https://elibrary.verlagoesterreich.at/article/99.105005/pm200601004901
Vor 30 Jahren starb Hannah Arendt, eine der anregendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre kleine Schrift „Macht und Gewalt“ bietet eine wunderbare Gelegenheit, Kernkonzepte ihrer politischen Theorie kennen zu lernen, die auch für MediatorInnen durchaus relevant sind. Arendt unterscheidet präzise zwischen Macht und Gewalt. Macht entsteht immer zwischen Menschen, wenn sie zusammenkommen und gemeinsam („in concert“) handeln. Gehen sie auseinander, verschwindet auch diese Macht wieder, sofern sie nicht institutionell stabilisiert ist (wie z.B. im Parlament). Demgegenüber ist Gewalt immer instrumentell, also ein Mittel, mit dem man ein bestimmtes Ziel erreichen will. Gewalt kann, auch dann, wenn Gewaltmittel (Waffen) auf einen oder wenige konzentriert sind, sehr wirksam sein. Sie kann Macht vernichten, aber sie ist gänzlich außerstande, Macht zu erzeugen. Und daher ist signifikant, dass nackte Gewalt dort auftritt, wo Macht verloren ist, wo also die Unterstützung der Betroffenen fehlt. Mit Arendts positivem Machtbegriff lassen sich aktuelle Konflikte präzise analysieren und ermächtigende Strategien entwickeln. Mehr Beteiligung, sprich: mehr Macht, ist – wenn man Arendt folgt – das beste Mittel gegen Gewalt.