischen Landesstraßenverwaltung ihre Fragen im Schreiben vom 29.01.2020, GZ: LVwG 443.8-2976/2019- wie folgt beantwortet:

1) Vergabeverfahren:

Offenes Verfahren im Oberschwellenbereich, betreffend die Bodenmarkierungsarbeiten auf Landesstraßen B und L, im Bundesland Oberösterreich (siehe beiliegende Ausschreibungsunterlagen sowie die Auftragsbekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union).

2) Zuschlagserteilung:

Die Bodenmarkierungsarbeiten auf den Landesstraßen B und L, im Bundesland Oberösterreich, wurden mit Schlussbrief vom 22.03.2018, Zl. BauNE-2017-394519/22, an die Bietergemeinschaft I J Ges.m.b.H./Y Z, s.r.o., A Fgasse, W, vergeben und mit Gegenschlussbrief vom 27.03.2018 angenommen (siehe beiliegenden Schluss- und Gegenschlussbrief vom 22.03.2018 und 27.03.2018, Zl. BauNE-2017-394519/22, sowie die Bekanntmachung vergebener Aufträge im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union).

3) Vertragsdauer:

Der Vertrag wurde für den Zeitraum von 01.01.2018 bis 31.12.2018 abgeschlossen und nicht vorzeitig beendet.

4) Vertragsabwicklung:

Die Bodenmarkierungsarbeiten wurden durch gemischte Arbeitspartien ausgeführt, es gab keine konkrete Aufgabenteilung der beiden Unternehmen in der ARGE I J/Y Z (eine prozentuelle Arbeitsaufteilung erschien der ARGE I J/Y Z nicht sinnvoll und wurde somit dem Auftraggeber auch nicht bekanntgegeben). Der pro Arbeitspartie erforderliche Facharbeiter für Bodenmarkierungen wurde von der Firma I J gestellt, die restlichen Hilfsarbeiter zum überwiegenden Teil von der Firma Y Z. Im Zuge der Bodenmarkierungsarbeiten traten sowohl Mängel bei den Flächenmarkierungen, als auch bei den Längsmarkierungen (Mittel- und Randmarkierungen) auf (z.B. mangelnde Rückstrahlwerte bei den Flächenmarkierungen, Abweichungen bei der Linienführung, beim Markierungsbild und bei anderen Funktionen der Markierung, Verschmutzung der Fahrbahn, fehlende Markierungen (insbesondere Inselumrandungen etc.).

5) Vertragsstrafen:

Für die fehlenden Markierungen wurde einerseits eine Ersatzvornahme auf Kosten der ARGE I J/Y Z vorgenommen (im Zusammenhang mit fehlenden Flächenmarkierungen im September 2018), andererseits eine Pönale vom Schlussrechnungsbetrag in Abzug gebracht, Ausführungsmängel wurden durch Preisminderungen im Schlussrechnungsbetrag berücksichtigt. Von der geforderten Schlussrechnungssumme der ARGE I J/Y Z wurden insgesamt ca. 10% abgezogen, das heißt, die Vertragsstrafen wurden gegenüber der ARGE I J/Y Z geltend gemacht (siehe beiliegende Aufstellung aller gebuchten Rechnungen).

6) Rechnungslegung:

Die Rechnungslegung der Teil- und Schlussrechnungen hatte monatlich getrennt, nach den insgesamt 31 Straßenmeistereien sowie nach Mittel- und Flächenmarkierungen bzw. Rand- und Sondermarkierungen zu erfolgen, eine Gesamtschlussrechnung liegt somit nicht vor.“

 

Dem E-Mail angeschlossen waren die Ausschreibungsunterlagen betreffend die „Ausführung der Bodenmarkierungsarbeiten auf Landesstraßen B und L im Bundesland Oberösterreich“ die Auftragsbekanntmachung vom 28.06.2017, der Schlussbrief vom 22.03.2018, der Gegenschlussbrief vom 27.03.2018, die Bekanntmachung vom 26.04.2018 und ein Konvolut von Abrechnungen.

 

Mit ergänzender Stellungnahme vom 04.02.2020 legte die Auftraggeberin ihre Anfrage an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24.01.2020, die Antwort des DI Q R des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29.01.2020, das E-Mail mit dem Ersuchen um Stellungnahme an die präsumtive Zuschlagsempfängerin vom 29.01.2020 und das Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 31.01.2020, in welchem im wesentlichen die Ausführungen aus den am 19.12.2019 begründeten Einwendungen wiederholt werden, sowie die dem Schreiben beigefügten Referenzlisten aus den Jahren 2012, 2013, 2014, 2016 und eine Referenzliste aus dem Jahr 2018, vor.

 

Beweiswürdigung:

 

Die getroffenen Feststellungen gründen sich in allen wesentlichen Punkten auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen des Vergabeverfahrens, der Anfrage des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 29.01.2020, an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, das E-Mail des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Straßenneubau und -Erhaltung, DI Q R, vom 30.01.2020, und den im Anhang dazu übermittelten Urkunden, dem Parteienvorbringen und den Ergebnissen der am 06.02.2020 durchgeführten Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark.

 

Der Zeuge Ing. S T, welcher bei der Ausschreibung der Bodenmarkierungsarbeiten auf Landesstraßen im Bundesland Oberösterreich die technische Leitung des Auftrags und somit die Bauleitung innegehabt hatte, bestätigte nachvollziehbar die Angaben im E-Mail des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30.01.2020. Der Zeuge hinterließ einen besonnenen Eindruck, konnte sich detailreich an sämtliche technische Belange des Vergabeverfahrens erinnern und erklärte nachvollziehbar die festgestellten Mängel, die Höhe des dafür bei der Schlussrechnung von der ARGE abgezogenen Pönales, sowie den für die mangelnde Markierung und für die Ersatzmaßnahmen getätigten Abzug bei der Schlussrechnung.

 

Auch wenn die mitbeteiligte Partei während des gesamten Verfahrens wiederholt darauf bestanden hat, dass die Oberösterreichische Auftraggeberin keinen Anspruch auf die Geltendmachung eines Pönales gehabt hätte, folgt das Landesverwaltungsgericht diesbezüglich den nachvollziehbaren und klaren Angaben des Zeugen S T, welcher dargelegt hat, dass die bei einem Gespräch mit der ARGE getroffene Vereinbarung in Bezug auf die bei der Schlussrechnung vorzunehmenden Abzüge für die festgestellten Mängel und Ersatzmaßnahmen und das geltend gemachte Pönale schriftlich festgehalten und per E-Mail von Seiten der ARGE schriftlich bestätigt worden ist und in dieser Bestätigung auch ausdrücklich das Wort „Pönale“ aufgeschienen ist.

 

Die Feststellungen, wonach die Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren erst durch den Nachprüfungsantrag davon Kenntnis erlangt hat, dass es Mängel bei dem früheren Auftrag in Oberösterreich gegeben hat und die Auftraggeberin sich mit E-Mail vom 29.01.2020 an die Oberösterreichische Landesregierung gewandt hat, konnten aufgrund mit den Schriftsätzen der Auftraggeberin vorgelegten Urkunden in Zusammenschau mit den Angaben des Vertreters der Auftraggeberin, Herrn DI W X, getroffen werden.

 

Die Feststellungen, wonach die mitbeteiligte Partei im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht aktiv an die Auftraggeberin herangetreten ist, um sie von Fehlleistungen, die im Zuge der Auftragsabwicklung in Oberösterreich als Teil einer Bietergemeinschaft erfolgt sind, in Kenntnis zu setzen, konnten aufgrund des vorliegenden Vergabeaktes in Zusammenschau mit den nachvollziehbaren Angaben des Vertreters der mitbeteiligten Partei, des Prokuristen Ing. U V getroffen werden. Dass die mitbeteiligte Partei mit Ausnahme des Ausschlusses einer weiteren Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Partner der Bietergemeinschaft in Oberösterreich keine weiteren Handlungen zur „Selbstreinigung“ gesetzt hat, ergibt sich aus dem Vergabeakt, dem Vorbringen der Parteien und den Angaben des Prokuristen U V.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

1. Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark und Zulässigkeit der Anträge:

 

Das Land Steiermark ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 14 Abs 2 Z 2 lit a B-VG und unterliegt das gegenständliche Vergabeverfahren der Nachprüfung durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark.

 

Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt den materiellen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG) sowie hinsichtlich des Nachprüfungsverfahrens dem Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetz 2018 idgF (StVergRG 2018).

 

Beim Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich. Da es sich um ein Verfahren im Oberschwellenbereich handelt, entscheidet das Landesverwaltungsgericht Steiermark durch Senat.

Die Antragstellerin bekämpft die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 03.12.2019. Bei dieser Zuschlagsentscheidung handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG. Der Nachprüfungsantrag vom 11.12.2019 ist fristgerecht eingebracht worden.

Im Vergabeverfahren wurde weder der Zuschlag erteilt, noch das Vergabeverfahren widerrufen und entspricht der gegenständliche Nachprüfungsantrag den formalen Kriterien des § 7 StVergRG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Vertragsabschluss durch die Beteiligung am Vergabeverfahren und den ihr drohenden Schaden durch den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung glaubhaft gemacht.

Festzuhalten ist zunächst, dass die Ausschreibung und alle anderen Festlegungen in diesem Vergabeverfahren nicht angefochten und daher bestandsfest geworden sind (VwGH 17.06.2014, 2013/04/0029). Alle im Vergabeverfahren Beteiligten sind daran gebunden (ständige Rechtsprechung z.B. VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065). Die Festlegungen der Ausschreibung sind der Auftragsvergabe zugrunde zu legen (VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090 mwN).

 

2. Zur Antragslegitimation der Antragstellerin:

 

Nach der Judikatur des EuGH steht auch einem Bieter unabhängig von der Zahl der im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter die Antragslegitimation zu, dessen Angebot auszuscheiden wäre, aber von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden worden ist, gleich aus welchem Grund welches Angebot auszuscheiden ist (EuGH 05.09.2019, C-333/18 , Lombardi, Rn 34).

 

Prüfung und Bewertung der Angebote ist Aufgabe der Auftraggeberin, nicht jene der Vergabekontrollinstanz. Da sich die eingewendeten Ausscheidensgründe nicht offensichtlich aus den vorgelegten Vergabeakten ergeben, und es dem Landesverwaltungsgericht verwehrt ist, die von der Auftraggeberin durchzuführenden Prüfschritte nachzuholen, ist grundsätzlich von der Antragslegitimation der Antragstellerin, deren Angebot von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden worden ist, auszugehen.

 

Unabhängig davon geht das Landesverwaltungsgericht Steiermark unter Berücksichtigung der aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlichen Umstände, wie auch die Auftraggeberin selbst im Zuge der Angebotsprüfung davon aus, dass die Bildung der BIEGE der Antragstellerin vergaberechtlich und auch kartellrechtlich zulässig ist, und diesbezüglich kein Ausschlussgrund im Sinne des § 78 Absatz 1 Z 4 BVergG vorliegt.

 

Die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Bildung der BIEGE aus Gründen wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit insofern erforderlich war, als es durch diese Kooperation erst möglich war, auch Angebote für die nahezu zeitgleich ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten der Bezirke G-U, F, L, L, H und J abgeben zu können, was aus Kapazitätsgründen sonst den beteiligten Unternehmen nur hinsichtlich einzelner dieser Ausschreibungen möglich gewesen wäre. Darüber hinaus ermöglicht die BIEGE den beteiligten Unternehmen bei dem gegenständlich zu vergebenden mehrjährigen Auftrag eine bessere Planung ihrer Auslastung und eine entsprechende Bindung von Ressourcen. Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde europaweit ausgeschrieben, neben den Angeboten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der Antragstellerin (BIEGE) sind noch von drei weiteren Unternehmen Angebote abgegeben worden und haben sich auch bei den Ausschreibungen für die Bezirke G-U, F, L, L, H und J zahlreiche andere Unternehmen beteiligt, weshalb davon auszugehen ist, dass es noch ausreichend weitere Bewerber gegeben hat und die Bildung der BIEGE nicht dazu geführt hat, dass die Anzahl der potentiellen Mitbewerber, die erfolgversprechende Angebote abgeben haben können, unter das für den funktionierenden Wettbewerb notwendige Maß gefallen wäre (vgl. Wollman, Bauaktuell 2012, 8; Eilmansberger/Holoubek, ÖZW 2008, 8). Schon allein aufgrund der in Österreich in diesem Bereich am Markt tätigen Unternehmen ist eine marktdominierende Position der BIEGE nicht feststellbar, es ist ausreichender Marktdruck vorhanden und konnte aufgrund des vorliegenden Vergabeaktes auch nicht festgestellt werden, dass durch die Bildung der BIEGE der Preis hochgehalten worden wäre, vielmehr hat die Auftraggeberin festgestellt, dass die Angebotssumme der BIEGE unter ihrer Kostenschätzung und auch unter dem Niveau der bisherigen Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liegt.

 

Die Antragstellerin hat, soweit dies aus dem Vergabeakt feststellbar ist, auch ihre technische Leistungsfähigkeit für den gegenständlichen Ausschreibungsgegenstand durch die Vorlage ihrer Referenzen entsprechend der Ausschreibung nachgewiesen, der von der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Ausscheidensgrund liegt nicht vor.

 

Während Punkt 19 der Ausschreibungsunterlage für die vorzulegenden Referenzen ausdrücklich gleiche Markierstoffe, Markierstoffklassen und die gleiche Art der Markierung verlangt, haben die Referenzen hinsichtlich der Straßenklassen (Verkehrsdichte) und Verkehrszusammensetzung (schwer-, Individualverkehr-, Fußgänger-, öffentlicher Verkehr, Stadt-oder Überlandverkehr) ähnliche wie die in Anhang 2 der Ausschreibungsunterlage angeführten Straßen aufzuweisen.

 

Aus Anhang 2 der Ausschreibung ist feststellbar, dass eine Vielzahl der darin aufgelisteten Straßen drei- oder vierspurig sind und somit zumindest teilweise von Straßenklassen und Verkehrszusammensetzung, ähnlich wie auf Autobahnen, auszugehen ist.

 

Die von der Antragstellerin vorgelegten Autobahnreferenzen umfassen unter anderem auch Autobahnzubringer, die Einbindungen zu den Bundes- bzw. Landesstraßen, die Markierung von Schutzwegen und Radfahrstreifen und auch Straßenabschnitte mit Gegenverkehr ohne bauliche Trennung.

 

Auch wenn die Auftraggeberin erklärt hat, dass es Unterschiede bei Markierungsarbeiten auf Landesstraßen und Autobahnen gibt und deshalb die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen nicht ausreichen, ist darauf zu verweisen, dass es nicht die Aufgabe des Landesverwaltungsgerichtes ist, Prüfschritte in Bezug auf mögliche Unterschiede bei der Absicherung im Zuge von durchzuführenden Markierungsarbeiten auf Landesstraßen und Autobahnen, für welche ein Sachverständigengutachten unabdingbar wäre, für die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren nachzuholen (LVwG Stmk 21.06.2016, GZ: LVwG 44.16-364/2016-47).

 

Allerdings hat die Antragstellerin mit Vorlage der Referenzliste „Markierung 2016, 2017 und 2018 Burgenland“ vom 17.10.2019, ohnedies nachgewiesen, dass sie bereits vor Abgabe ihres Angebots am 04.11.2019 über die technische Leistungsfähigkeit in Bezug auf ähnliche Straßenklassen und Verkehrszusammensetzungen gemäß Punkt 19 der Ausschreibung verfügte. Nach ständiger Judikatur sind Mängel als unbehebbar zu qualifizieren, deren Behebung nach Angebotsöffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen kann. Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln ist darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Das Nachreichen eines fehlenden Nachweises, welcher zum maßgeblichen Zeitpunkt des jeweiligen Vergabeverfahrens bereits vorliegt, wird grundsätzlich als behebbar qualifiziert (VwGH 12.05.2011, Zl 2008/04/0087; VwGH 03.09.2008, ZL2007/04/0017). Die Antragstellerin hat die Markierungsarbeiten für das Land Burgenland in den Jahren 2016, 2017 und 2018 bereits in der Vergangenheit abgeschlossen gehabt, und die entsprechende Referenzliste am 17.10.2019 noch vor Abgabe ihres Angebots im gegenständlichen Vergabeverfahren, übermittelt erhalten. Mit der Nachreichung dieser Referenzliste entsteht für die Antragstellerin keine relevante Verbesserung, weshalb von einem behebbaren Mangel auszugehen und die Wertung dieser Referenzliste zulässig ist. Die Auftraggeberin wird nunmehr noch zu überprüfen haben, ob die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe tatsächlich über die Referenzliste im ANKÖ entsprechend ihrer Eigenerklärung vom 23.10.2019 verfügt hat. Diesbezüglich sei noch darauf verwiesen, dass die die ANKÖ-Nummern der Antragstellerin in der Tabelle entsprechend dem Abgabeexemplar Blatt I ordnungsgemäß angeführt worden sind. Die unrichtige Bezeichnung der Antragstellerin in deren Replik als Blatt G ist diesbezüglich ohne Relevanz.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung:

 

Zur mangelnden Eignung der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin wegen erheblicher Mängel bei früheren Aufträgen:

 

Gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG sind Unternehmer auszuschließen, denen bei der Erfüllung früherer Verträge „erhebliche oder dauerhafte Mängel“ bei der „Erfüllung einer wesentlichen Anforderung“ vorzuwerfen sind. Dieser Ausschlussgrund ist nicht beschränkt auf Verträge des jeweils ausschreibenden Auftraggebers, sondern greift auch Platz bei Verträgen für andere (öffentliche) Auftraggeber. Voraussetzung für die Vornahme des Ausschlusses ist hierbei die entsprechende Kenntnis und die Beweisbarkeit hierzu. Im gegenständlichen Fall hat die Auftraggeberin spätestens mit dem Einlangen des Nachprüfungsantrages vom 11.12.2019, Kenntnis davon erlangt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Verdacht steht, zu einer Schadenersatzleistung oder anderen vergleichbaren Sanktionen wegen erheblicher Mängel bei der Erfüllung eines früheren Auftrages für das Land Oberösterreich verhalten worden zu sein.

 

Die Auftraggeberin wäre somit ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, festzustellen, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Rahmen des von der Antragstellerin aufgezeigten Auftragsverhältnisses wesentliche Verpflichtungen im Rahmen der Leistungserbringung schuldhaft verletzt hat bzw. ob die Klärung der Rechtmäßigkeit der Beendigung des früheren Vertragsverhältnisses oder die Schuldfrage für einen Schadensersatzanspruch noch anhängig sind, da in diesem Fall der Streitgegenstand eines anhängigen Prozesses für die Anwendung des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG nicht herangezogen werden kann (siehe ErlRV 69 BlgNR 26. GP 99).

 

Gemäß § 83 Abs 1 Satz 1 BVergG ist es die Aufgabe der öffentlichen Auftraggeberin zu prüfen und zu beurteilen, ob bei den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen Zuverlässigkeit vorliegt oder nicht. Eine „Beurteilung“ ist das Ergebnis einer vorangegangenen Prüfung anhand von Unterlagen oder sonstigen plausiblen Informationen. In den ErlRV wird darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin nicht nur an die Nachweise und Auskünfte gemäß § 82 Abs 2 und Abs 3 BVergG gebunden ist, sondern für die Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit auch andere Umstände als die vorgelegten Nachweise bzw. die eingeholten Auskünfte heranziehen kann, wie zum Beispiel das aus einem früheren Vergabeverfahren stammende Wissen über das Vorliegen eines die Zuverlässigkeit eines Unternehmers ausschließenden Umstandes.

Im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren hat sich die mitbeteiligte Partei nur allgemein zu den im Jahr 2018 für das Land Oberösterreich durchgeführten Bodenmarkierungsarbeiten geäußert und sich darauf berufen, dass der Grund für die nicht wunschgemäße Abwicklung bei der Firma Y Z, mit welcher sie eine ARGE eingegangen sei, liege, da dieses Unternehmen gemachte Zusagen nicht erbracht, keine Facharbeiter vor Ort eingesetzt und Maschinen nicht bereitgestellt habe. Eine Kommunikation auf Deutsch sei nicht möglich gewesen und seien die erbrachten Leistungen von der Y Z nicht dokumentiert worden, weshalb die präsumtive Zuschlagsempfängerin dies alles habe auffangen und einspringen müssen, und gezwungen gewesen sei, Facharbeiter und Geräte beizustellen, um den Auftrag so gut wie möglich abzuwickeln. In ihrer Stellungnahme vom 19.12.2019 hat die präsumtive Zuschlagsempfängerin vorgebracht, dass sie nicht, wie von der Antragstellerin vermutet, zur Zahlung von Schadenersatz oder einem Pönale, verhalten worden sei. Mit dem oberösterreichischen Auftraggeber seien einvernehmlich Abzüge vereinbart worden, jeglicher allfälliger Schaden sei über einen Vergleich ausgeglichen und der Auftrag abgeschlossen worden, ein Pönale oder dergleichen im juristischen Sinn sei der damaligen Auftraggeberin nicht zugestanden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe insofern die Konsequenzen gezogen, als sie nicht mehr mit der Y Z zusammenarbeite. Dort wo die präsumtive Zuschlagsempfängerin allein aufgetreten sei, habe sie die übernommenen Aufträge ordnungsgemäß ausgeführt. Auf Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark auf Vorlage des mit dem Land Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, abgeschlossenen Vergleichs erklärte die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit Stellungnahme vom 08.01.2020, dass der Vergleich mit dem Land Oberösterreich in einer Besprechung am 20.05.2019 mündlich geschlossen worden sei und deshalb nicht vorgelegt werden könne.

 

Aus der vom Landesverwaltungsgericht Steiermark eingeholten Stellungnahme des Landes Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, vom 30.01.2020, und den damit übermittelten Unterlagen war zweifelsfrei festzustellen, dass im Zuge der von der ARGE I J/Y Z für das Land Oberösterreich, im Jahr 2018 durchgeführten Bodenmarkierungsarbeiten, sowohl erhebliche Mängel bei den Flächenmarkierungen, als auch bei den Längsmarkierungen (Mittel- und Randmarkierungen) aufgetreten sind, Flächenmarkierungen mangelnde Rückstrahlwerte aufgewiesen haben und bei der Linienführung Abweichungen beim Markierungsbild und anderen Funktionen der Markierung festgestellt worden sind, weshalb für die fehlenden Markierungen eine Ersatzvornahme auf Kosten der ARGE I J/Y Z vorgenommen, ein Pönale vom Schlussrechnungsbetrag in Abzug gebracht und Ausführungsmängel durch Preisminderungen im Schlussrechnungsbetrag berücksichtigt worden sind und diese Einigung von Seiten der ARGE per E-Mail auch schriftlich bestätigt worden ist.

 

Der Begriff „erhebliche oder dauerhafte Mängel“ ist europarechtlich auszulegen; ihm liegt nicht der Mangelbegriff des Gewährleistungsrechts im Sinne des § 932 ABGB zugrunde. Auslösender Moment für die Erfüllung des Ausschlussgrundes ist, dass diese Mängel die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrags bzw. eine Schadenersatzleistung oder eine andere vergleichbare Sanktion wie ein Pönale/Vertragsstrafe nach sich gezogen haben (Gölles in Gölles, BVergG 2018 § 78 (Stand 1.10.2019, rdb.at)).

 

Im gegenständlichen Fall ist nach der Stellungnahme des Landes Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30.01.2020, zweifelsfrei davon auszugehen, dass eine „erhebliche und dauerhafte Mangelhaftigkeit im Zusammenhang mit einer wesentlichen Anforderung“ des Auftrages vorgelegen hat und die präsumtive Zuschlagsempfängerin als Teil einer Bietergemeinschaft wesentliche Verpflichtungen im Rahmen der Leistungserbringung schuldhaft verletzt hat.

 

Die Auftraggeberin hat bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes gemäß § 78 Abs 1 Satz 1 BVergG grundsätzlich während des Vergabeverfahrens zu jedem Zeitpunkt bzw. jedem Verfahrensstadium den Ausschluss vorzunehmen, wenn sie davon Kenntnis erhält, dass einer der Ausschlusstatbestände vom Unternehmer erfüllt wird.

 

Wenn die Auftraggeberin nunmehr davon ausgeht, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Sinne des § 83 Abs 2 und Abs 3 BVergG glaubhaft gemacht hat, dass die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgenommene „Selbstreinigung“ ausreichend und sie trotz Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG (wieder) zuverlässig sei, hat sie keine adäquate Abwägung zwischen der Schwere des Vergehens, der Auswirkung des Ausschlusses vom Vergabeverfahren und der Eignung der getroffenen Maßnahmen für die Selbstreinigung durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin vorgenommen.

 

Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmers gemäß § 83 Abs 2 BVergG bestehen darin, dass dargelegt und nachgewiesen wird, dass konkrete und geeignete Maßnahmen getroffen worden sind, aus denen sich ergibt, dass ein nochmaliges Begehen von Verfehlungen verhindert sein sollte. Bei diesen Maßnahmen kann es sich insbesondere um Personal- und Organisationsmaßnahmen handeln, wie den Abbruch aller Verbindungen zu an dem Fehlverhalten beteiligten Personen oder Organisationen, geeignete Personalreorganisationsmaßnahmen, die Einführung von Berichts- und Kontrollsystemen sowie die Schaffung einer internen Audit-Struktur zur Überwachung der getroffenen Maßnahmen (Erwägungsgründe 102 der Richtlinie 2014/24 ).

 

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht nur vage Auskünfte über die näheren Umstände der mangelhaften Auftragserfüllung für das Land Oberösterreich erteilt, die Bezahlung einer Vertragsstrafe ausgeschlossen und jegliches schuldhafte Verhalten der ehemaligen Partnerin in der ARGE, der Y Z, angelastet, obwohl sich aus der Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung ergibt, dass die Bodenmarkierungsarbeiten durch gemischte Arbeitspartien ausgeführt worden sind, es keine konkrete Aufgabenteilung der beiden Unternehmen gegeben hat und die präsumtive Zuschlagsempfängerin verpflichtet war, den pro Arbeitspartie erforderlichen Facharbeiter für Bodenmarkierungen zu stellen. Wenn die präsumtive Zuschlagsempfängerin die der ARGE angelastete Verfehlung lediglich auf die Y Z zurückführt, weil es diese unterlassen habe das entsprechende deutschsprachige Fachpersonal zu stellen, so ist nunmehr insbesondere aufgrund der Ergebnisse der öffentlich mündlichen Verhandlung vom 06.02.2020 davon auszugehen, dass der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bekannt gewesen ist, dass die Y Z nicht über das laut der Ausschreibung entsprechende deutschsprachige Fachpersonal verfügte und somit die präsumtive Zuschlagsempfängerin selbst ein erhebliches Organisationsverschulden zu verantworten hatte.

 

Unabhängig von dieser Verantwortung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin führt nach geltender Rechtsprechung das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft dazu, dass die Bietergemeinschaft als solche als nicht zuverlässig anzusehen ist (VwGH, 26.06.2019, Ra 2018/04/0161).

 

Im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren hat die präsumtive Zuschlagsempfängerin weder dargelegt, welcher Schaden im Zuge welcher Arbeiten konkret aufgetreten ist, wie genau der Schadensausgleich erfolgt ist, noch hat sie ein Vorbringen dazu erstattet, ob sie umfassend an der Klärung der Verfehlung mitgewirkt hat und welche Maßnahmen zur Hintanhaltung weiterer Verfehlungen vorgenommen worden sind. Dass sie es unterlassen hat, durch eine aktive Zusammenarbeit mit der öffentlichen Auftraggeberin die eigene Rolle bei der mangelhaften Auftragserfüllung für das Land Oberösterreich umfassend zu klären, ergibt sich auch aus der Stellungnahme der Auftraggeberin vom 23.12.2019, in welcher diese erklärt, keine Kenntnis vom Schadensfall in Oberösterreich zu haben, der Schadensfall in Oberösterreich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht zurechenbar sei, da diese als Teil einer ARGE aufgetreten sei und auch nicht klar sei, wann die Mängel aufgetreten seien. Etwaige Auskünfte an die Auftraggeberin hat die präsumtive Zuschlagsempfängerin erst nach Einholung von Auskünften beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung durch die Auftraggeberin erteilt.

 

Eine der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit ihrem Angebot vorgelegte Referenz stammt aus dem Jahr 2016, weist somit Arbeitsleistungen nach, welche vor dem Auftrag in Oberösterreich durchgeführt worden sind. Die zwei weiteren vorgelegten Referenzen stammen aus dem Jahr 2018. Diese Referenzen sind auch in Zusammenschau mit den von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Referenzen, welche mit Ausnahme einer für Zeiträume vor dem Jahr 2018 ausgestellt worden sind, für sich alleine nicht geeignet, eine Selbstreinigung im Sinne des § 83 BVergG zu bewirken, dies auch im Hinblick darauf, dass seit dem, von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu verantwortenden Fehlverhalten, etwa erst ein Jahr vergangen ist.

 

Unter Beachtung der Grundsätze des § 20 Abs 1 BVergG bei der Prüfung und Beurteilung der gesetzten Selbstreinigungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht aktiv, ernsthaft und erkennbar um eine umfassende Sachverhaltsaufklärung bemüht hat, die dargelegten Maßnahmen sich darauf beschränken, zukünftig nicht mehr mit der Firma Y Z zusammenarbeiten zu wollen, ohne ein eigenes Organisationsverschulden einzugestehen oder aber Maßnahmen konkreter Art darzulegen, welche geeignet sind weiteres Fehlverhalten hintanzuhalten. Dabei oblag es der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gemäß den Erfordernissen der Transparenz und der Loyalität die Auftraggeberin über ihre Situation zu informieren. Sie hätte also von vornherein alle Informationen zur Verfügung stellen müssen, die hätten belegen können, dass und warum sie ihre Verpflichtungen im Rahmen des oberösterreichischen Auftrags verletzt und welche Maßnahmen sie zwischenzeitlich getroffen hat, um die Wiederholung von Mängeln, die zu Abzügen und der Geltendmachung eines Pönales sowie der Beauftragung von Ersatzvornahmen durch den oberösterreichischen Auftraggeber geführt haben, zu vermeiden, und dass sie daher trotz des Vorliegens des Ausschlussgrundes im Sinne des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ihre Zuverlässigkeit belegen kann (EuGH 03.10.2019, Delta, C267/18, Rn. 34, 36 und 37).

 

Da die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei der Erfüllung eines früheren Vertrags erhebliche Mängel, im Zusammenhang mit wesentlichen Anforderungen, welche Schadenersatzleistungen nach sich gezogen haben, zu verantworten hat, ist der Ausschlussgrund im Sinne des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG verwirklicht. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat den Auftrag in Oberösterreich im Jahr 2018 nicht ordnungsgemäß ausgeführt, weshalb der Ausscheidensgrund auch nicht verfristet ist.

Das Recht der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine „Selbstreinigung“ geltend machen zu dürfen, wurde beachtet (EuGH 03.10.2019, Delta, C267/18, Rn.38), allerdings sind die dargelegten Selbstreinigungsmaßnahmen für das gegenständliche Vergabeverfahren als nicht ausreichend zu bewerten.

 

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass das der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zuordenbare – soweit ersichtlich – einmalige Fehlverhalten nicht geeignet ist, diese für den gemäß §§ 83 Abs 5 Z 2 iVm § 78 Abs 1 Z 9 BVergG vorgesehenen maximalen Zeitraum von drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen, vielmehr steht es der präsumtiven Zuschlagsempfängerin frei, zukünftig durch das aktive Setzen von angemessenen Selbstreinigungsmaßnahmen ihre Zuverlässigkeit wiederherzustellen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gemäß § 141 Abs 1 Z 2 iVm § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ausgeschieden hätte werden müssen. Eine Zuschlagserteilung auf deren Angebot wäre sohin rechtswidrig, weshalb die angefochtene Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären ist. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin war mit diesem Ausscheidensgrund konfrontiert und war dieser auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Angesichts des Vorliegens dieses Ausscheidensgrundes konnte von einer Prüfung der weiteren seitens der Antragstellerin monierten Ausscheidensgründe Abstand genommen werden.

 

Zu Spruchpunkt II. Gebührenersatz:

 

Gemäß § 29 StVergRG haben vor den Landesverwaltungsgerichten, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 28 StVergRG entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin/den Auftraggeber. Die Antragstellerin/der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichtenden Gebühren, wenn sie/er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Gemäß Abs 2 leg cit besteht ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren seinen Antrag auf einstweilige Verfügung nur dann, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag nur wegen einer Interessensabwägung abgewiesen wurde.

 

Da die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag durchgedrungen ist, hat die Auftraggeberin ihr gemäß § 29 StVergRG die ordnungsgemäß entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 4.860,00 zu ersetzen.

 

Zu Spruchpunkt IV.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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