VfGH V5/09

VfGHV5/092.7.2009

Gesetzwidrigkeit einer Halte- und Parkverbotsverordnung in Graz wegen mangelnder Determinierung des zeitlichen Geltungsbereiches der Verordnung

Normen

B-VG Art18 Abs2
Halte- und ParkverbotsV des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz vom 15.10.99
StVO 1960 §43 Abs1 litb
B-VG Art18 Abs2
Halte- und ParkverbotsV des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz vom 15.10.99
StVO 1960 §43 Abs1 litb

 

Spruch:

Die Verordnung des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz vom 15. Oktober 1999, Z A10/1-I-686/3-1999, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister und der Stadtsenat der Stadt Graz haben

am 15. Oktober 1999 eine Verordnung folgenden Inhalts erlassen:

"Verordnung

Gemäß §43 StVO 1960, BGBl Nr. 159/1960, in der derzeit gültigen Fassung, werden aufgrund des Verhandlungsergebnisses vom 25.6.1999 für sämtliche Straßenzüge im Stadtgebiet von Graz ein

Halte- und Parkverbot mit dem Zusatz 'Straßenreinigung am ... von ...

bis ... Uhr' verordnet.

Diese Verordnung ist gem. §44 StVO 1960 durch die entsprechenden Verkehrszeichen kundzumachen und tritt am Tage der Anbringung in Kraft.

Ergeht an:

...

Verordnet am: 15.10.1999

Für den Bürgermeister:

(für Bundes- und Landesstraßen)

Für den Stadtsenat:

(für Gemeindestraßen)

..."

Die Verordnung vom 15. Oktober 1999 wurde durch Anbringung von Vorschriftszeichen nach §52 lita Z13b Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO 1960) am 27. September 2006 im Bereich der linken Seite der Wiener Straße in Graz für die Straßenreinigung am 29. September 2006 kundgemacht.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B612/08 eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 8. Februar 2008 anhängig, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 11. Oktober 2007 abgewiesen wurde. Mit diesem Straferkenntnis wurde über den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen §24 Abs1 lita StVO 1960 verhängt, weil er am 29. September 2006 um 00.08 Uhr in Graz, Wiener Straße 27, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" gehalten habe.

3. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz haben vom 15. Oktober 1999 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung eingeleitet.

Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Bedenken wie folgt:

"Da Arbeitsfahrten iSd §27 Abs1 StVO 1960 von der Verordnungsermächtigung gemäß §43 Abs1a StVO 1960 ausgenommen sind, dürfte sich die Verordnung - entgegen der Annahme der belangten Behörde - nicht auf §43 Abs1a StVO 1960 stützen. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Verordnung des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz vom 15. Oktober 1999 ihre Grundlage in §43 Abs1 litb StVO 1960 haben dürfte.

... Der Verfassungsgerichtshof hegt daher das Bedenken, dass

die Verordnung ihren Gegenstand nicht exakt bestimmt. Es scheint

nämlich die für die Abgrenzung des zeitlichen Geltungsbereiches, für

den das Halte- und Parkverbot verfügt wird, verwendete Formulierung

'Straßenreinigung am ... von ... bis ... Uhr' zu unbestimmt zu sein,

um den Anwendungsbereich exakt abzugrenzen.

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung das zusätzliche Bedenken, dass dieser vom Aufstellen der Vorschriftszeichen abhängig gemacht wird, wobei der Termin dieser Aufstellung von einem durch die Verordnung selbst nicht näher determinierten Willensakt der mit der Aufstellung befassten Organe abhängig gemacht wird (vgl. VfSlg. 10.469/1985)."

4. Weder der Bürgermeister noch der Stadtsenat der Stadt Graz haben im Verordnungsprüfungsverfahren Stellungnahmen abgegeben.

5. Auch die Steiermärkische Landesregierung erstatte keine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die im Prüfungsbeschluss vorläufig angenommene Präjudizialität der Verordnung des Bürgermeisters und des Stadtsenates der Stadt Graz vom 15. Oktober 1999 sprechen könnte.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung konnten nicht entkräftet werden:

Weder der Bürgermeister noch der Stadtsenat der Stadt Graz noch die Steiermärkische Landesregierung sind im Verordnungsprüfungsverfahren den im Prüfungsbeschluss gefassten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass die Formulierung

"Straßenreinigung am ... von ... bis ... Uhr" zu unbestimmt ist, um

den zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung exakt abzugrenzen und darüber hinaus der zeitliche Geltungsbereich der Verordnung vom Aufstellen der Vorschriftszeichen abhängig gemacht wird, wobei der Termin dieser Aufstellung von einem durch die Verordnung selbst nicht näher determinierten Willensakt der mit der Aufstellung befassten Organe abhängig gemacht wird (vgl. VfSlg. 10.469/1985).

Die in Prüfung gezogene Verordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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