VwGH 2008/05/0175

VwGH2008/05/01753.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dkfm. A S in Wien, vertreten durch Dr. Wolfram Proksch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 11, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Juni 2008, Zl. BOB-197/08, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: B K in W, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §63 Abs1 litc;
BauO Wr §63;
BauO Wr §70 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §63 Abs1 litc;
BauO Wr §63;
BauO Wr §70 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.383,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von 1/28 Anteilen der Liegenschaft in Wien, W Straße 20. Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümer von 27/28 Anteilen dieser Liegenschaft.

Am 3. Jänner 2008 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch eine Architektin, ein Bauansuchen auf Bewilligung der Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben auf der genannten Liegenschaft betreffend "Atelier und Zubau" ein.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2008 wurde er vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, die Baupläne versehen mit der Unterschrift aller Grundeigentümer der Liegenschaft nachzureichen, weil die Zustimmung der mitbeteiligten Partei fehle. In seiner Antwort vom 11. Februar 2008 vertrat der (nunmehr rechtsfreundlich vertretene) Beschwerdeführer die Auffassung, dass diese Unterschrift der mitbeteiligten Partei nicht erforderlich sei; bereits der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei habe für sich und seine Rechtsnachfolger im Kaufvertrag, den er mit dem Beschwerdeführer 1984 abgeschlossen habe, unwiderruflich die Erklärung abgegeben hat, dass er einer Bauführung des Beschwerdeführers auf der Liegenschaft unwiderruflich zustimme und gleichzeitig der angesprochenen Architektin Vollmacht erteile, in diesem Sinn entsprechende Zustimmungen zu erteilen.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 12. März 2008 die Bewilligung zur Abweichung von seinerzeit bewilligten Bauvorhaben (dritter Planwechsel) mit folgendem Spruch erteilt:

"Nach Maßgabe des mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Planes, der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet, wird gemäß § 70 und § 73 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 68 Abs. 1 BO, die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft abweichend von dem mit Bescheid vom 24. Juli 1989, Zl.: MA 37/9 - W Straße 20/2/1986 und den Bewilligungen zur Abweichung von der Baubewilligung vom 20. Jänner 1993, Zl.: MA 37/9 - W Straße 20/2236/1992 und vom 26. April 1995, Zl.: MA 37/9 - W Straße 20/321/1993 bewilligten Bauvorhaben nachstehende Änderungen vorzunehmen:

Im hofseitigen Ateliergebäude wird durch Versetzen der Scheidewände die Raumeinteilung geändert, wobei neue Abstellräume und Nassräume sowie ein Heizraum geschaffen werden. Weiters wird die Gestaltung der Gartenfront teilweise geändert.

Die Dachkonstruktion samt Gesims wird abgetragen und durch eine neue Dachkonstruktion ersetzt, wobei die Gebäudehöhe geringfügig verringert wird. Weiters werden die Gauben in ihrer Form und Lage geändert.

Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."

An die Erteilung der Baubewilligung wurde eine Reihe von Vorschreibungen geknüpft.

2. In der dagegen eingebrachten Berufung wendete die mitbeteiligte Partei (zusammengefasst) ein, dass ihre Zustimmung zum vorliegenden Bauvorhaben nicht gegeben sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung stattgegeben und die beantragte Bewilligung zur Abweichung von den seinerzeitigen Baubewilligungen versagt.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass auf Grund der eindeutigen Ausführungen in der Berufung, wonach die mitbeteiligte Partei als Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft die projektierten baulichen Änderungen nicht akzeptiere, die Zustimmung aller Miteigentümer zu dem gegenständlichen Bau vor dem Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde iSd § 63 Abs. 1 lit. c BO nicht vorliege. Der Hinweis auf den Kaufvertrag aus dem Jahr 1984, vermöge die nach der BO erforderliche Zustimmung nicht zu ersetzen. Es genüge nicht, dass sich der Grund(mit)eigentümer in einem Vertrag "unwiderruflich verpflichtet" habe, "Ansuchen zur Vornahme von Adaptierungen und baulichen Veränderungen um Erteilung von Baubewilligungen zu unterzeichnen" bzw. (wie im Beschwerdefall vorgebracht) "einer Bauführung auch im größeren Stil bis zu 200 m2 verbauter Fläche pro Ebene zuzustimmen". Ob auf Grund dieses Vertrags die Zustimmung des (nunmehrigen) Grund(mit)eigentümers zu der Bauführung allenfalls in einem gerichtlichen Verfahren erzwungen werden könnte, sei keine Vorfrage im Baubewilligungsverfahren. Da die für die Erteilung einer Baubewilligung erforderliche Zustimmung sämtlicher Grundmiteigentümer nicht vorliege, sei der Berufung Folge zu geben und die beantragte Baubewilligung gemäß §§ 70, 71 BO zu versagen gewesen, zumal sowohl für eine definitive Baubewilligung nach § 70 BO als auch für eine Baubewilligung auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf nach § 71 BO die Zustimmung aller Grundeigentümer unerlässlich sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Beantragt wurde auch, gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG über die Beschwerde nach Abschluss des Vorverfahrens eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durchzuführen.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5.1.1. § 63 Abs. 1 lit. c BO lautet wie folgt:

"Belege für das Baubewilligungsverfahren

§ 63. (1) Für das Baubewilligungsverfahren hat der Bauwerber folgende Einreichunterlagen vorzulegen:

c) die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden;"

5.1.2. Ein Bauwerber, der nicht Grundeigentümer ist, hat iSd § 63 Abs. 1 lit. c BO in seinem Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung die Zustimmung des Grundeigentümers liquid nachzuweisen. "Liquid" ist ein Nachweis nur dann, wenn durch den Beleg dargetan wird, dass es keinesfalls mehr fraglich sein kann, ob die Zustimmung erteilt wurde (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0251, mwH). Die Zustimmung des Grundeigentümers iSd § 63 Abs. 1 lit. c BO ist nur ein Beleg des Bauansuchens und kann durch Richterspruch ersetzt werden.

Daraus ergibt sich, dass der Grundeigentümer am Bauverfahren regelmäßig nur hinsichtlich der Frage teilnimmt, ob seine Zustimmung vorliegt oder nicht. Darüber hinaus kann der Grundeigentümer etwa noch Partei des Bauverfahrens hinsichtlich sein Eigentum unmittelbar betreffender Auflagen sein. So gesehen genießt der Grundeigentümer im Baubewilligungsverfahren eine eingeschränkte Parteistellung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, Zl. 2007/05/0201, mwH).

Die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers kann auch im Berufungsverfahren zurückgezogen werden und muss im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides liquid vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2008, Zl. 2007/05/0147). Auch im Rahmen des Berufungsverfahrens ist somit ein dort (etwa in der Berufung) erfolgter Widerruf der Zustimmung von Miteigentümern zum Baubewilligungsansuchen eines anderen Miteigentümers zu beachten (vgl. aus wiederum das Erkenntnis vom Zl. 2007/05/0147 sowie etwa das Erkenntnis vom 16. Februar 1982, Zl. 81/05/0141). Der Grund für die Verweigerung oder Zurückziehung einer Zustimmung ist baurechtlich nicht relevant (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2007/05/0147).

Die Frage, ob die Zustimmung eines oder mehrerer Miteigentümer zum Bauvorhaben des Bauwerbers vereinbarungswidrig nicht erteilt wurde, ist von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden und stellt im Baubewilligungsverfahren keine Vorfrage dar (vgl. aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 16. März 1993, Zl. 93/05/0034, vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0111, vom 16. April 1998, Zl. 98/05/0038). Es ist nicht Aufgabe der Baubehörde, selbständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer verpflichtet ist, bauliche Maßnahmen zu dulden oder nicht. Das Gesetz sieht vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung vor, welche - soweit ein Zustimmungserfordernis zu bejahen ist - nur durch eine rechtskräftige Entscheidung eines Zivilgerichts ersetzt werden kann (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 98/05/0038).

5.2. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist für die Beschwerde nichts zu gewinnen. Eine im Kaufvertrag aus dem Jahr 1984 erteilte unwiderrufliche Zustimmung für zukünftige Bauführungen ändert nichts daran, dass die mitbeteiligte Partei - was die Beschwerde auch einräumt - im Berufungsverfahren klar zum Ausdruck brachte, keine Zustimmung zu der beantragten Bauführung zu erteilen. Ob damit - wie die Beschwerde meint - ein unzulässiger Widerruf der früher im Kaufvertrag erteilten Zustimmung erfolgte, ist nach der nach der BO gegebenen Rechtslage nicht erheblich. Demnach wird auch mit dem auch in der Verhandlung hervorgehobenen Hinweis, dass die damals auch zur Abgabe von Zustimmungserklärungen im Namen des Grund(Mit)eigentümers unwiderruflich bevollmächtigte Architektin das Bauansuchen des Beschwerdeführers mitunterfertigt habe, und dass auf das Parteivorbringen zu dieser Bevollmächtigung der Architektin nicht näher eingegangen worden sei, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Insofern ist auch das vom Beschwerdeführer in der Verhandlung genannte hg. Erkenntnis vom 16. November 2010, Zl. 2009/05/0011, für die Falllösung nicht einschlägig. Vor diesem Hintergrund erweist sich weiters das Vorbringen als nicht zielführend, es komme (unter Verweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. Dezember 1996, Zl. 4 Ob 2311/96) nach § 63 Abs. 1 lit. c BO in Wahrheit auf den urkundlichen Nachweis an, dass der Grundeigentümer (oder die anderen Miteigentümer) gegenüber dem Bauwerber in welcher Form auch immer zur Bauführung zugestimmt haben, was nicht als verfahrensrechtliche Erklärung gegenüber der Behörde, sondern als Erklärung gegenüber dem Bauwerber einzustufen sei. Hier geht es ja gerade nicht darum, ob der Miteigentümer (irgendwann) zugestimmt hat, sondern darum, dass diese Zustimmung (hier: im Berufungsverfahren) widerrufen wurde.

Ferner unterscheidet sich der vom Beschwerdeführer für seine gegenteilige Auffassung ins Treffen geführte, dem hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 92/05/0202, zugrunde liegende Fall maßgeblich vom vorliegenden Beschwerdefall. Nach der damals einschlägigen Rechtslage nach der Bauordnung für Oberösterreich aus dem Jahr 1875 war ein Widerruf einer einmal erteilten Zustimmung ohne Relevanz, zumal in dieser Bauordnung eine positivrechtliche Grundlage durch eine in den Bauvorschriften (wie im § 63 Abs. 1 lit. c BO) enthaltene ausdrückliche Anordnung, wonach die Eigentümerzustimmung als Beleg dem Bauansuchen anzuschließen ist, fehlte, und es damit (der Rechtsprechung folgend) nicht erforderlich war, dass die Zustimmung im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung (sei dies in erster oder zweiter Instanz) vorliegen musste. Als nicht zielführend erweisen sich schließlich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe mit Blick auf die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und nicht ausreichend festgestellt.

5.3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

5.4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 3. Mai 2011

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