European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00093.25W.1111.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Das Teilzwischenurteil des Berufungsgerichts, wonach die Klageforderung von 10.000 EUR sA dem Grunde nach zu Recht besteht, sowie das Ersturteil in diesem Umfang werden aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Verfahrens über die Revision der beklagten Partei sind weitere Verfahrenskosten.
II. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,96 EUR bestimmten anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
III. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung insoweit selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Klägerin steht als Justizwachebeamtin in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Seit 2015 war sie in der Krankenabteilung einer Justizanstalt eingesetzt, zuletzt als Stellvertreterin der Kommandantin der Krankenabteilung. Die Zusammenarbeit mit der Klägerin gestaltete sich schwierig, weil sie nicht bereit war, sich an die vorgegebenen Abläufe zu halten und diese in Abwesenheit des damaligen Kommandanten teilweise eigenmächtig abänderte. Sie mischte sich auch in die medizinischen Behandlungsgespräche ein oder störte diese durch lautes Dazwischenreden, was zu Konflikten mit manchen Ärzten und Krankenschwestern führte. Die Beschwerden der medizinischen Mitarbeiter führten schließlich dazu, dass die Klägerin nach einem Gespräch mit der damaligen Anstaltsleitung am 6. 7. 2020 für drei Monate anderweitig eingesetzt wurde.
[2] Vom 2. 11. 2020 bis zum 21. 2. 2022 befand sie sich infolge einer COVID-19-Erkrankung im Krankenstand.
[3] Danach trat sie ihren Dienst in der Krankenabteilung wieder an. Die neue Kommandantin der Krankenabteilung konnte mit der forschen Art der Klägerin nicht umgehen. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Frauen funktionierte schlecht. Am 1. 3. 2022 führte der neue Leiter der Justizanstalt, der im Vorfeld darüber informiert worden war, dass die Zusammenarbeit in der Krankenabteilung schwierig und diese eine „Problemabteilung“ sei, ein Gespräch mit der Klägerin. Es steht nicht fest, dass er dabei sagte, die Klägerin sei das größte Problem der Justizanstalt. Er empfahl ihr aber, sich eine andere Einsatzmöglichkeit zu suchen. Über ihren Wunsch wurde die Klägerin daraufhin ab Herbst 2022 in einer anderen Abteilung eingesetzt.
[4] Ab dem 25. 1. 2023 wurde sie jedoch wieder in der Krankenabteilung beschäftigt, da dort akuter Personalmangel herrschte. Die Zusammenarbeit mit der Kommandantin funktionierte nach wie vor nicht ausreichend. Diese kommunizierte kaum mit der Klägerin und wies sie auch nicht in die Änderungen in ihrer Abwesenheit ein. So kam es, dass die Klägerin in Abwesenheit der Kommandantin ein Wartungsunternehmen beauftragte, das die Justizanstalt eigentlich nicht mehr beschäftigen wollte. In der Folge wurde der Klägerin vorgeworfen, diesbezüglich eigenmächtig gehandelt zu haben. Aufgrund des Schreibens einer Sekretärin, die bemängelte, dass die Kommandantin mangels Kooperation der Klägerin in Arbeit untergehe und nicht delegieren könne, sowie einer Beschwerde der Kommandantin verfasste der Anstaltsleiter am 23. 4. 2023 eine schriftliche Ermahnung, in der er der Klägerin insbesondere betreffend des Wartungsauftrags eine Dienstpflichtverletzung anlastete, ohne ihr die Möglichkeit gegeben zu haben, sich vorab zu den Vorwürfen zu äußern. Motivation für diese Ermahnung war, dass der Anstaltsleiter eine „qualifizierte Verwendungsänderung“ der Klägerin erreichen wollte, die es ihm erlaubt hätte, sie ohne ihre Zustimmung auf einen anderen Dienstposten zu versetzen. Aufgrund einer Selbstanzeige der Klägerin hielt die Bundesdisziplinarbehörde in ihrer Entscheidung vom 8. 9. 2023 fest, dass ihr kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen und das Verfahren daher einzustellen sei. Dennoch wurde die schriftliche Ermahnung nicht aus ihrem Personalakt entfernt. Die Klägerin wurde von der Kommandantin und anderen Mitarbeitern der Krankenabteilung nicht in ihre Kommunikation einbezogen, diese sprachen untereinander nicht gut über sie. Trotz der Ausgrenzung durch die Kommandantin war die Klägerin dieser jedenfalls nicht unterlegen und verrichtete ihre Arbeit, wie es ihr richtig erschien, zumal die Kommandantin auf dem Standpunkt stand, die Klägerin könne sich allfällige Informationen aus den Unterlagen in ihrem Zimmer holen, eine mündliche Kommunikation sei nicht notwendig. Im Juni 2023 wurde die Klägerin mit ihrem Einvernehmen in eine andere Abteilung versetzt.
[5] Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 37.793,35 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden insbesondere aus der erlittenen COVID‑19‑Erkrankung. Sie habe sich im Dienst mit dem Coronavirus infiziert, weil sie nicht darüber informiert worden sei, dass auf der Station einer Klinik, in der ein zu bewachender Insasse der Justizanstalt gelegen sei, positiv auf das Virus getestete Patienten aufhältig gewesen seien. Sie habe durch den Entfall von Nacht-, Sonn- und Feiertagsdiensten während ihres langen Krankenstands einen Verdienstentgang von 7.793,35 EUR erlitten. Im März 2022 habe ihr der neue Anstaltsleiter mitgeteilt, dass sie das größte Problem der Justizanstalt sei. Im April 2023 habe er eine Ermahnung erlassen, in der ihr die Verletzung von Dienstpflichten vorgeworfen worden sei. Obwohl ein daraufhin über ihre Selbstanzeige eingeleitetes Disziplinarverfahren mangels Substrats nach § 118 Abs 1 Z 2 zweiter Halbsatz BDG eingestellt worden sei, sei die schriftliche Ermahnung nicht aus ihrem Personalakt entfernt worden. Die genannten Umstände hätten bei ihr Schlafstörungen, Grübeln und verminderte Lebensfreude verursacht, weswegen sie sich auch in therapeutischer Behandlung befinde. Insbesondere das Verhalten ihrer direkten Vorgesetzten in der Krankenabteilung verstoße gegen § 43a BDG. Sie sei von ihr systematisch nicht beachtet worden und es sei schlecht geredet worden, um sie loszuwerden, damit ihr der Arbeitsplatz durch eine qualifizierte Verwendungsänderung aberkannt werden könne. Für die durch die COVID-19-Erkrankung sowie die ungerechtfertigten Vorwürfe der Anstaltsleitung hervorgerufenen gesundheitlichen Folgen begehre sie ein Schmerzengeld von insgesamt 30.000 EUR, wovon zwei Drittel auf die Folgen der Coronavirusinfektion und ein Drittel auf die übrigen Umstände, insbesondere das schikanöse Verhalten der Dienstgeberin, entfalle.
[6] Die Beklagte bestreitet. Es liege kein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln vor, insbesondere sei die Klägerin keinen Schikanen ausgesetzt gewesen.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[8] Das Berufungsgericht sprach mit Teil‑ und Teilzwischenurteil aus, dass das Klagebegehren auf Zahlung von 10.000 EUR sA dem Grunde nach zu Recht bestehe, und wies das Leistungsmehrbegehren von 27.793,35 EUR sA sowie das Feststellungsbegehren ab. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts stelle das Verhalten der Vorgesetzten der Klägerin in der Krankenabteilung in Verbindung mit der (im Personalakt verbliebenen) Ermahnung des Dienststellenleiters vom April 2023 Mobbing dar. Der Teil des Zahlungsbegehrens von 10.000 EUR, der sich auf schikanöses Verhalten der „dienstgeberischen Behörde“ stütze, bestehe daher dem Grunde nach zu Recht. Der Teil des Feststellungsbegehrens, der sich auf Mobbinghandlungen beziehe, erfasse nicht das gesamte (in der Klage vorgeworfene) schikanöse Verhalten der „dienstgeberischen Behörde“, sondern nur eine (nicht feststehende) Mitteilung des Leiters der Justizanstalt vom März 2022 sowie die schriftliche Ermahnung der Klägerin vom April 2023. Die schriftliche Ermahnung alleine könne aber als einmalige Handlung den Mobbingtatbestand nicht erfüllen, sodass darauf auch kein Feststellungsbegehren erfolgreich gestützt werden könne. Der auf die COVID-19-Erkrankung bezogene Teil des Leistungs‑ sowie Feststellungsbegehrens abzuweisen, weil es an einem haftungsauslösenden rechtswidrigen Verhalten der Beklagten fehle.
[9] Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz als „Mobbing“ oder „Bossing“ zu qualifizieren seien, von den Umständen des Einzelfalls abhänge.
[10] Nachträglich sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend das auf die COVID‑19‑Erkrankung gegründete Leistungs- und Feststellungsbegehren 30.000 EUR und betreffend das auf Mobbing gegründete Leistungs‑ und Feststellungsbegehren 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision hinsichtlich des im Zwischenbereich bewerteten Entscheidungsgegenstands sei doch zulässig, weil es für ein Zwischenurteil zum Grund des Anspruchs an ausreichenden Feststellungen zu einem Schaden der Klägerin fehlen könnte. Außerdem habe sich der Oberste Gerichtshof – soweit überblickbar – noch nicht mit der Frage befasst, ob gegebenenfalls auch eine einmalige Dienstrechtsverletzung als Mobbing qualifiziert werden könne.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die ordentliche Revision der Beklagten wendet sich gegen das dem Klagebegehren von 10.000 EUR dem Grunde nach stattgebende Teilzwischenurteil des Berufungsgerichts (I.).Soweit sich das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Abweisung des auf die Ermahnung vom 23. 4. 2023 gegründeten Teil des Feststellungsbegehrens richtet, wurde die ordentliche Revision vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen (II.). Soweit das Rechtsmittel der Klägerin die Abweisung ihres – auf die erlittene COVID‑19‑Infektion gegründeten – Leistungsbegehrens von 27.793,35 EUR sA sowie des entsprechenden Feststellungsbegehrens bekämpft, liegt eine außerordentliche Revision vor (III.).
[12] I. Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Zur Unzulässigkeit des Zwischenurteils
[13] 1.1. Dass nach § 393 Abs 1 ZPO ein Zwischenurteil auch dann gefällt werden kann, wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht, bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil auch dann möglich ist, wenn noch gar nicht feststeht, dass das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten einen Schaden des Klägers verursacht hat (RS0102003 [T16]). Es müssen auch beim Zwischenurteil alle Anspruchsvoraussetzungen bereits geklärt sein (RS0102003 [T18]). Insbesondere ist ein Zwischenurteil (über einen verschuldensabhängigen) Schadenersatzanspruch erst dann zu fällen, wenn neben dem Verschulden und der Rechtswidrigkeit auch der Kausalzusammenhang mit einer der behaupteten Schadensfolgen, deren Eintritt ebenfalls an sich feststehen muss, geklärt und bejaht ist (RS0102003 [T11]; RS0040990 [T3]).
[14] 1.2. Richtig zeigt die Revision der Beklagten auf, dass es keinerlei Feststellungen dazu gibt, dass die ihr vorgeworfenen Mobbinghandlungen zu irgendeinem Schaden der Klägerin – behauptet werden gesundheitliche Beeinträchtigungen – geführt haben. Das Berufungsgericht hätte daher kein Zwischenurteil über das begehrte Schmerzengeld von 10.000 EUR fällen dürfen.
2. Zum Vorwurf des Mobbings
[15] 2.1. Beim Mobbing handelt es sich um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen („Bossing“), bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (RS0124076 [T8]). Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhalten von Informationen, Rufschädigung und dergleichen (RS0124076 [T2]). Entscheidend ist, ob die vom Vorgesetzten gesetzten Maßnahmen objektiv geeignet waren, beim Untergebenen einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (RS0124076 [T7]).
[16] Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz Mobbing (oder „Bossing“) zugrunde liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0124076 [T4, T6]).
[17] 2.2. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Vorgehen der Kommandantin der Krankenabteilung gegenüber der Klägerin als Mobbing/Bossing qualifiziert:
[18] Fest steht, dass die Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Kommandantin schlecht funktionierte und die Kommunikation zwischen den beiden zu wünschen übrig ließ. So wurde die Klägerin nach ihrer Abwesenheit von Herbst 2022 bis 25. 1. 2023 nicht in zwischenzeitige Änderungen eingewiesen, was zur Folge hatte, dass sie einem nicht mehr erwünschten Unternehmen einen Wartungsauftrag erteilte, was wiederum nicht zuletzt aufgrund der Beschwerde der Kommandantin zu einer Ermahnung der Klägerin durch den Anstaltsleiter führte. Sie wurde nicht in die Kommunikation der Kommandantin und anderen Mitarbeitern der Krankenabteilung einbezogen; diese sprachen untereinander nicht gut über sie.
[19] Dass sich die Klägerin trotz der Ausgrenzung durch die Kommandantin nicht unterlegen fühlte und ihre Arbeit verrichtete, wie es ihr richtig erschien, ändert nichts daran, dass das festgestellte Verhalten ihrer unmittelbaren Vorgesetzten, das auf das Vorenthalten arbeitsrelevanter Informationen über einen längeren Zeitraum hinauslief, objektiv geeignet war, bei ihr einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (vgl 1 Ob 56/18v Pkt 3.). Irrelevant ist auch, dass die Vorgesetzte mit der forschen Art der Klägerin, die sehr selbstbewusst und bestimmt auftrat, nicht umgehen konnte und daher ihr gegenüber den „Rückzug“ antrat. Eine Überforderung der Kommandantin mit ihren Leitungsaufgaben hätte letztlich auch der Dienstgeber zu vertreten, der dann eine ungeeignete Person in dieser Position belassen hätte.
[20] 2.3. Nur in Zusammenschau mit der Ausgrenzung der Klägerin durch die Kommandantin kann auch die (schriftliche) Ermahnung des Anstaltsleiters vom 13. 4. 2023 als Mobbing/Bossing eingeordnet werden:
[21] Nach § 109 Abs 1 BDG 1979 hat der Dienstvorgesetzte bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist nach § 109 Abs 2 BDG 1979 abzusehen, wenn nach Ansicht des oder der Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht.
[22] Eine Ermahnung im Sinn dieser Bestimmung ist keine Disziplinarstrafe, sondern ein als Ausfluss des verfassungsgesetzlich normierten Weisungsrechts dem Dienstvorgesetzten jederzeit zustehendes personalpolitisches Führungsmittel (VwGH 98/12/0122). Es liegt in der Hand des dienstaufsichtsführenden Vorgesetzten, ob er einem ordnungswidrigen oder pflichtwidrigen Verhalten des Beamten mit Belehrungen, Vorhalten, Ermahnungen oder mit einer Disziplinaranzeige gemäß § 109 Abs 1 BDG 1979 zur Durchsetzung eines pflichtgemäßen Verhaltens begegnet, um seine Leitungsaufgabe zu erfüllen (VwGH 2000/09/0166). Erst mit der Erstattung der Disziplinaranzeige bzw Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 bei der Dienstbehörde beginnt das dienstbehördliche Disziplinarverfahren, auf das die im § 105 BDG 1979 genannten Verfahrensregeln anzuwenden sind (VwGH 96/09/0054).
[23] Die (hier einmalige) Ermahnung als formloses Mittel der Personalführung (vgl Schmid in Reissner/Neumayr, ZellKomm ÖffDR § 109 BDG Rz 7 [Stand 1. 1. 2022, rdb.at]) ist grundsätzlich nicht geeignet, den Tatbestand des Mobbings zu verwirklichen. In Anbetracht des Inhalts des Schreibens der Sekretärin und der Beschwerde der Kommandantin war die Ermahnung – wenngleich letztlich unberechtigt – entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht substanzlos oder willkürlich. Der Umstand, dass der Anstaltsleiter die Ermahnung im konkreten Fall ohne Rücksprache mit der Klägerin aussprach, setzte allerdings die mangelhafte Kommunikation durch die Kommandantin fort, zumal nach den Feststellungen mit der Ermahnung eine Versetzung der Klägerin allenfalls auch ohne ihre Zustimmung erreicht werden sollte. Damit war die Ermahnung bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls als Teil eines prozesshaften Geschehens objektiv geeignet, bei der Klägerin einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (vgl wiederum 1 Ob 56/18v Pkt 3.), sondern der Anstaltsleiter „die beiden Frauen, die offenbar nicht zufriedenstellend zusammenarbeiten konnten, möglichst rasch voreinander“ trennen wollte.
[24] 3. Obwohl damit von Mobbing/Bossing auszugehen ist, ist der Revision der Beklagten Folge zu geben, weil noch kein dadurch verursachter Schaden der Klägerin feststeht, den das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären haben wird. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher in Ansehung eines Schmerzengeldbegehrens von 10.000 EUR sA aufzuheben.
[25] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
[26] II. Die Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassungsausspruch mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[27] 1. Die Klägerin stützt ihr (im Zusammenhang mit Mobbing erhobenes) Feststellungsbegehren (abgesehen von einer nicht feststehenden Äußerung des Anstaltsleiters) nur auf zukünftige Schäden aus der schriftlichen Ermahnung des Anstaltsleiters vom 13. 4. 2023, „obwohl er bei pflichtgemäßer Erfüllung seiner Dienstpflichten hätte wissen müssen, dass die Klägerin ihre Dienstpflichten nicht verletzt“ habe.
[28] Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass die schriftliche Ermahnung der Klägerin allein den Mobbingtatbestand nicht erfüllen kann.
[29] An dieser Beurteilung vermag die Revisionswerberin, die von der (engen) Formulierung des Feststellungsbegehrens auch in dritter Instanz nicht abrückt und die Ermahnung zur einzigen Grundlage ihres Anspruchs macht, keine Bedenken zu wecken:
[30] Wie bereits zur Revision der Beklagten ausgeführt wurde, stellt die Ermahnung der Klägerin durch den Anstaltsleiter als personalpolitisches Führungsmittel per se kein Mobbing oder Bossing dar, sondern nur in einer Zusammenschau mit der Kommunikationsverweigerung und Ausgrenzung der Klägerin durch die Kommandantin der Krankenabteilung.
[31] Die im Zulassungsausspruch und von der Klägerin aufgeworfene (und zu 1 Ob 148/23f Rz 19 offengelassene) Frage, ob auch eine einmalige Dienstrechtsverletzung als Mobbing bzw Bossing qualifiziert werden kann, stellt sich nicht, weil die Ermahnung isoliert betrachtet kein Mobbing ist.
[32] Keine Anhaltspunkte gibt es für die Behauptung der Klägerin, die Ermahnung wäre rechtsmissbräuchlich und willkürlich erteilt worden. Der Anstaltsleiter musste nicht wissen (sondern hätte bei Anhörung der Klägerin bloß wissen können), dass die ihm von zwei Seiten zur Kenntnis gebrachten – sein Einschreiten grundsätzlich rechtfertigenden – Vorwürfe unberechtigt waren. Seine Zielrichtung war nach den Feststellungen nicht, die Klägerin mit der Ermahnung zu schikanieren, sondern die konfliktträchtige Arbeitssituation zwischen ihr und der Kommandantin möglichst rasch aufzulösen, zumal die Klägerin an den jeweils anderen ihr zugewiesenen Arbeitsplätzen stets anstandslos arbeitete und ein Wechsel in eine andere Abteilung auch ihrem im März 2022 geäußerten Wunsch entsprach.
[33] Soweit die Klägerin geltend macht, dass rechtswidrige, schuldhafte und unvertretbare Handlungen von Vorgesetzten auch unabhängig von Mobbing Schadenersatzansprüche von Beamten nach dem AHG begründen können, ist ihr zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Eintritt von Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen des Rechtsträgers steht, auch wenn sich diese später als unberechtigt erweisen sollten, es sei denn es handle sich dabei um Mobbing bzw Bossing im Sinn des § 43a BDG (RS0131739). Derartiges ist in der Ermahnung für sich genommen aber nicht zu erblicken.
[34] 2. Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
[35] 3. Der in zweiter Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 und 2 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T1, T3]). Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, daher die anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung (auf einer Bemessungsgrundlage von 10.000 EUR) zu ersetzen.
[36] III. Die außerordentliche Revision der Klägerin in Ansehung der auf die COVID‑19‑Infektion gestützten Ansprüche ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[37] 1. Die Klägerin rügt ausschließlich sekundäre Feststellungsmängel. Bereits das Berufungsgericht hat ihr entgegengehalten, dass die von ihr gewünschten Feststellungen zum Erfordernis einer Schutzausrüstung darauf basieren, dass der Justizanstalt die COVID‑19‑Infektion eines Insassen oder eines anderen Patienten in dessen Zimmer vor Dienstantritt der Klägerin bekannt war, was aber gerade nicht feststeht. Damit setzt sie sich nicht weiter auseinander (vgl RS0043605).
[38] 2. Da der Oberste Gerichtshof der Beklagten die Beantwortung der außerordentlichen Revision der Klägerin nicht freigestellt hat, ist die insoweit dennoch erstattete Revisionsbeantwortung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Für den Schriftsatz der Beklagten steht daher ein Kostenersatz nicht zu, soweit er über die Beantwortung der ordentlichen Revision hinausgeht (RS0043690 [T6, T7]).
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