3.3.10.1 Allgemeines
Die Leistungen der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben (zB Kindergärten, Studentenheime, siehe Rz 486 bis 489), sowie die Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Theaters, von Musik- und Gesangsaufführungen, eines Museums, botanischen oder zoologischen Gartens oder Naturparks stehen (siehe Rz 490 bis 508), sind unecht steuerfrei, wenn sie ua. von Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, bewirkt werden. Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines begünstigungsschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden.3.3.10.2 Option zur Steuerpflicht
3.3.10.2.1 Option allgemein
Gemäß Artikel XIV BG, BGBl. Nr. 21/1995 idF BGBl. Nr. 756/1996 sind die Steuerbefreiungen für Jugendheime usw. (siehe Rz 486 bis 489), Theater, Musik- und Gesangsaufführungen, Museen usw. (siehe Rz 490 bis 508) sowie die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 25 UStG 1994, soweit sie sich auf die vorgenannten Leistungen bezieht, nicht anzuwenden, wenn der Unternehmer zur Steuerpflicht optiert (Näheres siehe Rz 484 und 485)3.3.10.2.2 Voraussetzungen für die Option
Kommt die Liebhabereivermutung nicht zur Anwendung (siehe Rz 464), können Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nur dann zur Steuerpflicht optieren, wenn für die jeweilige Tätigkeit (zB Studentenheim, Kindergarten, Theater, Museum, Musikaufführungen) die Umsätze jährlich regelmäßig 2.900 Euro übersteigen.3.3.10.2.3 Erklärung
Die Erklärung (Erklärungsmuster siehe Rz 871) ist bis zur Rechtskraft des Bescheides betreffend jenes Kalenderjahres abzugeben, für das die unechte Befreiung erstmals nicht angewendet werden soll.Unterhält ein Unternehmer mehrere Jugendheime bzw. Theater, Museen usw., kann die Erklärung auf einzelne Jugendheime bzw. Theater, Museen usw. beschränkt werden.Im Falle des Vorliegens der schriftlichen Erklärung oder des Bescheides unterliegen die Umsätze aus den angeführten Tätigkeiten, die die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 25 UStG 1994 erfüllen, dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 8 oder 14 UStG 1994).
Beispiel:
Ein begünstigter Kulturverein baut im Jahr 01 ein Museum mit Unterstützung der öffentlichen Hand. Die Gemeinde und das Land decken zum überwiegenden Teil die Baukosten. Die Einnahmen des Museumsbetriebes betragen (a) jährlich ca. 2.000 Euro, (b) jährlich ca. 5.000 Euro, (c) in den ersten Jahren der Bautätigkeit 2.500 Euro, danach jährlich ca. 6.000 Euro.
Im Fall (a) besteht keine Unternehmereigenschaft, da die Einnahmen unter 2.900 Euro liegen (siehe Rz 463).
Im Fall (b) übersteigen die Umsätze jährlich regelmäßig die 2.900 Euro-Grenze. Es kann auf die Befreiung durch Abgabe einer schriftlichen Erklärung verzichtet werden; in diesem Fall kann somit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 UStG 1994 ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Auf die Umsätze kann der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994) angewendet werden.
Das Gleiche gilt auch im Fall (c), obwohl in der Anfangsphase (für die Zeit der Bautätigkeit) die Umsätze 2.900 Euro noch nicht übersteigen, da die Umsätze erst nach Fertigstellung der Bauarbeiten für die 2.900 Euro - Grenze herangezogen werden.
3.3.11 Kleinunternehmer
3.3.11.1 Begriff
Rechtslage bis 31.12.2024Kleinunternehmer, das sind inländische Unternehmer, deren Umsätze - das sind Leistungsumsätze und der Eigenverbrauch - im Veranlagungszeitraum 35.000 Euro nicht überstiegen haben, sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 von der Umsatzsteuer unecht befreit. Hilfsgeschäfte, einschließlich der Geschäftsveräußerung im Ganzen sowie - mit Wirkung ab 1.1.2017 - Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und j, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 UStG 1994 steuerfrei sind, bleiben aber außer Ansatz. Ein Kleinunternehmer darf keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen und braucht keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Er ist aber auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei der Berechnung der 35.000 Euro-Umsatzgrenze ist nicht von der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer, sondern von der Besteuerung nach den allgemeinen Regelungen auszugehen. Somit stellt die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auf die Bemessungsgrundlage bei unterstellter Steuerpflicht (= Nettobetrag) ab
Rechtslage ab 1.1.2025
Voraussetzung für die Regelung ist gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zunächst, dass der Unternehmer sein Unternehmen im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat betreibt. Ein Unternehmer betreibt sein Unternehmen dort, wo der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt. Auf eine Betriebsstätte im Inland bzw. im Gemeinschaftsgebiet kommt es hingegen nicht an.
Weiters darf für die Anwendung der Befreiung die Kleinunternehmergrenze in Höhe von 55.000 Euro weder im laufenden noch im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten werden. Neben den oben genannten Voraussetzungen gelten für Unternehmer, die ihr Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat betreiben, zusätzliche Voraussetzungen (siehe hierzu UStR 2000 Rz 998 f).
Für Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, gilt die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung antragslos. Es besteht jedoch die Möglichkeit von der Befreiung zur Steuerpflicht zu optieren, siehe hierzu UStR 2000 Rz 1019 ff.
Hinsichtlich der für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze maßgeblichen Umsätze besteht kein Unterschied zu Rechtslage bis 31.12.2024. Anders als bei der bis 31.12.2024 geltenden Kleinunternehmerregelung ist jedoch bei der Berechnung der Kleinunternehmergrenze nicht auf eine unterstellte Steuerpflicht abzustellen.
Es besteht die Möglichkeit, dem Finanzamt schriftlich den Verzicht auf diese Steuerbefreiung zu erklären (Antrag mit dem Formular U 12 oder mit selbsterstelltem Schreiben).3.3.11.2 Toleranzgrenze
Rechtslage bis 31.12.2024Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% (= maximal 40.250 Euro) innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich.
Rechtslage ab 1.1.2025
Wird die Kleinunternehmergrenze um nicht mehr als 10% überschritten, so kann die Befreiung noch bis zum Ende des Kalenderjahres in Anspruch genommen werden (Toleranzregelung). Wird die Kleinunternehmergrenze um mehr als 10% überschritten, so entfällt die Befreiung mit diesem Zeitpunkt sofort. Dh. für jenen Umsatz, mit dem die 10% Toleranzgrenze überschritten wird sowie für alle danach ausgeführten Umsätze, ist die Befreiung nicht mehr anwendbar (siehe hierzu UStR 2000 Rz 996).
3.3.11.3 Maßgebliche Umsätze für die Berechnung
Sofern die im Rahmen von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nach § 45 Abs. 1 und 2 BAO ausgeübten Tätigkeiten als nichtunternehmerisch (Liebhaberei) beurteilt werden (siehe Rz 463), sind sie für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 außer Ansatz zu lassen. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Gewerbebetriebe bzw. wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gemäß § 45 Abs. 3 BAO, sofern die Umsätze (§ 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994) aus diesen Betrieben im Veranlagungszeitraum insgesamt nicht mehr als 7.500 Euro betragen. Eine Vermögensverwaltung fällt nicht unter die Vermutung, dass es sich hierbei um eine nichtunternehmerische Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 handelt und ist daher für die Berechnung der Kleinunternehmergrenze miteinzubeziehen.Beispiel:
Einnahmen eines gemeinnützigen Fußballvereines im Jahr 01: Mitgliedsbeiträge 1.500 Euro, Einnahmen aus dem Spielbetrieb als Zweckverwirklichungsbetrieb 20.000 Euro, Einnahmen vom Faschingsball des Vereins 10.000 Euro, Einnahmen aus einer Kantine 30.600 Euro (darin enthalten sind 10-prozentige Umsätze im Umfang von 6.000 Euro netto), Einnahmen aus der Vermietung eines Geschäftsraumes 3.000 Euro.
Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen unterliegen mangels Leistungsaustausches nicht der Umsatzsteuer. Hinsichtlich der Einnahmen aus dem Spielbetrieb (unentbehrlicher Hilfsbetrieb) und dem Faschingsball (entbehrlicher Hilfsbetrieb) bleibt es bei der Liebhabereivermutung (vgl. Rz 463, da der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass er diese Umsätze unternehmerisch behandeln will (vgl. Rz 464 sowie Rz 520). Diese sind somit auch nicht umsatzsteuerbar und werden daher in die Kleinunternehmergrenze nicht miteingerechnet. Bei Vermietung eines Gebäudes greift die spezielle Befreiungsbestimmung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994. Das heißt, dass keine Umsatzsteuer anfällt, die steuerbefreiten Umsätze müssen aber in die Berechnung für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze miteinbezogen werden. Die Kantine ist grundsätzlich steuerpflichtig (siehe Rz 281). Für die Beurteilung, ob die Kleinunternehmergrenze überschritten wurde, sind die Umsätze aus der Vermietung (3.000 Euro) und aus der Kantine [6.000 Euro (zu 10%) und 20.000 Euro (zu 20%)] heranzuziehen. Der für die Anwendung der Kleinunternehmergrenze maßgebliche Umsatz beträgt daher 29.000 Euro. Die Kleinunternehmergrenze wurde somit nicht überschritten; die Umsätze aus der Kantine sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 unecht steuerfrei.
3.3.11.4 Option
Der Verein kann gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 durch eine schriftliche, beim Finanzamt einzureichende Erklärung bis zur Rechtskraft des Bescheides auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichten und damit zu der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes optieren. Diese Erklärung bindet ihn aber mindestens 5 Jahre. Gibt der Unternehmer eine derartige Optionserklärung ab und bezieht er diese ausdrücklich auch auf die Umsätze seiner wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe gemäß § 45 Abs. 1 und 2 BAO, bringt er damit gleichzeitig zum Ausdruck, dass er die Liebhabereivermutung nach Rz 463 erster Satz nicht anwenden will. Handelt es sich hingegen ausschließlich um Tätigkeiten iSd § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung ist eine Option zur Regelbesteuerung nur möglich, wenn die Liebhabereivermutung widerlegt werden kann (vgl. Rz 465).3.3.11.5 Sonderregelung für EU-Kleinunternehmer
Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, haben die Möglichkeit über ein eigens hierfür eingerichtetes Portal die Kleinunternehmerbefreiung in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen. Siehe hierzu UStR 2000 Rz 3972 ff.3.4 Ermäßigter Umsatzsteuersatz
3.4.1 Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994) gilt für Leistungen der Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 47 BAO), soweit diese Leistungen nicht unter § 6 Abs. 1 UStG 1994 (Steuerbefreiungen) fallen. Eine Steuerbefreiung (zB gemäß § 6 Abs. 1 Z 25 UStG 1994 für gemeinnützige Jugendheime, Theater usw., siehe Rz 509) geht somit vor. Optiert jedoch die gemeinnützige Vereinigung, deren Umsätze grundsätzlich unter § 6 Abs. 1 Z 25 UStG 1994 fallen, zur Steuerpflicht (siehe Rz 510), kann der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994) zur Anwendung kommen.3.4.2 Nicht von der Begünstigung umfasste Umsätze
3.4.2.1 Begünstigungsschädliche Geschäftsbetriebe
§ 10 Abs. 2 Z 4 zweiter Satz UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994) nimmt Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines begünstigungsschädlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden, ausdrücklich von der Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes für begünstigte Rechtsträger aus.Die Erteilung einer bescheidmäßigen Ausnahmegenehmigung gemäß § 44 Abs. 2 BAO bzw. die automatische Ausnahmegenehmigung gemäß § 45a BAO soll nur jene Rechtstellung wiederherstellen, die vor Führung des begünstigungsschädlichen Geschäftsbetriebes oder des Gewerbebetriebes bestanden hat (siehe Rz 192).Daher bewirkt eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 45a BAO oder die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung durch Bescheid gemäß § 44 Abs. 2 BAO nicht etwa, dass der begünstigungsschädliche Geschäftsbetrieb oder der Gewerbebetrieb, für welchen die Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994 (bis 31.12.2015: § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994) zu unterziehen wäre, sondern verhindert lediglich den Wegfall dieser Begünstigung für Leistungen, die der Verein im Rahmen von vermögensverwaltenden Tätigkeiten sowie von unentbehrlichen und entbehrlichen Hilfsbetrieben erbringt.