4.1. Abgabenbehördliche Berichtigungen
4.1.1. Einleitung
Entsprechen die Verrechnungspreise eines multinationalen Konzerns nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, so kann die Abgabenbehörde in einem Land den Gewinn eines verbundenen Unternehmens berichtigen (Primärberichtigung). Im anderen betroffenen Land muss sodann der Gewinn des anderen verbundenen Unternehmens im Wege einer Gegenberichtigung korrigiert werden, um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (primäre Gegenberichtigung). Diese primäre Gewinnkorrektur (Erhöhung oder Kürzung), welche in Österreich auf Basis von § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA erfolgt, hat zwangsläufig eine Rückwirkung auf das steuerliche Betriebsvermögen der betroffenen Konzerngesellschaft, welche durch den Ansatz einer Verrechnungspreisforderung oder -verbindlichkeit zum Ausdruck kommt. Scheidet diese Art der Sekundärberichtigung aus (siehe Rz 509), so ist zu prüfen, ob als Sekundärberichtigung eine verdeckte Ausschüttung oder eine verdeckte Einlage im Sinne von § 8 KStG 1988 vorliegt.4.1.2. Primärberichtigungen
Werden auf der Grundlage von § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA bei einem multinationalen Konzern die Gewinne der inländischen Konzerngesellschaft wegen eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz erhöht, stellt dies die Primärberichtigung dar.Beispiel:
Die österreichische T-GmbH (Tochtergesellschaft) erzeugt für die amerikanische M-Corp (Muttergesellschaft) Produkte, die von der amerikanischen M-Corp vertrieben werden. Im Zuge einer die Jahre X1 bis X3 umfassenden Außenprüfung bei der T-GmbH kommen die österreichischen Prüfungsorgane im Jahr X5 zu dem Ergebnis, dass Produktentwicklungskosten doppelt nach Österreich belastet worden sind, einmal im Wege einer besonderen Lizenzgebühr und ein zweites Mal dadurch, dass Teile der durch die Lizenzgebühr abgedeckten Entwicklungskosten auch in einer nach Österreich verrechneten Kostenumlage enthalten waren. Bei ordnungsgemäßer Verrechnungspreisgestaltung hätte der Gewinn der österreichischen Tochtergesellschaft um 100.000 höher ausfallen müssen. Der Gewinn der österreichischen T-GmbH wird daraufhin für die Jahre X1 bis X3 im Prüfungsverfahren um insgesamt 300.000 erhöht (Primärberichtigung).
Beispiel:
Die im vorstehenden Beispiel bei der T-GmbH für die Jahre X1 bis X3 vorgenommene Gewinnerhöhung von 300.000 muss grundsätzlich zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung bei der M-Corp in den USA führen, wenn beide Vertragsstaaten eine Einigung über die sachliche Richtigkeit der Korrekturmaßnahme erzielen. Hierbei verlangt es das Prinzip der korrespondierenden Gegenberichtigung, dass diese periodengerecht auf die Jahre X1 bis X3 verteilt wird; und zwar auch dann, wenn die T-GmbH den Betrag von 300.000 erst im Jahr X5 von der M-Corp rückfordert.
Ein Antrag gemäß § 48 Abs. 5 BAO kommt für eine korrespondierende Gegenberichtigung nicht in Betracht, da die Bestimmung im Falle einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nicht anwendbar ist (VwGH 30.6.2021, Ra 2021/15/0042).
Auch seitens des Abgabepflichtigen sind zur Herstellung eines fremdvergleichskonformen Zustands nachträgliche (d.h. nach Einreichung der Steuererklärung und Festsetzung der Steuer) Korrekturen der Verrechnungspreise in Österreich möglich, sofern dies die Verfahrensvorschriften (siehe Rz 503) zulassen (Hinweis auf OECD-MK Art. 9 Z 6.1). Begehrt der Abgabepflichtige eine Gegenberichtigung in Österreich, um nachträglich im Ausland selbst vorgenommene Korrekturen (zB zur Beseitigung von Schreib- oder Rechenfehlern) zu berichtigen, so gelten die Ausführungen der voranstehenden Randziffern. Ist keine korrespondierende Gegenberichtigung möglich und kommt es dadurch zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, kann diese im Wege eines Verständigungsverfahrens beseitigt werden (Rz 525).Handelt es sich bei den fremdunüblichen Leistungsbeziehungen um solche zwischen einer niedrigbesteuerten beherrschten ausländischen Körperschaft und ihrer inländischen beherrschenden Körperschaft (bzw. weiteren inländischen verbundenen Unternehmen), so geht die Verrechnungspreiskorrektur gemäß § 6 Z 6 EStG 1988 der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 10a KStG 1988 vor (KStR 2013 Rz 1248ac). Bei der Ermittlung des Einkommens der ausländischen Körperschaft zur Feststellung einer möglichen Niedrigbesteuerung ist daher der fremdübliche Verrechnungspreis anzusetzen, sofern eine fremdunübliche Leistungsbeziehung zwischen der ausländischen Körperschaft und ihrer inländischen beherrschenden Körperschaft bereits zu einer Verrechnungspreiskorrektur im Inland geführt hat (KStR 2013 Rz 1248ay). Auch bei der sinngemäßen Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Passiveinkünfte ist der fremdübliche Verrechnungspreis anzusetzen (KStR 2013 Rz 1248ds).Die vorstehenden Grundsätze gelten sinngemäß auch für Unternehmen, die grenzüberschreitend durch Betriebsstätten tätig sind.