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13. Inhalt der Urkunde - Urkundenprinzip (§ 17 GebG)

BMF2025-0.125.2831.4.2025

13.1. Unwiderlegbare Vermutung bei deutlichem Urkundeninhalt - Gegenbeweis bei undeutlichem Urkundeninhalt

13.1.1. Unwiderlegbare Vermutung bei deutlichem Vertragsinhalt

Rz 1083
Das Urkundenprinzip besagt, dass

  • die Gebührenpflicht grundsätzlich an das Vorhandensein einer Schrift gebunden ist,
  • für die Feststellung der Gebührenpflicht ausschließlich der Inhalt der Schrift maßgebend ist.

Rz 1084
Für die Festsetzung der Gebühr ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgeblich (VwGH 15.11.1984, 83/15/0181). Die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Rechtsgeschäftes ist unbedeutend (VwGH 15.3.2001, 2000/16/0115).

Rz 1085
Für das Entstehen der Gebührenschuld kommt es weder auf die Schreibweise, in der die Schrift abgefasst ist, noch auf die Absicht des Verfassers an, ob er ein Rechtsgeschäft bezeugen wollte oder nicht.

Rz 1086
Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird, wie zB allgemeine Geschäftsbedingungen, unabhängig davon, ob diese Schriften, auf die in der Urkunde hingewiesen wird, der Urkunde angeschlossen sind oder nicht. Mündlich getroffene (weitere) Verabredungen sind jedoch gebührenrechtlich unbeachtlich. Ebenso unbeachtlich sind andere, nicht aus der Urkunde oder aus einer bezugnehmenden Schrift hervorgehende Tatsachen oder Abreden, wie die Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes oder zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben. Auf andere Urkunden ist nur dann Bedacht zu nehmen, wenn dem Gebührenschuldner ein Gegenbeweis zusteht (siehe Rz 1090) oder wenn eine Schrift über einzelne gebührenrechtlich bedeutsame Umstände (zB über das Ausmaß der zu erbringenden Leistung) keine Angaben enthält, ohne dabei den Urkundencharakter zu verlieren. In diesem Fall sind die fehlenden Umstände in einem Ermittlungsverfahren, erforderlichenfalls an Hand anderer Urkunden, festzustellen.

Rz 1087
Für die Gebührenfestsetzung sind unter Berücksichtigung des Urkundenprinzips andere als im Urkundeninhalt festgehaltene Umstände nicht zu berücksichtigen, auch wenn diese den tatsächlichen Vereinbarungen entsprechen (VwGH 17.3.1986, 84/15/0158). Weiters ist unmaßgeblich, ob die Vereinbarung in weiterer Folge aufrechterhalten und ob und wie sie ausgeführt wird. Nähere Ausführungen siehe Rz 1099 ff.

Rz 1088
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise der BAO tritt in Hinblick auf die im Gebührenrecht vorherrschende formale Betrachtungsweise in den Hintergrund (VfGH 8.5.1980, V 14/80, VfSlg 8.807; UFS 11.7.2005, RV/0495-G/02).

Rz 1089
Bei Beurkundung eines Rechtsgeschäftes in einem Anbot- und einem Annahmeschreiben ist grundsätzlich der Inhalt des Anbotschreibens maßgeblich. Ein änderndes oder ergänzendes Annahmeschreiben ist als Gegenofferte zu qualifizieren und löst in Verbindung mit dem ursprünglichen Anbot noch keine Gebührenpflicht aus. Eine Gebührenpflicht entsteht erst mit schriftlicher Annahme der Gegenofferte.

13.1.2. Gegenbeweis bei undeutlichem Urkundeninhalt

Rz 1090
Bei einem Urkundeninhalt, der im Hinblick auf die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühr bedeutsamen Umstände undeutlich ist, wird bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat (VwGH 8.9.1983, 82/15/0030; VwGH 15.9.1986, 85/15/0375).

Rz 1091
Der Gegenbeweis kann nur bei unklaren Textierungen des Urkundeninhaltes bzw. dessen Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit (VwGH 18.6.2002, 2001/16/0591), also wenn die Urkunde Aussagen enthält, die verschiedene Deutungen zulassen, geführt werden.

Rz 1092
Enthält die Urkunde nicht alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände, sodass die Besteuerungsgrundlage nicht allein aus dem Urkundeninhalt ermittelt werden kann, und liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GebG vor, ist der maßgebliche Sachverhalt in einem Ermittlungsverfahren festzustellen. So wird zB durch die Nichtanführung der Höhe des Entgeltes die Urkunde bloß unvollständig, aber nicht undeutlich, weshalb die nicht beurkundeten Umstände in einem Ermittlungsverfahren festzustellen sind.

Rz 1093
Geht aus einer über ein Sicherungsgeschäft errichteten Urkunde weder hervor, dass alle für die Befreiungsbestimmung nach § 20 Z 5 GebG (siehe Rz 1120 ff) maßgeblichen Tatsachen vorliegen noch werden Umstände beurkundet, die die Befreiung ausschließen würden, so ist die Gebührenpflicht zwar zu vermuten, ein Gegenbeweis ist jedoch zulässig (VwGH 10.6.1991, 90/15/0026).

Rz 1094
Den Gegenbeweis hat der Abgabepflichtige zu erbringen. Wird kein Gegenbeweis angeboten, ist die Behörde auf Grund der gesetzlichen Beweislastumkehr nicht zu weiteren Ermittlungen oder Feststellungen verpflichtet. Eines förmlichen Beweisantrages durch den Abgabenpflichtigen bedarf es jedoch nicht (VwGH 25.2.1993, 92/16/0159).

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