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10.2.2. Sonderbestimmungen

BMF2025-0.445.56724.6.2025

Rz 195
Im Zusammenhang mit vorläufigen Bescheiden enthält die BAO zwei Sonderbestimmungen, nämlich § 208 Abs. 1 lit. d BAO (Verjährungsbeginn) und § 209 Abs. 4 BAO (absolute Verjährung).

Rz 196
Nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

Maßgebend ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Wegfalles der Ungewissheit (zB VwGH 17.4.2008, 2007/15/0054), unabhängig davon, ob und wann die Partei oder die Abgabenbehörde hievon Kenntnis erlangte.

Wurde ein Bescheid vorläufig erlassen, obwohl keine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO vorgelegen ist, und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, beginnt nach der Rechtsprechung die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Bescheid erlassen wurde (VwGH 6.11.2023, Ra 2021/16/0085; VwGH 27.2.2014, 2010/15/0073, mwN).

Kommt die Ungewissheit durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck, erfasst sie insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO (späterer Verjährungsbeginn) vor, wenn der Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2019/15/0153; VwGH 29.1.2015, 2012/15/0121). Zwar unterliegt die Erlassung von Feststellungsbescheiden selbst grundsätzlich nicht der Festsetzungsverjährung des § 207 Abs. 1 BAO, sodass § 207 BAO keine Grenze für deren Erlassung bietet. Allerdings ist für den Beginn und damit den Lauf der Verjährungsfrist für das Einkommensteuerverfahren die oben beschriebene Durchschlagswirkung einer vorläufigen Feststellung durch § 208 Abs. 1 lit. d BAO zeitlich befristet, wonach die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde (VwGH 20.3.2024, Ra 2023/15/0065).

Rz 197
Die absolute Verjährungsfrist beträgt nach § 209 Abs. 3 BAO zehn Jahre (ab Entstehung des Abgabenanspruches).

Hievon abweichend verjährt das Recht, eine gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 209 Abs. 4 BAO).

Die absolute Verjährung legt lediglich die äußerste zeitliche Grenze für die Abgabenfestsetzung fest und begrenzt damit insbesondere die (mehrfachen) Verlängerungsmöglichkeiten der Verjährungsfristen des § 207 BAO. Ungeachtet der offenen absoluten Verjährung iSd § 209 Abs. 4 BAO ist daher entscheidend, ob - auch unter Berücksichtigung allfälliger Verlängerungsjahre - nicht bereits die Festsetzungsverjährungsfrist des § 207 BAO abgelaufen ist (VwGH 21.10.2020, Ra 2019/15/0153).

Wurde ein vorläufiger Abgabenbescheid rechtskräftig erlassen, ist es für die Anwendbarkeit des § 209 Abs. 4 BAO unerheblich, ob tatsächlich eine Ungewissheit iSd § 200 Abs. 1 BAO bestanden hat, weil eine fehlende tatsächliche Ungewissheit einer Endgültigerklärung nicht entgegensteht (VwGH 20.3.2024, Ra 2023/15/0065).

Die absolute Verjährungsfrist von 15 Jahren (§ 209 Abs. 4 BAO) kann auch dann zur Anwendung kommen, wenn der endgültige Bescheid nach einem vorläufigen Bescheid auf einen anderen Verfahrenstitel als jenen des § 200 Abs. 2 BAO gestützt wurde (zB auf die Verfügung einer Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO; VwGH 21.10.2020, Ra 2019/15/0153).

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