Beispiel:
Ein inländischer Konzern entwirft, fertigt und vertreibt Markenbekleidung. Der Markenname stellt ein hochwertiges immaterielles Wirtschaftsgut dar. Zur Erlangung einer Kosteneinsparung wird ein inländisches Fertigungswerk geschlossen und die von diesem betriebene Produktion in eine im Niedriglohnland X neu gegründete Konzerngesellschaft X-Ltd. ausgelagert. X-Ltd. liefert ihre gesamte Produktion an die inländische Konzerngesellschaft, die - wie vor der Unternehmensumstrukturierung - weiterhin den in- und ausländischen Vertrieb besorgt. X-Ltd. ist ein bloßes Lohnfertigungsunternehmen und steht in starker Konkurrenz zu vielen anderen Lohnfertigern in X. Die durch die Funktionsauslagerung bewirkte Erhöhung des Konzerngewinns verbleibt daher dem inländischen Konzernunternehmen und kann nicht in das Niedriglohnland verlagert werden.
Standortvorteile werden am Markt regelmäßig dann an den Transaktionspartner (Kunden) weitergegeben, wenn sie im Rahmen von Leistungen entstehen, die in einem stark kompetitiven Wettbewerbsumfeld erbracht werden und die leicht substituierbar sind, sodass der Anbieter einem starken Preisdruck unterliegt (Z 9.129 und Z 9.131 OECD-VPL). Wenn der Anbieter hingegen über besonderes (anwendungsspezifisches) Know-how verfügt, wenige bis keine Marktteilnehmer in direkter Konkurrenz stehen oder nur geringer Preisdruck herrscht, dann werden Standortvorteile unter fremden Dritten grundsätzlich nicht über reduzierte Preise weitergegeben (siehe das Beispiel in Z 9.131 OECD-VPL).
Im Bereich der Auftragsforschung ist daher sorgfältig zu prüfen, ob ein Wechsel zwischen Dienstleistungsanbietern nur mit großem Aufwand und unter Inkaufnahme von Effizienzverlusten möglich ist und ob hohe Eintrittsbarrieren am Markt herrschen (zB aufgrund langer Zertifizierungsprozesse vor Inbetriebnahme von präklinischen Forschungseinrichtungen in der Pharmaindustrie). Bei konzerninterner Auftragsforschung verfügt das Forschungs- und Entwicklungspersonal üblicherweise über besonderes anwendungsspezifisches Know-how, womit eine entsprechende Verhandlungsmacht des konzerninternen Auftragsforschers einhergeht. Daher führt die Analyse der Markt- und Wettbewerbsbedingungen in der Regel zu dem Ergebnis, dass die Weitergabe von Vorteilen aus der österreichischen Forschungsprämie über Preisreduktionen an den konzerninternen Auftraggeber nicht sachgerecht erscheint. Wenn im Ausnahmefall durch geeignete Dokumentation glaubhaft gemacht wird (Rz 402 ff), dass Vorteile aus der österreichischen Forschungsprämie zwischen fremden Dritten in vergleichbaren Umständen ganz oder teilweise weitergereicht werden, können vergleichbare Überlegungen für eine sachgerechte Aufteilung zwischen Konzernunternehmen angestellt werden.
Beispiel:
Ein Pharmakonzern betreibt über eine österreichische Konzerngesellschaft Auftragsforschung, welche mit speziell qualifizierten Mitarbeitern, die über besonderes Know-how verfügen, durchgeführt wird. Der österreichische Standort fungiert im Konzern als Kompetenzzentrum für spezielle anwendungsorientierte Entwicklungen. Die Forschungsaktivität erfüllt die Voraussetzung von § 108c EStG 1988, sodass der österreichischen Konzerngesellschaft eine Forschungsprämie zusteht. Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode erweist sich als zweckmäßigste Verrechnungspreismethode (Hinweis auf Rz 50). Aufgrund der Hochwertigkeit der Forschungsleistung wird auf Basis einer Vergleichbarkeitsstudie ein Gewinnaufschlag in Höhe von 12% vereinbart. Die durch die Forschungsprämie entstehenden standortgebundenen Kostenvorteile müssen dann nicht (ganz oder teilweise) über niedrigere Verrechnungspreise (durch eine Reduktion der zu entschädigenden Kostenbasis) an den Auftraggeber weitergegeben werden, wenn die relative Verhandlungsmacht der österreichischen Gesellschaft aufgrund mangelnder vergleichbarer Konkurrenz hoch ist, oder wenn zwar Vergleichsunternehmen (andere Auftragsforscher in der Branche) identifiziert werden, diese jedoch keinen Preisrabatt aufgrund der bezogenen Forschungsprämie gewähren.
Selbst bei vergleichbaren Förderungen in anderen Staaten wird bei der Anwendung einer kostenbasierten Verrechnungspreismethode im Rahmen einer Vergleichbarkeitsanalyse darauf Bedacht zu nehmen sein, dass unterschiedliche Bilanzierungsmethoden bei Subventionen zu Unterschieden bei der dem Gewinnaufschlag zu Grunde liegenden Kostenbasis führen, insbesondere wenn bilanzielle Wahlrechte zu einer Saldierung zwischen dem Brutto-Forschungs- und Entwicklungsaufwand mit der darauf entfallenden Subvention führen.
Im Rahmen von unvorhergesehenen Notsituationen gewährte staatliche Nothilfen bzw. Zuschüsse von öffentlicher Hand (zB verschiedene Covid-19-Förderungen), deren Ziel etwa die Sicherstellung der Unternehmensfortführung ist, können Teil der Marktbedingungen sein, in denen Konzerngesellschaften handeln (sonstige Merkmale lokaler Märkte im Sinne von Kapitel I Abschnitt D.6.2. der OECD-VPL; siehe auch Z 70 der OECD Covid-19-VP-Richtlinien). Merkmale des lokalen Markts sollten bei der Verrechnungspreisfindung vordergründig dadurch berücksichtigt werden, dass Vergleichsunternehmen aus demselben Markt herangezogen werden. Ist dies nicht möglich, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Nothilfen bei der Vergleichbarkeitsanalyse grundsätzlich im Rahmen etwaiger Anpassungsrechnungen zu berücksichtigen, sofern verlässliche Anpassungen zur Verbesserung der Vergleichbarkeit ermittelt werden können (Z 1.164 OECD-VPL). Im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse sind neben den Charakteristika der staatlichen Nothilfen bzw. Zuschüsse (Dauer, Rechtsanspruch, Zweck, Gewährungszeitpunkt) auch die Marktposition des empfangenden Unternehmens (Wettbewerbssituation), die Nachfrage am relevanten Markt sowie das Funktions- und Risikoprofil der an der Transaktion beteiligten Konzernunternehmen zu berücksichtigen (siehe auch Z 74 der OECD Covid-19-VP-Richtlinien). Wenn durch geeignete Dokumentation glaubhaft gemacht wird (Rz 402 ff), dass die staatlichen Nothilfen zwischen fremden Dritten in vergleichbaren Umständen ganz oder teilweise weitergereicht werden, können vergleichbare Überlegungen für eine sachgerechte Aufteilung zwischen Konzernunternehmen angestellt werden (Rz 199).Durch staatliche Zuschüsse bzw. Nothilfen werden zwar die quantitativen Auswirkungen des Eintrittes von Risiken abgemildert, es ändert sich aber nicht das konzerninterne Funktions- und Risikoprofil der an der Transaktion beteiligten Konzerngesellschaften. Das Funktions- und Risikoprofil ist ein wesentliches Kriterium dafür, ob staatliche Zuschüsse bzw. Nothilfen bei der Ermittlung der konzerninternen Verrechnungspreise zu berücksichtigen sind (siehe auch Z 80 ff der OECD Covid-19-VP-Richtlinien).
Liegen keine verlässlichen Vergleichsdaten vor und können auch keine verlässlichen Anpassungen vorgenommen werden, so sind staatliche Zuschüsse bzw. Nothilfen als nicht planbare Vorteile zu qualifizieren, die von der inländischen Konzerngesellschaft nicht in ihrer Preisstrategie berücksichtigt werden können (insbesondere bei ex-post gewährten Nothilfen, auf die grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht), sodass eine Weitergabe an den Konzernauftraggeber über den Verrechnungspreis ausgeschlossen ist.
Beispiel:
Wird das Marktrisiko von einer inländischen Vertriebsgesellschaft mit eingeschränktem Funktions- und Risikoprofil in Nicht-Krisenzeiten vereinbarungsgemäß von einem ausländischen Prinzipal getragen, dann ergibt sich durch staatliche Ersatzleistungen für einen krisenbedingten Umsatzausfall auf Grund eines bloßen Nachfragerückganges keine Änderung des Funktions- und Risikoprofils der beteiligten Konzerngesellschaften. Der Prinzipal trägt weiterhin das Risiko von Umsatzeinbrüchen und die staatliche Nothilfe reduziert nicht die Vergütung für die Vertriebstätigkeit; dh. die staatliche Nothilfe ist nicht zu Gunsten des ausländischen Prinzipals bei der Verrechnungspreisbildung zu berücksichtigen. Zudem handelt es sich um eine ex-post Förderung, die erst nach dem Eintritt des Marktrisikos beantragt und gewährt werden kann und daher typischerweise in Preiskalkulationen unter fremden Marktteilnehmern keine Berücksichtigung findet.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie variieren teils erheblich zwischen Märkten, Branchen und Unternehmen. Auch Covid-19-Förderungen wirken nicht für alle Unternehmen gleich. Daher ist zeitnah zu dokumentieren, wie und in welchem Ausmaß Steuerpflichtige tatsächlich betroffen sind. Bei der Verrechnungspreisanalyse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der OECD-VPL vorzugehen, wobei insbesondere eine sorgfältige Abgrenzung von Geschäftsvorfällen notwendig ist, um die Konzerngesellschaft zu identifizieren, die die im Rahmen einer Transaktion relevanten Risiken trägt.