European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00047.25I.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Soweit die Beklagten die Unterlassung einer Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht als Verfahrensmangel rügen, machen sie tatsächlich das Fehlen von Feststellungen zu dieser Frage geltend. Sekundäre Feststellungsmängel sind aber der Rechtsrüge zuzuordnen.
[2] 2. Ein Rechtsmangel liegt dann vor, wenn dem Übernehmer nicht die geschuldete rechtliche Position verschafft wird (RS0029427 [T5]). Unter Rechtsmängel fallen nicht nur privatrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Fehler, wie etwa das Fehlen bau- und gewerbebehördlicher Bewilligungen (8 Ob 113/21g Rz 15 mwN), etwa wenn der Bauzustand nicht der baubehördlichen Bewilligung entspricht (vgl RS0110820; RS0029427).
[3] 3. Gemäß § 932 Abs 2 ABGB (Anwendbar ist hier die Rechtslage vor der Novelle BGBl I 2021/175 [Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG]) kommt dem Übernehmer das Recht zu, zunächst zwischen Verbesserung oder dem Austausch der Sache zu wählen. Der Übergeber kann der vom Übernehmer getroffenen Wahl aber entgegenhalten, dass der gewählte Rechtsbehelf unmöglich ist oder den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand belasten würde (vgl RS0128891).
[4] 4. Ein Rechtsmangel des öffentlichen Rechts ist dann unbehebbar, wenn feststeht, dass die fehlende Bewilligung nicht nachgetragen werden kann (vgl RS0018730; RS0110820). Zweifel über die Unmöglichkeit der Leistung gehen jedenfalls zu Lasten des Schuldners (RS0034104 [T1]). Ob eine Unmöglichkeit der Leistung vorliegt, ist dabei nicht nur eine Tatfrage, sondern kann teilweise auch eine Wertungsfrage sein (RS0034104).
[5] 5. Bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit des Verbesserungsaufwands ist nicht allein die Höhe der Behebungskosten ausschlaggebend, sondern es ist vor allem auf die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den Übernehmer Bedacht zu nehmen. Wenn sich der Mangel eher nur als geringer Nachteil im Gebrauch darstellt, können schon verhältnismäßig geringe Behebungskosten „unverhältnismäßig“ sein, wenn der Mangel den Gebrauch aber entscheidend beeinträchtigt, dann sind auch verhältnismäßig hohe Behebungskosten noch kein Grund, die Verbesserung abzulehnen (RS0022044). Die „Unverhältnismäßigkeit“ der Verbesserung ist dabei nicht „relativ“ im Verhältnis zu einer konkreten sekundären Abhilfe zu beurteilen, sondern „absolut“ (vgl RS0022044 [T15]). Ist die Beeinträchtigung als wesentlich anzusehen, so werden auch über dem Wert des Werkes liegende Kosten für die Verbesserung aufzuwenden sein (RS0022044 [T16]). Dass der für den Übergeber mit dem Austausch verbundene unverhältnismäßig hohe Aufwand gerade durch den Mangel, für den der Übergeber einstehen muss, verursacht worden ist, spricht für die Möglichkeit des Übernehmers, den Austausch zu verlangen (RS0128891 [T1]).
[6] Der Verbesserungsaufwand wird in der Regel dann nicht unverhältnismäßig sein, wenn der aus der Verbesserung erwachsende Vorteil so hoch anzusetzen ist, dass ein redlicher und vernünftiger Verkehrsteilnehmer die Reparatur auch auf eigene Kosten durchführen würde (6 Ob 134/08m mwN).
[7] 6. Es liegt am Übergeber, sich auf die Unmöglichkeit der Verbesserung oder die Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu berufen, also die Einrede der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit zu erheben, wenn er den Übernehmer auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe verweisen will (5 Ob 119/19i; vgl RS0128891; RS0034223).
[8] 7. Die Kläger haben vom Rechtsvorgänger der Beklagten eine Eigentumswohnung in einem von diesem (wissentlich) nicht entsprechend der erteilten Baubewilligung errichteten Gebäude erworben. Infolge einer Selbstanzeige der Beklagten wurde den Miteigentümern des Grundstücks (darunter die Kläger und die Beklagten) mit Bescheid des Bürgermeisters aufgetragen, hinsichtlich der abweichend von der erteilten Baubewilligung ausgeführten Baumaßnahmen beim Wohngebäude entweder innerhalb von 12 Wochen ab Rechtskraft des Bescheids um Baubewilligung anzusuchen oder innerhalb einer Frist von 52 Wochen ab Rechtskraft des Bescheids den rechtmäßigen Zustand im Sinne der Baubewilligung herzustellen. Nach den unbekämpften Feststellungen ist eine nachträgliche Baubewilligung für das Mehrparteienhaus in der bestehenden Form zu erhalten „nicht ohne weiteres möglich“.
[9] Wenn das Berufungsgericht das dahingehend beurteilt, dass die Unmöglichkeit einer Verbesserung von den Beklagten nicht bewiesen wurde, ist dies nicht korrekturbedürftig. Der Bescheid enthält ausdrücklich den Hinweis, dass die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, nicht eingeräumt werden dürfte, wenn der Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan der Erteilung der Baubewilligung entgegenstehen. Die Überschreitung der Geschoßzahl kann nach den Feststellungen möglicherweise durch eine Ausnahmebewilligung saniert werden. Allenfalls wäre der Einbau eines Aufzugs erforderlich. Alternative wäre ein kostenintensiver Umbau entsprechend der ursprünglichen Baubewilligung unter Änderung der Geschoß- und Wohnungsanzahl. Allfällige Zweifel an der Unmöglichkeit der Verbesserung gehen aber – wie dargelegt – zu Lasten des Schuldners.
[10] 8. Zur Unverhältnismäßigkeit hat sich das Vorbringen der Beklagten im Wesentlichen auf die Behauptung der Unverhältnismäßigkeit beschränkt. Einzig im Protokoll ON 28 wurde unter Bezugnahme auf eine bestimmte Urkundeals einziges Beweismittel ein Aufwand von ca 542.000 EUR behauptet, der sich aus dieser Unterlage gerade nicht ergibt, die dortige Kostenschätzung bezieht sich auf die Herstellung eines Zustands entsprechend der ursprünglichen Baubewilligung. Eine Unverhältnismäßigkeit war daher schon mangels ausreichenden Vorbringens nicht zu prüfen.
[11] 9. Die Gewährleistungsfrist beginnt bei Rechtsmängeln nicht mit dem Tag der Ablieferung der Sache, sondern erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird (§ 933 Abs 1 ABGB). Dass die Klage ursprünglich rechtzeitig eingebracht wurde, wird letztlich auch von den Beklagten nicht bestritten. Richtig ist allerdings, dass es in der Folge zu einer Klagsänderung gekommen ist, es wurde dem Begehren auf Zustimmung zum Bauansuchen ein geänderter Einreichplan zugrunde gelegt.
[12] Es entspricht der Rechtsprechung, dass der Gewährleistungsgläubiger einen rechtzeitig geltend gemachten Gewährleistungsanspruch – selbst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist – durch einen anderen ersetzen kann, weil das, was für die Perpetuierung der Gewährleistungseinrede durch fristgerechte Mängelanzeige gilt, in gleicher Weise auf die Perpetuierung des Gewährleistungsrechts durch Klage anzuwenden ist, soweit letztere nur fristgerecht und auf den Mangel gestützt eingebracht wurde (1 Ob 166/98p; vgl auch RS0018683). Das gilt aber ebenso für eine Anpassung des Verbesserungsbegehrens wie für eine Umstellung des Gewährleistungsbehelfs. Es bleibt nämlich gewöhnlich dem Verkäufer oder Unternehmer überlassen, eine notwendige Verbesserung nach eigenem besten Wissen vorzunehmen. War jedoch der Verkäufer oder Unternehmer nur zu einer ungeeigneten beziehungsweise unzureichenden Verbesserung bereit, kann der Käufer oder Werkbesteller jene Verbesserung begehren, die etwa aufgrund des Gutachtens eines Gerichtssachverständigen notwendig und zielführend ist (6 Ob 96/15h mwN).
[13] 10. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0037874 [T39]). Die Anforderungen sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (RS0037874 [T33]).
[14] Die Einreichung, zu der die Zustimmung der Beklagten erwirkt werden soll, ist im Spruch konkretisiert und angeschlossen. Ziel der Einreichung ist dabei die Behebung des Rechtsmangels durch Erlangung einer nachträglichen Baubewilligung. Die Aufnahme der „inhaltsgleichen Ansuchen“ in den Spruch beschwert die Beklagten nicht und ist im Hinblick auf allfällige behördliche Verbesserungsaufträge auch nicht bloß redundant. Auch die Zustimmung zu Auflagen der Baubehörde ist auf solche in Zusammenhang mit dem konkreten Bauansuchen beschränkt, was sich zusätzlich aus § 18 K‑BO ergibt, wonach solche Auflagen das Vorhaben nicht verändern dürfen, und hält sich damit im Rahmen der Verpflichtung zur Mängelbehebung.
[15] 11. Insgesamt gelingt es den Beklagten daher nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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