LVergRG Stmk 2012 §18 Abs1 Z3
LVergRG Stmk 2012 §4 Abs3 Z4
LVergRG Stmk 2012 §22 Abs3
BVergG §125 Abs4
LVergRG Stmk 2012 §18 Abs1 Z3
LVergRG Stmk 2012 §4 Abs3 Z4
LVergRG Stmk 2012 §22 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2016:LVwG.44.16.364.2016
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schnabl im Feststellungsverfahren gemäß § 4 Abs 3 Z 4 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz – StVergRG, betreffend das Vergabeverfahren „Hochwasserrückhaltebecken Raababach“, durch die Marktgemeinde R-G, J-Straße, R, vertreten durch Rechtsanwälte H S, Lstraße, W, über den Antrag der B G GmbH, Fgasse, G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, Bgasse, G,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Dem Antrag festzustellen, dass im Vergabeverfahren „Hochwasserrückhaltebecken Raababach“ die Zuschlagserteilung ohne vorherige Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens rechtswidrig war, wird
s t a t t g e g e b e n.
Es wird festgestellt, dass die Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren „Hochwasserrückhaltebecken Raababach“ ohne vorherige Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens rechtswidrig war.
II. Der Antrag festzustellen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung des Vergabegesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, wird
a b g e w i e s e n .
III. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von € 3.000,00 zu ersetzen.
IV. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1. Am 11.02.2016 brachte die B G GmbH, Fgasse, G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, Bgasse, G, einen Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 4 Abs 3 Z 4 StVergRG ein. Die Antragstellerin brachte vor, dass sie im gegenständlichen Vergabeverfahren, einem offenen Verfahren im Unterschwellenbereich, ein Angebot gelegt habe und an zweiter Stelle gelegen sei. Der Antragstellerin sei die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 BVergG nicht zugegangen, weil diese Entscheidung an eine unrichtige E-Mail-Adresse übermittelt worden sei (m@g-b.at anstatt richtig r@g-b.at ). Die Antragstellerin habe über Nachfrage am 13.01.2016 erst am 14.01.2016 durch Übermittlung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 BVergG von diesem Umstand, sowie davon erfahren, dass der Zuschlag bereits Ende November/Anfang Dezember erteilt worden sei. Wäre die Antragstellerin ordnungsgemäß von der beabsichtigen Zuschlagserteilung in Kenntnis gesetzt worden, so hätte sie fristgerecht ein Nachprüfungsverfahren zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung mit der Begründung eingeleitet, dass das Angebot der X AG wegen einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 129 Abs 1 Z 3 BVergG auszuscheiden gewesen wäre. Dem Antrag wäre stattzugeben gewesen. Die nicht erfolgte Ausscheidung des Angebots der Zuschlagsempfängerin, obwohl diese eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufgewiesen habe, werde auch als Rechtswidrigkeit dieses Feststellungsantrages geltend gemacht. Der Zuschlag sei an ein Angebot erteilt worden, das eine nicht ordnungsgemäße Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweise, sodass spekulative Preisbildung vorliege. Der gegenständliche Feststellungsantrag sei fristgerecht im Sinne des § 19 Abs 2 Z 1 StVergRG, da er innerhalb der Frist von 30 Tagen ab dem Tag der Absendung der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung (am 14.01.2016) an die Antragstellerin eingebracht worden sei. Hinsichtlich des eingetretenen Schadens gab die Antragstellerin an, dass sie bei ordnungsgemäßer Mitteilung der Zuschlagsentscheidung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hätte, auf Grund dessen die zu Gunsten der X AG ergangene Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären gewesen wäre und ihrem Angebot der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre. Es sei ihr ein Schaden entstanden, weil sie nicht mit den entsprechenden Bauleistungen betraut worden sei. Der Schaden der Antragstellerin bestehe insbesondere in nicht verminderten kalkulierten Geschäftsgemeinkosten sowie auch im entgehenden angemessenen Gewinn (Erfüllungsinteresse). Dazu kämen die fehlende Auslastung des Personalstandes und Folgekosten für die Akquisition anderer Aufträge. Die Antragstellerin hätte bei ordnungsgemäßer Mitteilung der Zuschlagsentscheidung eine echte Chance gehabt mit den Bauleistungen beauftragt zu werden. Die Antragstellerin sei daher in ihrem Recht auf Erteilung des Zuschlags auf ein von ihr gelegtes Angebot sowie in ihrem Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Vergabeverfahrens insbesondere in ihrem Recht auf Mitteilung der Zuschlagsentscheidung verletzt. Es wurden daher die Anträge gestellt, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge nach Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 4 Abs 3 Z 4 StVergRG eine öffentlich mündliche Verhandlung durchführen, weiters gemäß § 18 Abs 1 Z 3 StVergRG feststellen, dass im Vergabeverfahren „Hochwasserrückhaltebecken Raababach“ die Zuschlags-entscheidung an das Angebot der X AG ohne vorherige Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an die Antragstellerin gemäß Bundesvergabegesetz 2006 wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens rechtwidrig gewesen sei sowie die Antragsgegnerin zum Ersatz der Pauschalgebühren in der Höhe von € 3.000,00 zu verpflichten.
2. Am 15.02.2016 erging von Seiten des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG und wurde der Feststellungsantrag der Antragstellerin zur Behebung eines Mangels zurückgestellt. Ermittlungen des Landesverwaltungsgerichts hatten ergeben, dass die Antragstellerin den Auftraggeber falsch bezeichnet hatte. Mit Schreiben vom 17.02.2016 berichtigte die Beschwerdeführerin die Parteienbezeichnung und legte den Feststellungsantrag erneut vor.
3. Mit Stellungnahme vom 29.02.2016 replizierte die Auftraggeberin, dass hinsichtlich der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung der Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen habe, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden solle. Diese Nachweislichkeit bedeute im Sinne der VwGH-Judikatur „durch Nachweis bestätigt, belegt“ nicht bloß nachweisbar. Die Bekanntgabe müsse daher durch einen Nachweise bzw. Sendebestätigung dokumentiert sein. Es liege hinsichtlich der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung die Sendebestätigung aller im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter vor. Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung sei nachweislich an die im Verfahren verbliebenen Bieter erfolgt. Wenn die Antragstellerin behaupte, sie hätte erst über Nachfrage vom 13.01.2016 am 14.01.2016 durch Übermittlung der Zuschlagsentscheidung von diesem Umstand sowie davon erfahren, dass der Zuschlag bereits Ende November/Anfang Dezember 2015 erteilt worden wäre, handle es sich um eine Schutzbehauptung. Die gemäß § 131 BVergG 2006 vorgesehene Mitteilung sei im Zuge des Vergabeverfahrens am 02.07.2016 erfolgt. Am 27.10.2015 sei der Zuschlag erteilt worden. Nach der Erteilung des Zuschlags könne eine Mitteilung der Zuschlagsentscheidung als unverbindliche Zuschlagserteilung (gemeint wohl Wissenserklärung) gar nicht mehr erfolgen. Um die irrtümliche Annahme der Antragstellerin aufzuklären, sei § 332 Abs 3 BVergG 2006 heranzuziehen, dem § 19 Abs 2 Z 1 StVergRG entspreche: Dieser lege als Grundregel die absolute Verjährungsfrist von sechs Monaten ab dem der Zuschlagserteilung folgenden Tag fest. Abweichend davon sei ein Antrag gemäß § 331 Abs 1 Z 2 bis 4 BVergG 2006 binnen 30 Tagen ab dem Tag der Absendung der Mitteilung gemäß §§ 132 Abs 2 BVergG 2006 oder 273 Abs 2 BVergG 2006 einzubringen. § 132 Abs 2 BVergG 2006 lege fest, dass der Auftraggeber den zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitteilen könne, welchem Bieter der Zuschlag erteilt worden sei. § 19 Abs 2 Z 1 StVergRG übernehme die Regelung des § 332 Abs 3 Z 1 BVergG, wobei durch einen redaktionellen Fehler irrtümlich Zuschlagsentscheidung statt Zuschlagserteilung – wie in § 132 Abs 2 BVergG geregelt – verwendet werde. Dieser Irrtum könne jedoch im Regelungskontext nicht anders verstanden werden, als dass es sich um die Bekanntgabe der Zuschlagserteilung handeln müsse, da wie bereits ausgeführt, die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung nach Zuschlagserteilung sinnvollerweise nicht mehr erfolgen könne. Im vorliegenden Sachverhalt sei seitens der vergebenden Stelle keine Mitteilung der Zuschlagserteilung im Sinne des § 132 Abs 2 BVergG 2006 erfolgt. Da § 19 Abs 2 Z 1 StVergRG nicht heranzuziehen sei, sei zu prüfen, wann die Antragstellerin vom Zuschlag Kenntnis erlangt habe bzw. Kenntnis hätte erlangen können. Die Firmen X AG und B G GmbH würden seit mehr als zwei Jahren in einer ARGE beim Bauvorhaben S G zusammenarbeiten. Von Herrn Ing. K S Geschäftsführer der ARGE S G sei die Auskunft erteilt worden, dass bei Sitzungen der Geschäftsführer Ende November/Anfang Dezember 2015 über das BV Hochwasserrückhaltebecken Raababach gesprochen worden sei. Es sei branchenüblich und angesichts häufig eingegangener Bieter- bzw. Arbeitsgemeinschaften und Subunternehmerleistungen offenkundig, dass Informationen über Auftragsvergaben nicht geheim bleiben würden, sondern in der Branche bekannt seien. Bei der gegenständlichen Bauvergabe handle es sich um ein wirtschaftlich, politisch und medial beachtliches (gemeint wohl beachtetes) Projekt des steirischen Hochwasserschutzbaus. Es sei daher davon auszugehen, dass der Antragstellerin bereits unmittelbar nach der Vergabe der Baumeisterarbeiten am 27.10.2015 bekannt gewesen sei, dass der Auftrag an die X AG ergangen sei. Jedenfalls mit dem Spatenstich und dem Beginn der Arbeiten sei die Einrichtung der Baustelle unübersehbar gewesen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin erst am 13.01.2016 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung angefragt habe, bis wann für das gegenständliche Bauvorhaben die Zuschlagsentscheidung ergehen werde. Die Darstellung der Antragstellerin, sie habe erst am 14.01.2016 von der Zuschlagserteilung erfahren, sei als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren. Der Antrag gemäß § 18 Abs 1 Z 3 StVergRG 2012 gehe daher jedenfalls ins Leere, sei verfristet und in eventu zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Vorbringens, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin wegen einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden gewesen wäre, werde auf die Stellungnahme der Ingenieurgemeinschaft B & K GmbH (IG) und deren Darstellung der Angebotsprüfung verwiesen sowie auf den im Vergabeverfahren erstellten Prüfbericht. Aus der konkreten Prüfung des vorliegenden Sachverhalts ergebe sich, dass die von der Antragstellerin behauptete Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens nicht vorliege und die Antragstellerin somit gemäß § 18 Abs 1 letzter Absatz StVergRG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Sämtliche Anträge würden daher ins Leere gehen, in eventu werde gemäß § 18 Abs 1 letzter Satz StVergRG beantragt, im Sinne des § 22 Abs 6 StVergRG von der Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen. Weiters werde beantragt von der Aufhebung des Vertrages abzusehen. Bei Nichtigerklärung oder Aufhebung in einer dadurch bedingten Neuausschreibung des Hochwasserrückhaltebeckens würde es zu einer Verzögerung von mindestens zwei Jahren für die Fertigstellung des Bauwerkes kommen. Ob angesichts der budgetären Einsparungsmaßnahmen seitens des Landeshaushaltes in Zukunft noch ausreichende Mittel vorhanden seien, bleibe dahingestellt. Mit den Bauarbeiten sei im Herbst 2015 begonnen worden, die Funktion des Hochwasserschutzes wäre nach derzeitigem Stand bereits im Herbst 2016 gegeben. Eine Verzögerung der Baumaßnahmen würde die Gefahr eines Hochwasserereignisses und somit das Hochwasserrisiko auf weitere Jahre hinauszögern. Es wurden die Anträge gestellt, den Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 4 Abs 3 Z 4 StVergRG und § 18 Abs 1 Z 3 StVergRG wegen Fristversäumnis im Sinne des § 19 Abs 1 StVergRG als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die Feststellung zu treffen, dass die Antragstellerin gemäß § 18 Abs 1 letzter Unterabsatz keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte und diesfalls den Antrag gemäß § 4 Abs 3 Z 4 und § 18 Abs 1 letzter Unterabsatz StVergRG als unzulässig zurückzuweisen, in eventu von der Nichtigkeit und Aufhebung des Vertrages gemäß § 22 Abs 6 und § 18 Abs 1 letzter Unterabsatz StVergRG unter Berücksichtigung des § 22 Abs 7 und 8 StVergRG abzusehen. Unter einem wurde eine Mappe abgegeben mit dem Deckblatt „Vergabeakt BV Hochwasserrückhaltebecken Raababach“.
4. Da im vorgelegten Vergabeakt weder eine Ausschreibungsunterlage noch eine Dokumentation betreffend eine Angebotsprüfung enthalten war, wurde die Auftraggeberin durch das Landesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 09.03.2016 erneut aufgefordert den vollständigen Vergabeakt dem Landesverwaltungsgericht unter Festlegung einer Frist bis 11.03.2016 vorzulegen. Es wurde ausdrücklich auf die Folgen des § 24 Abs 2 StVergRG hingewiesen.
5. Mit Stellungnahme vom 08.03.2016 replizierte die Antragstellerin auf den Schriftsatz der Auftraggeberin vom 29.02.2016, dass nicht übersehen werden könne, dass es gemäß § 19 Abs 1 StVergRG auf die positive Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis der Antragstellerin nicht ankomme. Da die Sechsmonatsfrist jedenfalls nicht abgelaufen sei, sei der Feststellungsantrag fristgerecht eingebracht. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin die Tatbestände der Z 1 und der Z 3 des Abs 3 des § 125 BVergG erfülle. Eine vertiefte Angebotsprüfung sei nicht durchgeführt worden. Es sei vollkommen unreflektiert ein Vergabevorschlag zu Gunsten des Angebots der X AG unterbreitet worden. Der Vergabevorschlag und die darauf beruhende Zuschlagserteilung seien daher rechtswidrig gewesen. Sämtliche Anträge würden uneingeschränkt aufrecht bleiben.
6. Mit Schreiben vom 05.04.2016 ersuchte das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Auftraggeberin unter Fristsetzung bis 18.04.2016 um vollständige Bekanntgabe der noch ausständigen Leistungsteile aus dem gegenständlichen Vertrag, inklusive deren genaue Bezeichnung unter Vorlage einer tabellarischen Auflistung.
7. Mit Schriftsatz vom 18.04.2016 gab die H S Rechtsanwälte OG, W, Lstraße, bekannt, dass die Marktgemeinde R-G, Auftraggeberin, sie im gegenständlichen Feststellungsverfahren mit der Vertretung der Interessen beauftragt und eine entsprechende Vollmacht erteilt habe. Vorgelegt werde zunächst die angeforderte Bekanntgabe der noch ausständigen Leistungsteile aus dem gegenständlichen Vertrag inklusive deren genaueren Bezeichnung unter Vorlage einer tabellarischen Auflistung. Darüber hinaus erstattete die Auftraggeberin eine weitere Stellungnahme. Die Ausführungen der Antragstellerin seien in wesentlichen Punkten bewusst irreführend und falsch. Die Antragstellerin begründe ihren Feststellungantrag damit, dass sie keine Kenntnis gehabt hätte. Bereits die formellen Voraussetzungen für einen solchen Feststellungsantrag würden daher nicht vorliegen. Gemäß § 18 Abs 5 StVergRG sei ein Feststellungsantrag unzulässig, wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hätte geltend gemacht werden können (Stichwort Subsidiarität des Feststellungsverfahren). Nach dem Konzept des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems würden Feststellungsverfahren nicht dazu dienen, ein versäumtes Nachprüfungsverfahren nachzuholen. Genau das sei in der vorliegenden Konstellation jedoch der Fall. Der Antragstellerin sei schon vor Zuschlagserteilung der Umstand bekannt gewesen, dass der Auftrag an die X AG vergeben werden solle. Die Antragstellerin sei somit in der Lage gewesen, vor der Auftragsvergabe ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Dies habe sie jedoch unterlassen. Bereits aus diesem Grund sei der Antrag zurückzuweisen. Dazu komme, dass gemäß § 22 Abs 1 StVergRG Feststellungen nur dann getroffen werden dürften, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss gewesen sei. Auch diese Voraussetzung sei nachweislich nicht erfüllt. Einerseits sei die Zuschlagsentscheidung in den Machtbereich der Antragstellerin zugestellt worden, andererseits habe die Auftraggeberin eine ordnungsgemäße Angebotsprüfung durchgeführt. Insbesondere seien die speziellen Vorgaben des § 125 Abs 5 letzter Satz BVergG für die Prüfung der Preisangemessenheit bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich eingehalten worden. Unabhängig davon sei zu beachten, dass eine Nichtigerklärung des Vertrages oder die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 22 Abs 3 StVergRG nur dann erfolgen dürfe, wenn das Verhalten des Auftraggebers offenkundig rechtswidrig gewesen sei. Davon könne aber in der vorliegenden Konstellation nicht die Rede sein. Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin wäre die Nichtigerklärung oder die Verhängung einer Geldbuße nur dann möglich, wenn das Vorgehen der Antragsgegnerin bei der Preisprüfung offenkundig rechtswidrig gewesen wäre. Fehler bei der Übermittlung der Zuschlagsentscheidung allein könnten diese Sanktionen niemals auslösen, weil in diesem Fall die Voraussetzung des wesentlichen Einflusses das Verfahrensergebnis fehle. Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass die Prüfung des Angebots der Antragstellerin ergeben habe, dass das Angebot mangelhaft sei. Die Antragstellerin habe davon ausgehen müssen, dass der Auftrag direkt bzw. ohne förmliches Vergabeverfahren vergeben werde. Die Kenntnis habe ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin daher den Lauf einer siebentägigen Anfechtungsfrist gemäß § 6 Abs 1 oder 3 StVergRG in Gang gesetzt. Bei der Durchführung einer Direktvergabe betrage die Anfechtungsfrist gemäß § 6 Abs 3 StVergRG sieben Tage ab dem Zeitpunkt, in dem die Antragstellerin oder der Antragsteller von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt habe oder erlangen hätte können. Ausgehend von dieser Sachlage sei die Antragstellerin somit in der Lage gewesen, vor der Auftragsvergabe einen Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung einzubringen. Dies habe sie jedoch unterlassen. Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin habe der Auftraggeber eine Prüfung der Angemessenheit der Preise gemäß § 125 ff BVergG nachweislich durchgeführt. Die entsprechenden Dokumente seien dem LVwG bereits mit dem Vergabeakt übergeben worden. Es handle sich dabei um das Aufforderungsschreiben zur Aufklärung sowie das Aufklärungsschreiben der Zuschlagsempfängerin. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang, dass bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich ein vereinfachtes Vorgehen bei der Preisprüfung vorgesehen sei. § 125 BVergG lege die Anforderungen an eine vertiefte Angebotsprüfung fest. Bezogen auf diese Konstellation erfülle die durchgeführte Preisprüfung alle Anforderungen des BVergG. Im Unterschwellenbereich sei der Vertrag nur dann für absolut nichtig zu erklären, wenn die Vorgangsweise des Auftraggebers offenkundig rechtswidrig gewesen sei. Vor diesem Hintergrund würden Gesetzgeber und VwGH die Schwelle der Offenkundigkeit hoch ansetzen. Nach dem VwGH sei eine offenkundige Unzulässigkeit nur dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber unter Missachtung des klaren Gesetzeswortlautes oder jenseits vertretbarer Gesetzesauslegung handle. Bereits ein entschuldbarer Rechts- oder Tatsachenirrtum schließe eine offenkundige Unzulässigkeit aus. Ein Rechtsirrtum könne daher nur dann eine offenkundige Unzulässigkeit begründen, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe. Sei das Vorgehen des Auftraggebers nicht offenkundig unzulässig, habe das zur Konsequenz, dass das Gesamtregime der Nichtigerklärung nicht zur Anwendung komme. Im Ergebnis führe im Unterschwellenbereich nur ein offenkundig rechtswidriger Vergaberechtsverstoß zu den in § 22 StVergRG festgelegten Sanktionen. In der vorliegenden Konstellation liege keine offenkundige Rechtswidrigkeit vor. Eine Nichtigerklärung wäre nur dann möglich, wenn das Vorgehen der Antragsgegnerin bei der Preisprüfung offenkundig rechtswidrig gewesen sei. Fehler bei der Übermittlung der Zuschlagsentscheidung allein könnten diese Sanktion niemals auslösen, weil in diesem Fall die Voraussetzung des wesentlichen Einflusses (§ 22 Abs 1 StVergRG) auf das Verfahrensergebnis fehle. Selbst für den Fall, dass das LVwG zum Ergebnis gelangen sollte, dass dem Auftraggeber offenkundige Rechtswidrigkeiten vorzuwerfen seien, seien im Hinblick auf die Folgen einer Feststellung Besonderheiten im Unterschwellenbereich zu beachten. Gemäß § 22 Abs 6 StVergRG sei eine reine Interessensabwägung vorzunehmen. In der vorliegenden Konstellation würden schwerwiegende öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung des Vertrages bestehen. Diese Interessen würden insbesondere damit begründet, dass die Nichtigerklärung des Vertrages zu erheblichen Verzögerungen der Baumaßnahmen und als deren unmittelbare Folge zu schwerwiegenden Folgen für die Allgemeinheit und die Auftraggeberin führen würden. Im Gegensatz dazu habe die Antragstellerin ausschließlich wirtschaftliche Interessen an einer Aufhebung des Vertrages. Die Interessen würden insbesondere damit begründet, dass die Nichtigerklärung des Vertrages zu erheblichen Verzögerungen der Baumaßnahmen und als deren unmittelbare Folge zu schwerwiegenden Folgen für die Allgemeinheit und die Auftraggeberin führen würde, im Gegensatz dazu hätte die Antragstellerin ausschließlich wirtschaftlichen Interessen an einer Aufhebung des Vertrages. Konkret sei im Falle einer Nichtigerklärung des Vertrages mit einer Verzögerung der Bauzeit und damit einer Verzögerung bei der Fertigstellung des Bauwerks um zumindest zwei Jahre zu rechnen. Für den Zeitraum der Verzögerung bestehe die Gefahr eines erhöhten Schadensausmaßes im Falle von Hochwässern. Zu beachten sei, dass ein Hochwasser zum derzeitigen Zeitpunkt und der momentanen Situation auf dem Baugelände unvergleichbar höhere Schäden verursachen würde, als ein Hochwasser im Urzustand des Geländes. Diese Folgen würden sich dadurch ergeben, dass in weiten Bereichen des Stauraums durch Rodungen und Geländeabtrag Erdmaterial vorhanden sei, welches im Hochwasserfall mobilisiert werden würde und im Unterlauf (in den Gemeinden Raaba und Gössendorf) enorme zusätzliche Schäden verursachen würde. Nach dem derzeitigen Bauplan sei die Funktion des Hochwasserrückhaltebeckens und damit der Hochwasserschutz für die betroffenen Gemeinden bereits im Herbst 2016 zu etwa 50 % bzw. zum Ende des Jahres 2016 zu 100 % gegeben. Im Falle einer Bauverzögerung würden Hochwässer ab dem Jahr 2017 Schäden mit sich bringen, die vermeidbar seien. Ein 100-jährliches Hochwasserereignis würde dabei Schäden verursachen, die in etwa der Höhe der Baukosten entsprechen. Darüber hinaus würde die Nichtigerklärung des Vertrages erhebliche zusätzliche Kosten für die öffentliche Hand begründen. Zunächst würden Zusatzkosten für die Räumung und Schließung der Baustelle anfallen, weiters wäre eine Verlängerung der vorübergehenden Inanspruchnahme privater Grundstücke erforderlich, was ebenfalls zu zusätzlichen Kosten führen würde. Zusammengefasst würde eine Vertragsaufhebung vor der Fertigstellung des Bauvorhabens eine große Gefahr von Sach- und Personenschäden begründen. Es wurden die Anträge gestellt, dass Landesverwaltungsgericht möge den Antrag auf Feststellung vom 11.02.2016 zurückweisen, in eventu abweisen, den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren zurückweisen, in eventu abweisen, in eventu von der Nichtigerklärung des Vertrages absehen, in eventu den Vertrag erst zu einem Zeitpunkt aufheben, zu dem keine erhöhte Gefahr von Hochwasserschäden bestehen würde und jedenfalls im Falle einer Stattgabe des Feststellungsantrages feststellen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung der bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens der dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren EU-Rechts keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.
II. Sachverhalt:
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat Beweis erhoben durch Einsicht in die Akten, insbesondere in die eingebrachten Schriftsätze und Unterlagen sowie die vorgelegten Vergabeunterlagen, insbesondere den vorgelegten Vergabeakt der Auftraggeberin samt Angebotsunterlagen sowie die Stellungnahme der Abteilung 1, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, hinsichtlich der Protokollierung des Mailverkehrs einer Nachricht an einen externen Empfänger mit der GZ: ABT01-1110/2014-406 vom 22.02.2016. Die Richtigkeit der Vergabeakten wurde grundsätzlich nicht bestritten. Weiters wurde Beweis erhoben durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 22.04.2016, zu der sämtliche Verfahrensparteien geladen wurden. Als Zeugen wurden Ing. M B und DI S R einvernommen; auf die Einvernahme des Zeugen DI M Z wurde von den Verfahrensparteien einvernehmlich verzichtet.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht auf Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Die Gemeinde R-G führte das Vergabeverfahren „Bauvorhaben Hochwasserrückhaltebecken Raababach“ in Form eines offenen Verfahrens im Unterschwellenbereich durch (GZ: ABT14 51.Ra-2/2002-280). Vergebende Stelle war das Land Steiermark, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 14.
Gegenstand der Leistung war die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens sowie Umlegung des SWK (Sammler Pachern II) und rechtsufrige Zubringer in den Raababach inklusive Bypass, Dammkubatur ca. 80.000 m³, stabilisiertes Material, Dammlänge ca. 1.150 m, max. Dammhöhe ca. 12,5 m; Massenabtrag ca. 125.000 m³; Abtransport und Deponierung von ca. 45.000 m³ Überschussmaterial; Bachverlegungsarbeiten und umfassende Bodenverbesserungsmaßnahmen des Untergrundes in Form von Rüttelstab- und Rüttelstopfverdichtung; Betonbauwerke: Grundablass und HQ-Schwelle; umfassende Sicherungsmaßnahmen mit Wasserbausteinen; Stahlwasserbauteile samt Steuerung für Grundablass und Notentlastung etc.; Maßnahmen an den rechten Zubringern: Herstellung ca. 120 m offener Graben, Bypass ca. 510 m DM600 bis DN2400; Umlegung ca. 460 m Schmutzwasserkanal samt Mengenmessstation.
Die Angebotssumme des Bestbieters, der X AG betrug exkl. Mwst. € 3.784.692,09; der Auftragswert beträgt somit € 4.541.630,51 (inkl. Mwst.).
Die Veröffentlichung erfolgte online über das Land Steiermark sowie die Grazer Zeitung am 12.05.2015, in der Druckausgabe der Grazer Zeitung am 15.05.2015.
Die Angebotsöffnung fand am 08.06.2015 um 10.05 Uhr im Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 14, Wartingergasse 43, 8010 Graz, statt. Es wurden sechs Angebote abgegeben.
Die technische Abwicklung des Vergabeverfahrens inklusive Angebotsprüfung erfolgte durch die Ingenieurgemeinschaft B & K GmbH (im folgenden IG), die Administration durch Ing. M B, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 14.
Am 09.06.2015 richtete DI S R an die Zuschlagsempfängerin per E-Mail die Aufforderung zur Übermittlung der K7-Blätter, Übermittlung des K3A-Blattes und Angaben zur Lücke 2 für angeführte Positionen. Verlangt wurden Angaben zu den Bieterlücken Herstellungsverfahren/angebotenes Produkt, weiters Aussagen zum Hochpreis in einzelnen Positionen, Aussagen zu Tiefpreisen, damit „eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt werden kann“. Eine Frist wurde nicht gesetzt.
Mit Schreiben vom 15.06.2015 erfolgte eine etwas mehr als einseitige Aufklärung durch die Zuschlagsempfängerin, übermittelt wurden das K7-Blatt sowie das K3A-Blatt sowie weiters Aufklärungen zu den Positionen wie angeführt im E-Mail. Darin gab die Zuschlagsempfängerin zu den Positionen 0101230305C, 0101230305E, zur Position Baustellengemeinkosten der HG01 LG01 und der Positionen Transportkosten Bodenaushub, Deponie eine Stellungnahme betreffend die Kalkulation ab. Betreffend die Positionen 0202200301P, 0202200301R, 0202200301T, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie ÖNORM-geprüfte Superlit-Rohre, welche im Wickelverfahren erzeugt werden, angeboten hätte.
Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gab die IG mit Schreiben an die vergebende Stelle vom 29.02.2016 eine Stellungnahme zum Verfahrensablauf und der Angebotsprüfung ab. Demnach seien in einem ersten Schritt die gesetzlichen Vorgaben geprüft und die Gesamtpreise untereinander verglichen worden. Der Gesamtpreis des Erstbieters sei um ca. 22,29 % vor dem nächstgereihten Bieter gewesen. Es sei daher eine vertiefte Angebotsprüfung eingeleitet und die wesentlichen Positionen detailliert geprüft worden. Es sei ein Vergleich mit der direkten Mitbewerberin im Projekt, aber auch ein Vergleich mit den Preisen aus anderen vergleichbaren Projekten durchgeführt worden. Bei der technischen und betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit seien Plausibilitätsprüfungen auch in Bezug auf die Stundenansätze und die damit verbundene Baudauer einzelner Abläufe durchgeführt worden. Dazu sei aus den K7-Blättern der Arbeitsaufwand entnommen und auf Arbeitswochen bzw. Arbeitstage umgelegt worden. Es seien Preisspiegel nach Angebotssummen, nach HG-Summen, nach OG-Summen, nach LG-Summen und nach Positionen erstellt worden. Weiters seien die für die Leistungsgruppensummen die Mittelwerte gebildet und die Abweichungen der einzelnen Bieter berechnet worden. Was die LG01 Baustellengemeinkosten betreffe, sei die Gesamtsumme der Leistungsgruppe beim Zuschlagsempfänger im Vergleich zu den Mitbietern deutlich günstiger gewesen. Dies sei genau geprüft worden. Insbesondere seien die Positionen 0303A offener Abtrag, 0313A Künettenaushub und 0331A Baugrubenaushub überprüft worden. Aus den K7-Blättern ergebe sich, dass in den Positionen des Zuschlagsempfängers ein wesentlich höherer Preis angesetzt worden sei und sowohl die Gerätekosten als auch der entsprechende Lohnanteil in den Leistungsgruppen miteinkalkuliert worden sei.
Im von der vergebenden Stelle vorgelegten Vergabeakt findet sich der am 16.06.2015 zur GZ B1142 erstellte Prüfbericht.
Darin wird unter „2.) Prüfung der Angebote“ folgendes festgehalten:
„Die Prüfung der Angebote und ihrer Anlagen erfolgt in Übereinstimmung mit den Vergabegesetzen in den jeweils geltenden Fassungen sachlich und rechnerisch im Hinblick auf Vollständigkeit nach technischen, wirtschaftlichen und formalen Gesichtspunkten“.
Unter Punkt 2.1. folgt eine Reihungsliste der eingelangten Angebote vor und nach rechnerischer Überprüfung. Unter Punkt „2.1.1 Verzeichnis der ausgeschiedenen Angebote mit Angabe der Namen der Bieter, der angebotenen Gesamtpreise und der Ausscheidensgründe“ wurde „keine“ festgehalten. Zu Punkt „2.2 Ermittlung des Bestbieters“ wurde neben dem Zuschlagskriterium und der geprüften Angebotssumme sowie der Bezeichnung des Bestbieters festgehalten: „Der Firmen-Ausdruck wurde mittels EDV geprüft und es wurden keine rechnerischen Fehler festgestellt. Die Angebotssumme liegt um 22.29% unter dem zweitgereihten Bieter und 23.64% unter dem drittgereihten Bieter“. In der Folge wurde eine Übersicht der Hauptgruppen 01 (Flussbau inkl. Nachlässe, exkl Ust.) in Form einer Tabelle dargestellt. Billigstbieter in dieser Hauptgruppe die nunmehrige Auftragnehmerin, X AG. Der zweitgereihte Bieter liegt 25,46% und der drittgereihte Bieter 32.86 % hinter dem Billigstbieter. Festgehalten wurde: „Abgesehen vom Billigstbieter X AG ist das Preisniveau der HG01 ausgeglichen und streut im üblichen Maß.“
Im Anschluss an die Übersicht der Hauptgruppen 02 (Flussbau inkl. Nachlässe exkl. Ust) wurde festgehalten, dass in diesem Fall die Antragstellerin Billigstbieterin ist, der zweitgereihte Bieter liegt mit einem Abstand von 3,90% dahinter. Hier war das Preisniveau abgesehen vom Letztgereihten ausgeglichen.
Unter „Punkt 2.2.3“ wurde folgendes festgehalten:
„Die Gesamtpreise der Angebote sind abgesehen vom Erstgereihten ausgeglichen und entsprechen dem aktuellen Preisniveau. Der Billigstbieter X AG liegt mit einem Unterschied von 843.638,59 (entspricht 22,29%) gegenüber dem zweitgereihten deutlich vor den Mitbewerbern.“
Der Ausdruck „vertiefte Angebotsprüfung“ findet sich im Prüfbericht nicht. Ausführungen, auf welche Weise die Preisprüfung durchgeführt wurde, finden sich weder im Prüfbericht noch in dem von der vergebenden Stelle am 29.02.2016 vorgelegten Vergabeakt.
Als Beilage zum Prüfbericht findet sich eine Niederschrift der Angebotsöffnung, Preisspiegel nach Angebotssummen, Preisspiegel nach HG-Summen, Preisspiegel nach OG-Summen, Preisspiegel nach LG-Summen, Preisspiegel nach Position, die Preisaufklärung der Zuschlagsempfängerin, K3A-Blatt der Zuschlagsempfängerin, K7-Blatt der Zuschlagsempfängerin.
Im Zuge der Einvernahme des Zeugen DI S R in der öffentlich mündlichen Verhandlung händigte dieser dem Landesverwaltungsgericht Steiermark einen weiteren Aktenordner aus, der nach seinen Angaben die Unterlagen zur Angebotsprüfung enthält.
Der Aktenordner enthält zunächst die Ladung zur öffentlich mündlichen Verhandlung vom 23.03.2016, danach ein Trennblatt, darauf findet sich in folgender Reihenfolge händisch geschrieben: „Klage G 2016-02.11 Schreiben LVWG 2016-02-11 Prüfbericht, Preisspiegel, Nachfragen, BVergG (Auszug)“.
Im Ordner sind in der Folge zunächst die Ausschreibungsunterlage, sämtliche Schriftstücke des gegenständlichen Feststellungsverfahrens, ein Entwurf der Stellungnahme der IG zum Feststellungsantrag, ein Preisspiegel mit einzelnen handschriftlichen, undatierten Anmerkungen, ein Auszug aus dem Preisspiegel RHB Erlenbach- Markgemeinde Thal vom 02.11.2015 betreffend die OG 01 Erd-Baumeisterarbeiten bei dem handschriftlich „nachträglicher Vergleich“ notiert ist, mit Leuchtstift wurden die Position 201C und 206B markiert. Weiters findet sich ein Preisspiegel Hochwasserrückhaltenbecken Greinbach, datiert vom 20.06.2006, der handschriftlich die Notiz „0,1067“ zu einer Position der Antragstellerin enthält. Ein Auszug aus dem Preisspiegel RHB Erlenbach – Marktgemeinde Thal vom 02.11.2015 bei dem handschriftlich „nachträglicher Vergleich“ notiert ist, mit Leuchtstift wurde die Position 711A markiert. Es findet sich ein Ausdruck des LV Rastplatz Ordning datiert mit 14.01.2015, sowie „Preisvergleich/EUR“ Semmering Basistunnel neu, Baulos 2.1. datiert mit 15.07.2013. Auf jeweils einer DIN A 4 – Seite finden sich Überlegungen zur Preisangemessenheit der LG 03 Erd- und Aufbrucharbeiten, LG 11 Beton –und Stahlbetonarbeiten, LG 30 Baustellenentsorgung und Transporte, jedoch undatiert und ohne Unterfertigung. Weitere Auszüge aus dem Projekt HWS Schöckelbach, Rückhaltebecken Höfbach, datiert mit 15.06.2011, Preisspiegel Hochwasserrückhaltebecken Greinbach, datiert mit 24.05.2006, Preisspiegel PHB – Beschneiungsteich Wieslechnerwieserl, datiert mit 09.06.2015, Preisspiegel Beschneiungsanlage Feuerkogel Baumeister, datiert mit 15.04.2015. Zu einigen Positionen des Preisspiegels finden sich handschriftliche Vermerke sowie Kürzel, die jedoch zum Teil nicht leserlich sind (z.B. Seite 243 des Preisspiegels LG20, Seite 245, Seite 250). Nach Ausdrucken der ÖNORM B 2061, des BVergG findet sich ein weiterer handschriftlicher Vermerk in dem – soweit leserlich – Preise der Antragstellerin mit der Auftragnehmerin verglichen wurden, jedoch undatiert und ohne festgehaltenes Ergebnis. In einem weiteren handschriftlichen undatierten Vermerk wird – soweit leserlich – ua vermerkt: „Baustelleneinrichtungskosten nicht kostendeckend“, „Gerätekosten – und zeitgebundene Baustellenregie spekulativ“, „Schalungsarbeiten nicht nachvollziehbar“, „Prüfmaßnahmen spekulativ hoch“, „Baustelleneinrichtung viel zu hoch“, „GP-UP DN 2400 spekulativ!!!“. Zu welchem Angebot diese Anmerkungen erstellt wurden, ist nicht ersichtlich. Offenbar nach Einleitung des Feststellungsverfahrens wurde ein weiterer undatierter Vermerk angefertigt, in dem in Vorbereitung der Stellungnahme der IG zum Nachprüfungsantrag die Chronologie sowie der Ablauf der Angebotsprüfung dargestellt wurden. Zu einzelnen Positionen wurde „Ist lt K7 der entsprechenden Position eine Nachvollziehbarkeit gegeben?“ oder „lt K7 nachvollziehbar?“ vermerkt. Gefragt wurde ua. welche vergleichbaren Projekte es gegeben hätte mit dem Vermerk „WELCHE? Nachweis“. Handschriftlich wurde zB vermerkt „RHB Erlenbach 2.11.2015“. Gefragt wurde auch bezüglich der Streuung der Lohnanteile „was ist ein übliches Maß?“
Am 02.07.2015 übermittelte DI S R im Auftrag der IG Herrn Ing. B eine Liste von Kontaktdaten. Dabei findet sich bei der Antragstellerin hinsichtlich der E-Mail-Adresse folgende Angabe: mr@g-b.at .
Mit Schreiben vom 02.07.2015 wurde von Ing. M B per E-Mail die Zuschlagsentscheidung an die bekanntgegebenen E-Mail-Adressen versandt.
Am Donnerstag, den 02.07.2015, um 11.53 Uhr, erhielt Herr Ing. M B vom System folgende Mitteilung: „Die Zustellung an diese Empfänger oder Gruppen abgeschlossen sei. Vom Zielserver wurde keine Zustellbenachrichtigung gesendet“.
Die Protokollierung des E-Mail-Verkehrs im Land Steiermark umfasst die sogenannten Verkehrsdaten. Zu jeder versendeten und empfangenen Nachricht werden Absender, Empfänger, der Betreff sowie ein Zeitstempel protokolliert und abgespeichert. Der Inhalt der Nachricht wird nicht gespeichert. Im Protokoll des betreffenden Mailfilters des Landes Steiermark wird das E-Mail mit dem Zeitstempel 11:53:23.863 als zugestellt an den empfangenden Mailserver 178.188.53.44 (mail.g-b.at) angeführt. Am Zielsystem wurde eine Überprüfung der E-Mail-Adresse durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass der entsprechende Empfänger dem System unbekannt ist. Das Mailsystem mail.g-b.at retournierte anschließend automatisiert dem Mailserver des Landes Steiermark eine Unzustellbarkeitsmeldung. Die Unzustellbarkeitsmeldung enthält den Statuscode (E-Mail-Empfänger nicht vorhanden), den Betreff mit „delivery status notification (failure)“ und die IP-Adresse des Quellservers und wird an den ursprünglichen Absender gesendet. Die so automatisiert generierte E-Mail wurde vom Mailserver des Landes am 02.07.2015 um 11:53:32.553 empfangen. Der empfangende Mailserver des Landes Steiermark hat nach Überprüfung der Nachricht festgestellt, dass diese nicht dem Standard nach RFC822 entspricht und wurde diese Nachricht daher in Quarantäne gestellt. Es erfolgte keine Benachrichtigung des Empfängers, konkret Ing. M B. Die betreffende Nachricht wurde in der Quarantäne „Network Security“ abgespeichert und dort anschließend nach 14 Tagen gelöscht.
Am 27.10.2015 wurde der Zuschlag an die Zuschlagsempfängerin, die Firma X AG, erteilt.
Die Baustelle wird seit Mitte November 2015 betrieben.
Am 13.01.2016 begehrte Herr M R, B G, bei der vergebenden Stelle die Mitteilung, bis wann für das Bauvorhaben Hochwasserrückhaltebecken Raababach eine Zuschlagsentscheidung ergehen würde. Am 14.01.2016 wurde an die – korrekte – E-Mail-Adresse mr@g-b.at die Zuschlagsentscheidung bekanntgegeben.
Am 11.02.2016 wurde per E-Mail der gegenständliche Feststellungsantrag gemäß § 4 Abs 3 Z 4 StVergRG eingebracht.
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen sowie die Aussagen der in der Verhandlung befragten Personen.
Zu den vorliegenden schriftlichen Unterlagen sei ausgeführt, dass die Auftraggeberin zunächst mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12.02.2016 unter Hinweis auf § 24 Abs 2 StVergRG aufgefordert bis 23.02.2016 „alle für das gegenständliche Vergabeverfahren maßgeblichen Unterlagen im Original“ zu übermitteln. Die – nach Fristerstreckung bis 29.02.2016 – vorgelegten Unterlagen enthielten einen fragmentarischen Vergabeakt, in dem zunächst nicht einmal die Ausschreibungsunterlage enthalten war. Mit Schreiben vom 09.03.206 wurde die Auftraggeberin erneut unter Hinweis auf § 24 Abs 2 StVergRG aufgefordert, den vollständigen Vergabeakt vorzulegen. In der Folge wurde von Ing. B ein USB-Stick mit weiteren Unterlagen zum Verfahren vorgelegt. Erst in der mündlichen Verhandlung wurde der Vergabeakt schließlich durch den umfangreichen Aktenordner der IG, der die Prüfung der Angebote enthalten sollte, ergänzt, obwohl die vergebende Stelle auf ausdrückliche Befragung durch die Richterin, ob der Akt vollständig sei, dies zu Beginn der Verhandlung ausdrücklich bejaht hatte. Eine Stellungnahme der Abteilung 1, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, hinsichtlich der Protokollierung des Mailverkehrs einer Nachricht an einen externen Empfänger mit der GZ: ABT01-1110/2014-406, datierend vom 22.02.2016, an die vergebende Stelle wurde dem Landesverwaltungsgericht Steiermark – obwohl noch vor Vorlage des Vergabeaktes erstellt – nicht vorgelegt, sondern wurde diesem auf Grund eigener Ermittlungen bekannt.
Was die Prüfung der Preisangemessenheit der Auftragnehmerin betrifft, so ergibt sich wohl, dass die IG und in der Folge die Auftraggeberin den ausgewiesenen Gesamtpreis als angemessen erachtet haben. Wie diese Prüfung der Angemessenheit tatsächlich erfolgte, kann den Vergabeakten nicht entnommen werden. So findet sich im zunächst vorgelegten Vergabeakt weder eine Dokumentation der Angebotsprüfung noch ist im Prüfbericht der IG der Begriff „vertiefte Angebotsprüfung“ enthalten. Es wird lediglich in allgemein gehaltenen Worten auf eine Prüfung verwiesen. Eine Niederschrift über die Angebotsprüfung wurde nicht erstellt. Im Akt, der im Zuge der öffentlich mündlichen Verhandlung, somit mehr als zwei Monate nach Einleitung des Feststellungsverfahrens übergeben wurde, sind handschriftliche Anmerkungen zum Teil nicht leserlich, - soweit ersichtlich - alle von der IG erstellten Vermerke oder Überlegungen undatiert bzw. datieren die laut IG im Zuge der Angebotsprüfung als Vergleich herangezogenen Projekte zum Teil nach der Zuschlagserteilung (RHB Erlenbach) oder (weit) vor Einleitung des Vergabeverfahrens (Hochwasserrückhaltebecken Greinbach). Aus dem Vermerk am Ende des Aktes, der offenbar in Vorbereitung der Stellungnahme der IG entstand, ist nicht auszuschließen, dass zumindest ein Teil der Dokumentation, unter Umständen daher auch der Prüfung, erst im Zuge des Feststellungsverfahrens getätigt wurde. Nach übereinstimmenden Aussagen in der öffentlich mündlichen Verhandlung wurden Aufklärungsgespräch(e) (ein Telefonat und ein persönliches Gespräch am Standort der Auftragnehmerin) zwischen der vergebenden Stelle und der Auftragnehmerin im Beisein der IG geführt, der Inhalt und das Ergebnis sind jedoch nicht dokumentiert.
In der öffentlich mündlichen Verhandlung wurde von Seiten der vergebenden Stelle bekannt gegeben, dass zur Vermeidung eines Fehlers bei der Übermittlung der Zuschlagsentscheidung nunmehr Vorkehrungen getroffen wurden und sich die vergebende Stelle nun den Erhalt des E-Mails aktiv bestätigen lässt bzw. im Fall einer Nichtbestätigung den Bieter kontaktiert.
IV. Rechtliche Beurteilung:
1. Allgemeines:
Das gegenständliche Feststellungsverfahren unterliegt den materiellen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG), BGBl. I Nr. 10/2006 idgF sowie in verfahrensrechtlicher Hinsicht dem Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetz (StVergRG), idgF.
Da es sich um ein Verfahren im Unterschwellenbereich handelt, ist gemäß § 3 Abs 2 StVergRG 2012 das Landesverwaltungsgericht Steiermark durch Einzelrichter zur Entscheidung berufen. ´
Der gegenständliche Antrag wurde gemäß § 4 Abs 3 Z 4 zur Feststellung eingebracht, ob der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 oder gemäß Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 erteilt wurde.
Im Vergabeverfahren wurde der Zuschlag am 27.10.2015 erteilt.
Der gegenständliche Feststellungsantrag wurde ordnungsgemäß vergebührt und entspricht den formalen Kriterien des § 20 StVergRG.
2. Zur Rechtzeitigkeit:
Gemäß § 19 Abs 1 StVergRG sind Anträge gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Abs 4 StVergRG binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen, indem die Antragstellerin/der Antragsteller vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde. Gemäß § 19 Abs 2 StVergRG sind Anträge gemäß § 18 Abs 1 Z 2 bis 4 StVergRG binnen sechs Monaten ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag einzubringen.
Daraus ergibt sich eindeutig, dass der gegenständliche Feststellungsantrag fristgerecht eingebracht wurde. Die Zuschlagserteilung erfolgte am 27.10.2015, der Nachprüfungsantrag wurde am 11.02.2016 somit innerhalb der Frist von sechs Monaten eingebracht. Entgegen der Stellungnahme der Auftraggeberin vom 29.02.2016 kommt es auf eine subjektive Kenntnis im Fall eines Feststellungsverfahrens nach § 18 Abs 1 Z 3 StVergRG nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gerade nicht an, sondern spielt eine subjektive Kenntnis lediglich im Fall der Feststellungsanträge nach § 18 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Abs 4 StVergRG eine Rolle.
Auch das Vorbringen der Auftraggeberin in der Stellungnahme vom 18.04.2016 vermag diesbezüglich nicht zu überzeugen. Wenn die Auftraggeberin vermeint, der Beschwerdeführer habe davon ausgehen müssen, dass der Auftrag direkt bzw. ohne förmliches Vergabeverfahren vergeben werde, so steht dem sowohl die Gesetzeslage als auch der eindeutige Inhalt des Vergabeaktes entgegen. Die Auftraggeberin hat eben kein formfreies Verfahren durchgeführt, sondern ein offenes Verfahren nach dem BVergG eingeleitet und durchgeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Inhalt der Ausschreibungsunterlage und wurden sämtliche Verfahrensschritte, z. B. Bekanntmachung, Angebotsöffnung im Sinne des offenen Verfahrens durchgeführt. Ausgehend von der Festlegung der Ausschreibungsunterlage, dass ein offenes Verfahren durchgeführt wird, musste die Antragstellerin eben gerade nicht damit rechnen, dass die Zuschlagsentscheidung direkt bzw. ohne förmliches Vergabeverfahren vergeben wird. Selbst wenn sie aufgrund von Gesprächen etc. erfahren hätte, dass beabsichtigt sei, den Auftrag an ein anderes Unternehmen zu vergeben, konnte sie aufgrund der Durchführung eines offenen Vergabeverfahrens darauf vertrauen, dass die Auftraggeberin auch bezüglich der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung die Vorgaben des Gesetzes einhalten würde.
Ob daher in den Medien oder auf der Homepage der Auftraggeberin von der Vergabe des Auftrags berichtet wurde, ist für die gegenständliche Fristberechnung irrelevant und der eingebrachte Feststellungsantrag daher fristgerecht.
Die Wertung des Gesetzgebers, dass es bei gewissen Verstößen gegen das BVergG für die Berechnung der Frist nicht auf die subjektive Kenntnis vom Verstoß ankommt, kann im Übrigen nicht als verfassungswidrig erkannt werden. Hinzuzufügen ist, dass die Auftraggeberin die (kürzere) Anfechtungsfrist betreffend eine unzulässige Direktvergabe als verfassungswidrig erachtet; diese ist jedoch im gegenständlichen Verfahren nicht präjudiziell und wird daher der Antrag auf Vorlage vor den Verfassungsgerichtshof abgewiesen.
3. Inhaltliche Beurteilung des Antrages:
3.1 Zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung:
Der Auftraggeber hat den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist gemäß § 132 Abs. 1, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, der Gesamtpreis sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.
§ 4 Abs 3 Z 4 StVergRG:
Nach Zuschlagserteilung ist das Landesverwaltungsgericht zuständig
4. zur Feststellung, ob der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 oder gemäß Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 erteilt wurde.
§ 18 Abs 1 StVergRG:
Eine Unternehmerin/Ein Unternehmer, die/der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich der bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihr/ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass
- 1. der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU-Recht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde oder
- 2. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU-Recht rechtswidrig war oder
- 3. die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 oder gemäß Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 wegen eines Verstoßes gegen die bundes-gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU-Recht rechtswidrig war oder
- 4. der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung auf Grund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 rechtswidrig war oder
- 5. die Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU-Recht rechtswidrig war.
Die Antragstellerin/Der Antragsteller kann in einem Antrag mehrere Feststellungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4 beantragen. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß Z 1, 3 und 4 kann die Auftraggeberin/der Auftraggeber die Feststellung beantragen, dass die Antragstellerin/der Antragsteller auch bei Einhaltung der bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, der dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren EU-Rechts keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß Z 2 bis 4 kann der Auftraggeber beantragen, von der Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen oder den Vertrag frühestens mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes aufzuheben.
Wie sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere der Stellungnahme des Landes Steiermark, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 1, nachvollziehbar ergibt, wurde aufgrund eines Fehlers im Namen des E-Mail-Empfängers die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung der Antragstellerin nicht zugestellt. Der Zielserver der Antragstellerin führte eine Überprüfung der E-Mail-Adresse durch und retournierte anschließend automatisiert dem Mailserver des Landes eine Unzustellbarkeitsmeldung. Die Tatsache, dass der vergebenden Stelle, der Abteilung 14, diese Fehlermeldung nicht zugestellt wurde, sondern offensichtlich aufgrund der Sicherheitspolicy des Landes Steiermark unter Quarantäne gestellt wurde, vermag am Ergebnis nichts zu ändern.
In diesem Zusammenhang vertrat auch der OGH in seiner Entscheidung vom 29.11.2007, 2 Ob 108/07g, die Auffassung, dass ein E-Mail-Sendeprotokoll für den Anscheinsbeweis des Zugangs beim Empfänger nicht ausreicht (vgl dazu auch Schmidbauer, Beweis und Anscheinsbeweis bei der Übermittlung einer E-Mail-Erklärung, Zak 2008/151,83).
Letztlich hat auch die Auftraggeberin zugestanden, dass die Antragstellerin von der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung keine Kenntnis erlangte (vgl. Stellungnahme vom 29.04.2016) und nunmehr Vorkehrungen getroffen um einen weiteren derartigen Vorfall zu verhindern.
Gemäß § 2 Z 49 BVergG ist eine Zuschlagsentscheidung „die an Bieter abgegebene nicht verbindliche Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll“.
§ 131 BVergG legt als lex specialis zu § 22 Abs 1 BVergG, der allgemein die Wege der Informationsübermittlung in Vergabeverfahren regelt, fest, dass die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an die im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter, was so viel bedeutet wie an alle verbliebenen Bieter nachweislich elektronisch oder mittels Telefax zu erfolgen hat. Die in § 131 BVergG angeführte Nachweislichkeit bedeutet nach der Rechtsprechung des VwGH durch Nachweis bestätigt, belegt, nicht bloß nachweisbar. Die Bekanntgabe und nicht lediglich die Absendung muss daher durch einen Nachweis dokumentiert sein, wobei die Dokumentationspflicht den Auftraggeber trifft (z. B. BVA, 28.08.2003, 07 N73/03-20 u. a.).
§ 132 Abs 1 1. Satz BVergG 2006 sah ursprünglich vor, dass der Zuschlag bei sonstiger absoluter Nichtigkeit innerhalb der Stillhaltefrist nicht erteilt werden dürfe. Ebenso sah § 132 Abs 2 BVergG 2006 vor, dass ein unter Verstoß gegen die Pflicht zur Mitteilung der Zuschlagserteilung erfolgter Zuschlag absolut nichtig war. Demgegenüber erfordert die Rechtsmittelrichtlinie keine ausnahmslose absolute Nichtigkeit, sondern spricht davon, dass ein Vertrag in drei genannten Fällen zwar grundsätzlich für unwirksam erklärt werden muss, aber an die Stelle der Unwirksamkeit auch die Verhängung sogenannter alternativer Sanktionen treten könne. Dieser von der Rechtsmittelrichtlinie eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde durch die BVergG-Novelle 2010 in differenzierter Form umgesetzt. Die Einhaltung der Stillhaltefrist gemäß § 132 Abs 1 BVergG sowie die Wahrung des Suspensiveffektes gemäß § 328 Abs 1 Z 1 BVergG 2006 stellen nach wie vor Verpflichtungen dar, die ausnahmslos zu beachten sind.
Anders stellt sich seit der Novelle jedoch die Lage bei der Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung dar. Da von dieser Verpflichtung Ausnahmen bestehen, kann die Frage, ob die Mitteilung rechtmäßiger- oder rechtswidrigerweise unterblieben ist, umstritten sein. Es wurde daher durch die BVergG-Novelle 2010 in § 132 BVergG für den Fall eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung vom Konzept der absoluten Nichtigkeit abgegangen. In Entsprechung dieser Novellierung wurden schließlich neue Feststellungskompetenzen der Vergabekontrollinstanzen geschaffen. So wurden in § 312 Abs 3 und 4 BVergG sowie in Entsprechung § 4 Abs 3 StVergRG sowie § 18 StVergRG die Feststellungskompetenzen des Landesverwaltungsgerichtes nach Zuschlagserteilung an Art. 2d der Rechtsmittelrichtlinie angepasst. Aufgrund dieser erweiterten Zuständigkeit der Vergabekontrollinstanzen wurde auch die Zuständigkeit in Zusammenhang mit der Nichtigkeit von Verträgen neu gestaltet.
Aus § 131 Abs 1 BVergG ergibt sich eindeutig die Verpflichtung des Auftraggebers, die Zuschlagsentscheidung den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern, das heißt allen Bietern, mitzuteilen, die noch nicht bestandskräftig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden wurden. Diese umfassende Mitteilungspflicht entspricht Art. 2a Abs 2 2. Unterabsatz der beiden Rechtsmittelrichtlinien. Eine Feststellung nach § 4 Abs 3 Z 3 StVergRG ist daher auch dann möglich, wenn der Auftraggeber es verabsäumt hat, einem von mehreren im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern die Zuschlagsentscheidung vor der Zuschlagserteilung mitzuteilen (Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006 § 312 RZ 270/3).
§ 22 Abs 1 StVergRG, wonach eine Feststellung der Rechtswidrigkeit nur zu erfolgen hat, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlicher Bedeutung war, ist auf Feststellungsanträge nach § 4 Abs 3 Z 3 StVergRG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht anwendbar.
Aus dem Wortlaut des § 4 Abs 4 Z 3 StVergRG sowie § 18 Abs 1 Z 3 StVergRG ergibt sich eindeutig die Bezugnahme auf die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 und somit auf die Vorschriften des § 131 BVergG sowie § 2 Z 49 BVergG und ist daher eine Zuschlagserteilung, die ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an alle im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter erfolgt ist, rechtswidrig (vgl VwGH 17.09.2014, Zl.: 2013/04/0144).
Entgegen dem Vorbringen der Auftraggeberin kann es bei der Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung nicht lediglich auf ein Absenden der Bekanntgabe ankommen, denn hätte es der Auftraggeber ansonsten in der Hand, durch Einfügen eines falschen Empfängernamens bei richtigem Mailserver, den Rechtsschutz für Bieter auszuhebeln.
Es wird daher festgestellt, dass die Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren „Hochwasserrückhaltebecken Raababach“ ohne vorherige Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß Bundesvergabegesetz 2006 wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens rechtswidrig war.
3.2 Zur Nichtigerklärung des Vertrages:
§ 22 StVergRG:
(1) Das Landesverwaltungsgericht hat eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 und Abs. 4 Z 1 und 3 nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war.
(2) Soweit in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 nicht anderes bestimmt ist, hat das Landesverwaltungsgericht im Oberschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären. Das Landesverwaltungsgericht hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 oder 5 abzusehen, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat und zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es rechtfertigen, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, können die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht rechtfertigen, andere wirtschaftliche Interessen nur dann, wenn die Nichtigkeit in Ausnahmefällen unverhältnismäßige Folgen hätte.
(3) Soweit in den Abs. 4 bis 6 nicht anderes bestimmt ist, hat das Landesverwaltungsgericht im Unterschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären, wenn die festgestellte Vorgangsweise der Auftraggeberin/des Auftraggebers auf Grund der bundesgesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, der dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren EU-Rechts offenkundig unzulässig war.
(4) Kann die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert rückgestellt werden, so hat das Landesverwaltungsgericht, sofern Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt, im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 auszusprechen, dass der Vertrag nur so weit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind.
(5) Das Landesverwaltungsgericht kann im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 aussprechen, dass der Vertrag mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes oder einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat. Das Landesverwaltungsgericht hat dabei das Interesse der Auftraggeberin/des Auftraggebers an der Aufrechterhaltung bestimmter vertraglicher Rechte und Pflichten, das Interesse der Antragstellerin/des Antragstellers an der Aufhebung des Vertrages sowie allfällige betroffene öffentliche Interessen gegeneinander abzuwägen.
(6) Das Landesverwaltungsgericht hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages gemäß Abs. 3 oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 oder 5 im Unterschwellenbereich abzusehen, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat und das Interesse der Auftraggeberin/des Auftraggebers an der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses das Interesse der Antragstellerin/des Antragstellers an der Beendigung des Vertragsverhältnisses – auch unter der Berücksichtigung der jeweils betroffenen öffentlichen Interessen – überwiegt.
(7) Wenn das Landesverwaltungsgericht von der Nichtigerklärung des Vertrages gemäß Abs. 2 erster Satz oder Abs. 3 abgesehen hat, dann ist eine Geldbuße über die Auftraggeberin/den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt 20 %, im Unterschwellenbereich 10 % der Auftragssumme. Geldbußen fließen der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (SFG) zu.
(8) Das Landesverwaltungsgericht hat bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise der Auftraggeberin/des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2007, heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrechterhalten wird.
(9) Das Landesverwaltungsgericht hat im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 4 Z 3 sowie im Unterschwellenbereich im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 den Widerruf für unwirksam zu erklären, wenn
- 1. die Antragstellerin/der Antragsteller dies beantragt hat und
- 2. das Interesse der Bieterinnen/Bieter an der Fortführung des Vergabeverfahrens das Interesse der Auftraggeberin/des Auftraggebers auch unter Berücksichtigung der allfällig betroffenen öffentlichen Interessen an der Beendigung des Vergabeverfahrens überwiegt.
Trifft das Landesverwaltungsgericht die Feststellung, dass der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß den §§ 131 bzw. 272 BVergG erteilt wurde, hat es im Oberschwellenbereich den Vertrag grundsätzlich für absolut nichtig zu erklären (§ 22 Abs 2 StVergRG). Dazu bedarf es keines Antrages.
Im Unterschwellenbereich ist gemäß § 22 Abs 3 StVergRG der Vertrag jedoch nur dann für absolut nichtig zu erklären, wenn die festgestellte Vorgangsweise der Auftraggeberin/des Auftraggebers offenkundig unzulässig war.
Hinsichtlich des Begriffs „offenkundig unzulässig“ führen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend den wortidenten § 334 Abs 3 BVergG aus, dass das Nichtigkeitsregime des Unterschwellenbereichs auf die gravierendsten Verstöße gegen das BVergG beschränkt sei, wobei zusätzlich diese Verstöße als offenkundig qualifiziert werden müssen (siehe EBRV 327 BlgNR Nationalrat XXIV. GP 37; Reisner in Heid/Preslmayer, Handbuch Vergaberecht 4. Auflage Rz 2288). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Offenkundigkeit in einzelnen Fällen beschäftigt und hierbei einen strengen Maßstab angelegt. Unter Verweis auf Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, § 132 RZ 16 ff, führte er aus, dass eine offenkundige Unzulässigkeit der Direktvergabe nur dann anzunehmen ist, wenn der Auftraggeber unter Missachtung des klaren Gesetzeswortlautes oder jenseits vertretbarer Gesetzesauslegung einen Beschaffungsvorgang dem Ausnahmetatbestand der Direktvergabe, einem der Ausnahmetatbestände des Verhandlungsverfahrens mit nur einem Unternehmer zuordnet oder als nicht dem BVergG unterfallend qualifiziert. Ein entschuldbarer Rechts- oder Tatsachenirrtum schließe offenkundige Unzulässigkeit aus (VwGH 24.02.2010, Zl.: 2009/04/0209). Ein Rechtsirrtum könne nur dann zur offenkundigen Unzulässigkeit führen, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung beruhe (vgl. Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, RZ 16 ff). Zur Offenkundigkeit hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 27.04.1993, Zl.: 90/04/0265, weiters ausgeführt, dass „offenkundig eine Tatsache dann ist, wenn sie entweder allgemein bekannt (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt oder dadurch bei der Behörde notorisch (amtsbekannt) bekanntgeworden ist“.
Offenkundig bedeutet somit, dass der Rechtsverstoß evident (gleichsam ins Auge springend) sein muss (vgl. BVA 05.08.2008, F/0003-BVA/10/2008-42) und nicht erst aufgrund von Erhebungen, komplexen Abwägungen bzw. Beurteilungen, Sachverständigengutachten usw. festgestellt werden kann.
War die Vorgangsweise des Auftraggebers nicht offenkundig unzulässig, so kommt das gesamte Regime des § 22 Abs 4 bis 8 StVergRG im Unterschwellenbereich von vornherein nicht zur Anwendung.
Freilich ist bei der offenkundigen Unzulässigkeit ein objektiver Maßstab anzulegen, da sich andernfalls Auftraggeber leicht durch Nichtbefassung mit der korrekten Anwendbarkeit des BVergG der Sanktionen entziehen könnten.
Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass sich gegenständlich die Auftraggeberin nicht der Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung entziehen wollte. Durch einen Tatsachenirrtum, der als entschuldbar erachtet werden kann, wurde die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an einen Bieter aufgrund einer falsch eingegebenen E-Mail-Adresse nicht erfolgreich durchgeführt. Diese fehlerhafte Mittteilung wurde schließlich vom System der Auftraggeberin in Quarantäne abgespeichert, sodass der Auftraggeberin eine Fehlermeldung nicht zugekommen ist.
Vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof unter den Fall der offenkundigen Unzulässigkeit offenbar sowohl Rechts- als auch Tatsachenirrtümer subsumierte, ist gegenständlich von einem entschuldbaren Tatsachenirrtum auszugehen und war dieser Tatsachenirrtum aufgrund des dargestellten Sachverhalts nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes, wie auch von der Auftraggeberin in ihrer zweiten Stellungnahme ausgeführt, nicht offenkundig.
Der gegenständliche Vertrag wird daher mangels Offenkundigkeit gemäß § 22 Abs 3 StVergRG nicht für absolut nichtig erklärt. Daraus ergibt sich, dass § 22 Abs 4 bis 6 StVergRG – bzw. in der Folge § 22 Abs 7 und 8 StVergRG – nicht zur Anwendung kommen.
3.3 Zum Gegenantrag der Auftraggeberin:
Gemäß § 18 Abs 1 letzter Satz StVergRG kann die Auftraggeberin bei einem Antrag auf Feststellung gemäß § 18 Abs 1 Z 1, 3 und 4 StVergRG die Feststellung beantragen, dass die Antragstellerin/der Antragsteller auch bei Einhaltung der bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens bzw. der dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren EU-Rechts keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.
Dieser Gegenantrag stellt in der Sache eine Art Eventualantrag dar und ist darüber nur dann zu entscheiden, wenn dem Feststellungsantrag stattgegeben wird (VwGH 27.06.2007, Zl.: 2006/04/0106).
Da dem Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß BVergG 2006 oder BVergG Verteidigung und Sicherheit 2012 wegen eines Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU-Recht rechtswidrig war, stattgegeben wurde, hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark nunmehr über den Gegenantrag zu entscheiden.
Das Vorliegen der echten Chance auf die Erteilung des Zuschlages ist nach den Erläuternden Bemerkungen sowie der Rechtsprechung danach zu beurteilen, ob der Bieter in den engeren Auswahlkreis hinsichtlich der Auftragsvergabe gekommen wäre, das heißt, ob eine konkrete Möglichkeit der Zuschlagserteilung vorgelegen ist (1171 BlgNR 22.GP 134; Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006 § 337; Sturm, ZVB 2001, 87 (90ff); Reinbacher, Schadenersatz 70; Kraus, Der vergaberechtliche Rechtsschutz 68; BVA 20.07.1999, F-15/98-17). Es kommt darauf an, ob nach den Umständen des betreffenden Falles für den betreffenden Unternehmer eine konkrete Chance bestanden hatte, den Zuschlag zu erhalten.
Voraussetzung dafür ist, dass der betreffende Unternehmer am Vergabeverfahren beteiligt war, insbesondere ein Angebot gelegt hat und die formellen Anforderungen der Ausschreibung erfüllt. Bei der Beurteilung des Fehlens einer echten Chance ist nicht zu prüfen, ob der betreffende Bieter als Bestbieter zu qualifizieren gewesen wäre. Obwohl es nur einen Bestbieter geben kann, können doch mehrere Unternehmer eine echte Chance haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand der Feststellung nicht die Bejahung der echten Chance auf den Zuschlag ist, sondern umgekehrt der Umstand, dass keine echte Chance bestand. Es ist daher nicht Aufgabe des Landesverwaltungsgerichtes zu prüfen, wer als potenzieller Bestbieter für den Zuschlag in Betracht gekommen wäre (UVS Stmk, UVS 443.20-4/2004-6).
Der Kreis der Bieter, die eine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätten, ist in den in der Regel zweifelhaften Fällen weiter zu ziehen (vgl. Kraus, Der vergaberechtliche Rechtsschutz 71).
Ein Bieter, der vom Vergabeverfahren auszuschließen oder dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre, hat nicht nur keine echte, sondern überhaupt keine Chance auf Zuschlagserteilung (Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006 § 337 bzw. § 312). Bei weitem preislichem Abstand kann sogar das zweitgereihte Angebot keine echte Chance auf Zuschlagserteilung besitzen. Aufwändige Ermittlungsmethoden sind jedoch mit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes eine rasche Entscheidung der Vergabekontrollbehörde zu gewährleisten, nicht in Einklang zu bringen sind. Der feinere Maßstab wurde um der rascheren Entscheidung und der Effektivität des Rechtsschutzes Willen geopfert (Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006 § 337).
Die Antragstellerin hat im Feststellungsantrag eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises der Auftragnehmerin in den Raum gestellt; diesfalls wäre die Auftragnehmerin gemäß § 129 Abs 1 Z 3 BVergG auszuscheiden gewesen. Die Antragstellerin lag mit einem preislichen Abstand von 22,29% (Gesamtpreis) an zweiter Stelle.
Ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis liegt bereits dann vor, wenn die Differenz zwischen der Kostenermittlung des Auftraggebers bzw. dem Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote über 15 % (grobe Abweichung) beträgt (Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum BVergG 2006, § 125 RZ 28).
Die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers.
Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung ist der Auftraggeber verpflichtet, die vom Bieter im Rahmen des Aufklärungsgespräches abgegebenen Erklärungen kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Die Feststellung, dass es sich um angemessene und nicht spekulative Preise handelt, ist objektiv zu begründen. Aus dem Prüfbericht muss hervorgehen, dass die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind (Rindler in Gast, BVergG Leitsatzkommentar, E51 zu § 125).
Gegenständlich finden sich im Prüfbericht weder ein Hinweis, dass eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt wurde, noch wie vorgegangen wurde. Es wurde lediglich allgemein festgehalten, dass nach den Vorgaben den BVergG geprüft worden sei.
Die vertiefte Angebotsprüfung hat so detailliert und umfangreich zu sein, dass eine ausreichend begründete Schlussfolgerung, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann, möglich ist (Rindler in Gast, BVergG Leitsatzkommentar, E52 zu § 125).
Von der Verpflichtung zur vertieften Angebotsprüfung ist offensichtlich auch die Auftraggeberin selbst ausgegangen. Dokumentiert ist, dass sie entsprechend § 125 Abs 5 BVergG die Auftragnehmerin, zu einer schriftlichen Aufklärung hinsichtlich einzelner Positionen aufgefordert. Diese wurde auch fristgerecht erteilt und wurden in der Folge Aufklärungsgespräche geführt. Welche Überlegungen die Auftraggeberin hinsichtlich der Preisplausibilität in der Folge getätigt hat, ist in den Vergabeakten nicht dokumentiert und sind die Aufklärungsgespräche bzw. deren Inhalt und Ergebnis nicht dokumentiert.
Zwar ist der Auftraggeber im Unterschwellenbereich von einer Vorgangsweise nach § 125 Abs 5 BVergG befreit. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur BVergG-Novelle 2012 bedeutet dies jedoch nicht, dass der Auftraggeber von jeglicher Aufklärung befreit wird, sondern lediglich, dass eine formalisierte Vorgangsweise nicht erforderlich ist. Es liegt somit im Ermessen des Auftraggebers, in welcher Art und Weise er Aufklärung durch den Bieter verlangt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sowie der innerstaatlichen Vergabenachprüfungsinstanzen setzt der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Transparenz voraus, da ansonsten von der Nachprüfungsinstanz nicht geprüft werden könnte, ob er eingehalten wurde (EuGH 18.10.2011, Rs C-19/00 ; LVwG Stmk 15.01.2016, GZ: 443.16-2978/2015-36; VKS Wien 17.01.2013, VKS-145800/12). Die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen muss jedenfalls im Vergabeakt gewährleistet sein.
Die Auftraggeberin ist grundsätzlich verpflichtet, alle Schritte und Überlegungen, die zu einer Zuschlagsentscheidung führen, entsprechend zu dokumentieren, insbesondere ob und in welchem Umfang sie die Plausibilität von Preisen geprüft hat, insbesondere dann, wenn sich aus dem Vergleich von wesentlichen Positionen in Angeboten bedeutende Abweichungen ergeben .
Wenn eine vertiefte Angebotsprüfung erfolgt, ist vom Bieter Aufklärung über jene Preise des Angebots zu verlangen, die vertieft geprüft wurden. Die vom Bieter gegebene Aufklärung muss vom Auftraggeber überprüft werden. Da sich die Aufklärung grundsätzlich auf Positionsebene abspielt, ist auch positionsbezogen zu hinterfragen. Es ist daher konkret zu erfragen, welche Einzelpositionen auf welchen Gründen unplausibel oder unangemessen sind (vgl. Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum BVergG 2006 § 125 RZ 4). Bei der vertieften Angebotsprüfung gemäß § 125 Abs 4 BVergG handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung. Daher muss nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen werden, sondern nur grob geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (VwGH 29.03.2006, Zl.: 2003/04/0181). Dabei sind die Erklärungen des Bieters zu berücksichtigen und zu prüfen, ob der Preis mit dem Schätzwert übereinstimmt. Die Preisangemessenheit kann somit nur grob also überschlagsmäßig beurteilt werden. Es kommt auf eine nachvollziehbare und betriebswirtschaftlich erklärbare Preisgestaltung an. Sowohl Einzelpreise als auch der Gesamtpreis müssen betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sein.
Der von der Auftraggeberin am 29.02.2016 vorgelegte Vergabeakt lässt jegliche Auseinandersetzung mit dem Angebot der Auftragnehmerin vermissen. Vorgelegt wurde zunächst lediglich das Antwortschreiben der Zuschlagsempfängerin, daher konnte vom Landesverwaltungsgericht vorerst nicht nachvollzogen werden, welche Fragen an die Antragstellerin gestellt wurden. Überlegungen bezüglich der Preisplausibilität finden sich in diesem Vergabeakt nicht.
Im Zuge der öffentlich mündlichen Verhandlung wurde schließlich von der IG eine Mappe vorgelegt, in der sämtliche das Büro betreffende Überlegungen bzw. Unterlagen zum gegenständlichen Vergabeverfahren enthalten sind. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurden an verschiedenen Stellen des Preisspiegels in der Auflistung bei der Auftragnehmerin handschriftliche Vermerke angeführt, die allerdings zum Teil nicht leserlich sind. Die von der IG erstellten Vermerke sind nicht datiert und nicht unterschrieben. Wann daher diese Prüfung erfolgte, kann nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden. Im vorgelegten Akt finden sich auch zahlreiche Ausführungen zum Feststellungsverfahren und wurde der Akt ganz offensichtlich auch nach der Erteilung des Zuschlages weitergeführt.
Dass dem Gebot der Transparenz im Vergabeverfahren fundamentale Bedeutung zukommt, manifestiert sich nicht nur in der Festlegung des § 22 StVergRG, wonach bei Fehlern in der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung die Frage der Wesentlichkeit keine Rolle spielt. Die Transparenz spielt insbesondere auch bei der Wahl des Angebots für den Zuschlag eine entscheidende Rolle, da die Entscheidung des Auftraggebers, aus welchen Gründen er einem bestimmten Bieter den Zuschlag erteilen möchte, objektiv nachvollziehbar sein muss. Diese Nachvollziehbarkeit muss objektiv, somit für Dritte gegeben sein und ist gegenständlich die vertiefte Angebotsprüfung, die angesichts des Preisunterschiedes von 22,92 % des Gesamtpreises jedenfalls angezeigt war, nicht nachvollziehbar.
Zum einen sind in der Stellungnahme der IG vom 22.02.2016 angeführte Prüfschritte im Vergabeakt nicht ersichtlich; zahlreiche handschriftliche Anmerkungen, die nicht datiert und nicht unterschrieben sind, sind mangels Leserlichkeit für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar.
Klargestellt ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Vergabekontrollinstanz eben nicht die Bewertung der Angebote vornimmt bzw. durchprüft und allenfalls eine abweichende Bewertung anstelle des Auftraggebers vornimmt, was ohne Sachverständigen nicht möglich ist und dem Gegenfeststellungsverfahren als summarischem Verfahren zuwiderlaufen würde (Aicher in Schramm/Aicher/Thienel/Fruhmann, Kommentar zum BVergG 2006, § 337). Die Gegenfeststellung ist als summarisches Verfahren zu sehen, in dem den Schadenersatz vernichtend, dem Gegenfeststellungsantrag nur dann stattzugeben ist, wenn der Antragsteller offenkundig ohne Chance gewesen wäre.
Auch wenn bei preislich weitem Abstand unter Umständen das zweitgereihte Angebot keine echte Chance auf Zuschlagserteilung besitzt, kann dies im Falle einer nicht ausreichend nachvollziehbaren vertieften Angebotsprüfung, die aufgrund des Preisunterschiedes gesetzlich verpflichtend war, nicht gelten. Es ist nicht Aufgabe des Landesverwaltungsgerichtes, zu prüfen, wer als potenzieller Bestbieter für den Zuschlag in Betracht kommen würde bzw. die vertiefte Angebotsprüfung anstelle oder parallel zur Auftraggeberin durchzuführen. Auch das Bundesverwaltungsgericht vom 24.04.2015, W187 2101270-2, legte klar, dass es dem Verwaltungsgericht nicht zukommt, anstelle an der Auftraggeberin eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen, dies ist Aufgabe der Auftraggeberin. Das Bundesverwaltungsgericht führte im Übrigen weiters aus, dass lediglich die Erstellung eines Preisspiegels und eine Prüfung der Veränderung des Gesamtpreises bei Massenänderungen keine vertiefte Angebotsprüfung darstelle.
Somit kann mangels nachvollziehbarer Dokumentation nicht ausgeschlossen werden, dass die Auftraggeberin zu einem anderen Ergebnis (etwa dem Ausscheiden des Angebots der Auftragnehmerin) im gegenständlichen Vergabeverfahren gelangt wäre.
Auch wenn der Auftraggeberin nicht abgesprochen werden kann, dass ein (schriftliches und mündliches) Aufklärungsersuchen erfolgte, sind die Ergebnisse mangels entsprechender Dokumentation nicht nachvollziehbar.
Dem Antrag der Auftraggeberin, festzustellen, dass der Antragsteller auch bei Einhaltung der entsprechenden Bedingungen keine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, kann daher nicht stattgegeben werden.
Der Antrag wird abgewiesen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Punkt III.
Gemäß § 29 StVergRG haben vor den Landesverwaltungsgerichten – wenn auch nur teilweise – obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 28 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin/den Auftraggeber. Die Antragstellerin/der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren, wenn sie/er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Gemäß Abs 2 leg cit besteht ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung nur dann, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag nur wegen einer Interessensabwägung abgewiesen wurde.
Da die Antragstellerin mit ihrem Feststellungsantrag durchgedrungen ist, hat die Auftraggeberin ihr gemäß § 29 StVergRG die ordnungsgemäß entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 3.000,00 zu ersetzen.
Zu Punkt IV:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung steht im völligen Einklang mit der umfangreichen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie der Nachprüfungsinstanzen zu den Anforderungen für die von der Auftraggeberin durchzuführende Angebotsprüfung und den Konsequenzen einer unvollständig durchgeführten Angebotsprüfung bzw. den sonstigen im gegenständlichen Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen.
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