OGH 7Ob119/25p

OGH7Ob119/25p22.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* AG *, vertreten durch die Harb & Postl Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei M* W*, vertreten durch die JEANNEE Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 4.157.540,18 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 28. April 2025, GZ 16 R 144/24z‑32, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. August 2024, GZ 33 Cg 158/23h‑25, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00119.25P.1022.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.644,56 EUR (darin enthalten 1.440,76 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Feuerversicherer des auf der Liegenschaft *, (in der Folge: Liegenschaft) befindlichen Wohnhauses, welches in der Nacht vom 29. auf den 30. 10. 2021 durch einen Brand erheblich beschädigt wurde.

[2] Der Beklagte ist (Mit‑)Eigentümer von 619/45268 Anteilen der Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung W 4/II.

[3] Der Beklagte leidet seit Jahren unter einem Drogenproblem und nahm bereits vor dem Brand Substitol ein. Aufgrund der COVID‑19‑Pandemie erhielt er jeweils zu Beginn der Woche die gesamte Ration an Substitutionsmitteln. Am 29. 10. 2021 gegen 8:00 Uhr in der Früh verabreichte er sich das Substitol intravenös und nahm seine gesamte Wochenration von 14 Stück Tabletten mit dem Wirkstoff Oxazepam oral ein, um sich in einen Rausch zu versetzen. Da er in seinem Wohnzimmer keine Lichtquelle hatte und er keine Motivation fand, die defekte Glühbirne auszutauschen, zündete er abends – bereits übermüdet – eine große Kerze an. Diese Kerze platzierte er ohne Untersetzer auf seinem Couchtisch, welcher unter anderem mit brennbarem Material, beispielsweise Zeitungen, übersät war. Der Beklagte schlief auf der Couch neben dem Tisch ein. Der Brand wurde durch die Kerze ausgelöst.

[4] Der Beklagte wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts St. Pölten * des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 170 Abs 1 und Abs 2 erster und dritter Fall) StGB schuldig erkannt. Er hat sich fahrlässig, durch den Gebrauch berauschender Mittel, nämlich die über den therapeutischen und verordneten Bereich hinausgehende Einnahme der Substanzen Morphinsulfat (Substitol) und Oxazepam (Praxiten), in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt, wobei er im Rausch eine Handlung beging, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen nach § 170 Abs 1 und Abs 2 erster und dritter Fall StGB zugerechnet würde. Er verursachte fahrlässig an einer fremden Sache eine Feuersbrunst, weil er in seiner Wohnung zumindest eine Kerze ohne entsprechende Schutzmaßnahmen anzündete und aufgrund seiner Beeinträchtigung durch die eingenommenen Substanzen einschlief, wobei in weiterer Folge nach dem Abbrennen der Kerzen zunächst seine Wohnung am 30. 10. 2021 kurz vor 2:00 Uhr sowie anschließend das Stiegenhaus und auch andere Wohneinheiten in Brand gerieten und eine massive Rauchentwicklung entstand, wodurch das gesamte Wohnhaus bis zuletzt unbewohnbar wurde.

[5] Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zahlung von 4.157.540,18 EUR sA. Der Beklagte habe den Versicherungsfall zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil er sich bewusst (somit absichtlich), zumindest aber (grob) fahrlässig, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand den Schaden herbeigeführt habe. Dass der Beklagte im relevanten Zeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen sei, spiele daher keine Rolle. Da die Klägerin eine Versicherungsleistung in Höhe des Klagebetrags an die Wohnungseigentümergemeinschaft bezahlt habe, stehe ihr ein Regressanspruch gegen den Beklagten zu.

[6] Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Er brachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, er habe den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt. Eine Haftung scheide aus, weil der Brand erst viele Stunden nach Einnahme der Medikamente ausgebrochen und er zum Zeitpunkt des Einschlafens zurechnungsunfähig gewesen sei.

[7] Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Zahlungsbegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Der Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Er habe sich durch Medikamentenmissbrauch in einen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit versetzt, in diesem Zustand in einer „Messie‑Wohnung“ eine Kerze angezündet und auf einen Tisch ohne Untersetzer gestellt, auf dem sich brennbares Material befunden habe, weil er keine elektrische Beleuchtung im Wohnzimmer gehabt und keine Motivation gefunden habe, eine neue Glühbirne zu besorgen und diese zu montieren. Es bestehe daher der Regressanspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, änderte das Ersturteil im Sinn einer Klageabweisung ab und ließ die Revision zu. Der einzelne Mit‑ und Wohnungseigentümer sei Mitversicherter aus dem Vertrag und nicht Dritter im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG. Daher sei der Regress der Klägerin nur unter den Voraussetzungen des § 61 VersVG möglich. Der Beklagte sei im Zeitpunkt der unmittelbar schädigenden Handlung nicht zurechnungsfähig gewesen und habe daher zu diesem Zeitpunkt nicht schuldhaft handeln können. Die Annahme grober Einlassungsfahrlässigkeit – wie hier bei überdosierter Einnahme von Substitutionsmedikamenten – setze im Anwendungsbereich des § 61 VersVG das Wissen oder Wissen‑Müssen des Beklagten voraus, dass er damit die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls vergrößere. Für den Beklagten hätte sich insofern bereits vor Eintritt der durch die überdosierte Medikamenteneinnahme bedingten Zurechnungsunfähigkeit in besonders starkem Maße die Möglichkeit aufdrängen müssen, dass er nach Eintritt der Zurechnungsunfähigkeit eine Kerze anzünden, diese auf dem Couchtisch neben brennbarem Material unbeaufsichtigt abstellen und dadurch einen Brand in der Wohnung verursachen könnte. Solche Umstände habe die beweispflichtige Klägerin allerdings nicht behauptet. Damit sei ihr der Beweis der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Beklagten nicht gelungen.

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[10] In der Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Regressanspruch der Klägerin

[12] 1.1. Die Klägerin hat alsGebäudeversicherer aufgrund des vom Beklagten verursachten Brandschadens Versicherungsleistungen an ihre Versicherungsnehmerin erbracht.

[13] 1.2. Nach § 67 Abs 1 VersVG geht ein Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten auf den Versicherer über, wenn letzterer den Schaden ersetzt. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass der Beklagte als Mit‑ und Wohnungseigentümer in Bezug auf den Gebäudversicherungsvertrag nicht „Dritter“ im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG, sondern Versicherter ist (7 Ob 38/12g; 7 Ob 192/13f; Weichbold in Schauer, VersVG § 67 Rz 39; Burtscher/Ertl in Fenyves/Perner/Riedler [2021] § 67 VersVG Rz 23). Nach dieser Bestimmung scheidet daher ein Regress der Klägerin gegen den Beklagten aus.

[14] 1.3. Ein Regress der Klägerin ist aber gemäß § 1042 ABGB unter den Voraussetzungen des § 61 VersVG möglich (7 Ob 176/12a; Fenyves, WEG und Versicherungsvertragsrecht, wobl 2015, 137 [142]). Dies ist insofern gerechtfertigt, als dem versicherten Schädiger die Versicherungsdeckung dann nicht zugute kommen soll, wenn sich bei ihm ein besonderes Risiko verwirklicht, das sowohl den einzelnen Versicherten im Hinblick auf den angestrebten Versicherungsschutz nicht mehr schutzwürdig erscheinen lässt als auch der Gefahrengemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann (vgl Vonkilch in Fenyves/Perner/Riedler [2021] § 61 VersVG Rz 5).

2. Herbeiführung des Versicherungsfalls im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit

[15] 2.1. Der Regressanspruch der Klägerin setzt daher voraus, dass der Beklagte den Versicherungsfall (Brandschaden) grob schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig) herbeigeführt hat.

[16] 2.2.1. Im Allgemeinen ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RS0030644). Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist die Schwere der Sorgfaltsverstöße und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl RS0085332). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RS0030272). In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RS0030331 [T6]; RS0080371 [T1]). Die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit trifft den Versicherer (vgl RS0080378).

[17] 2.2.2. Der Beklagte hat in einem durch Betäubungsmittelmissbrauch herbeigeführten, seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand, eine Kerze in einer „Messie‑Wohnung“ auf einem (leicht) brennbaren Untergrund angezündet und ist daran anschließend aufgrund der Beeinträchtigung durch die Betäubungsmittel eingeschlafen. Ein derartiges Verhalten ist grundsätzlich (also unter Außerachtlassung der Zurechnungsunfähigkeit des Beklagten) ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß, der auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist und damit grobe Fahrlässigkeit begründet.

[18] 2.3.1. Schuldhaftes Handeln setzt aber Schuldfähigkeit des Handelnden voraus. Diese wird gemäß § 1297 ABGB vermutet (RS0026200; G. Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1297 Rz 17 f; Karner in KBB7 § 1297 ABGB Rz 2). Dem Beklagten ist hier der Nachweis gelungen, dass er im Zeitpunkt der unmittelbar schädigenden Handlung(en) nicht zurechnungsfähig (entscheidungsfähig) war. Dass der Beklagte die Kerze auf einem (leicht) brennbaren Untergrund angezündet hat und daran anschließend aufgrund der Beeinträchtigung durch die Betäubungsmittel eingeschlafen ist, kann ihm daher subjektiv nicht vorgeworfen werden.

[19] 2.3.2. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben (§ 1307 ABGB). Im Rahmen dieser Haftungsnorm besteht eine Ersatzpflicht auch dann, wenn der Schädiger im noch schuldfähigen Zustand die Gefährdung fremder Güter gar nicht vorhersehen konnte (Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz C/2/16; Karner in KBB7 § 1307 ABGB Rz 1; Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 § 1307 Rz 1; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1307 ABGB Rz 1).

[20] Eine (analoge) Anwendung dieser Bestimmung auf den Regressanspruch des Versicherers gegen den schädigenden Versicherten ist abzulehnen: Die Herbeiführung des in § 1307 ABGB beschriebenen Zustands begründet nämlich noch nicht per se die spezifische Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls. Die legitimen Interessen des Versicherers sind nur berührt, wenn sich der Vorwurf des groben Verschuldens gerade auf die Herbeiführung des Versicherungsfalls bezieht. Der Regressanspruch des Versicherers beruht – wie dargelegt – auf der Erwägung, dass sich der Versicherte gerade im Hinblick auf das versicherte Risiko nicht außergewöhnlich sorglos verhalten darf. Die Verknüpfung des Verschuldens mit der Herbeiführung des Versicherungsfalls ist daher ein notwendiges Element für die Bejahung des Regressanspruchs. Ohne einen Bezug auf die erhöhte Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Versicherungsfalls kann nämlich die besondere Schwere des Verschuldens nicht begründet werden (zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland [§ 81 VVG, § 827 Satz 2 BGB] Armbrüster in Prölss/Martin, VVG32 § 81 Rn 49; Looschelders in MüKommVVG3 § 81 Rn 103; Klimke in BeckOK VVG28 § 81 Rn 53; Knappmann, Alkoholbeeinträchtigung und Versicherungsschutz, VersR 2000, 11 [13]; aM Langheid in Langheid/Rixecker, VVG7 § 81 Rn 93).

[21] 2.3.3. Es könnten daher allenfalls die Grundsätze der „actio libera in causa“ herangezogen werden (allgemein dazu etwa Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz C/2/16; Wagner in MüKommBGB9 § 827 Rn 14). Auch dies ist jedoch im hier vorliegenden versicherungsrechtlichen Kontext nicht notwendig: Die Leistungsfreiheit des Versicherers knüpft nämlich nicht an ein bestimmtes Verhalten, sondern lediglich an einen Erfolg, den Eintritt des Versicherungsfalls, an, sodass schon deshalb auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherten abgestellt werden kann, durch welches der Versicherungsfall grob schuldhaft herbeigeführt wurde. Der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalls beginnt nämlich schon dann, wenn der Versicherungsnehmer im schuldfähigen Zustand damit rechnete oder damit rechnen musste, dass er später unter Alkohol- oder Betäubungsmitteleinfluss den Versicherungsfall herbeiführen wird. Wenn daher der Versicherte bei der letzten für den Versicherungsfall ursächlichen Handlung schuldunfähig war, kann sich das erforderliche qualifizierte Verschulden auch daraus ergeben, dass er den Versicherungsfall durch ein zeitlich früheres Verhalten grob schuldhaft herbeigeführt hat (vgl BGH IV ZR 225/10 = SVR 2011, 430; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG32 § 81 Rn 49; Klimke in BeckOK VVG28 § 81 Rn 51; Looschelders in MüKommVVG3 § 81 Rn 102; Fortmann in Martin/Reusch/ Schimikowski/Wandt, Sachversicherung4 § 16 Rn 44; im Ergebnis auch Wagner in MüKommBGB9 § 827 Rn 6).

[22] 2.3.4. Der Regressanspruch des Versicherers kann im vorliegenden Fall daher nur bestehen, wenn der Versicherte 1. den die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand grob schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig) herbeigeführt hat und 2. im noch schuldfähigen Zustand damit gerechnet oder grob schuldhaft vernachlässigt hat, dass er später – im Zustand der Berauschung – den Versicherungsfall herbeiführen wird.

[23] Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trifft den Versicherer die Behauptungs‑ und Beweislast, geht es doch hier nicht um den Beweis der Schuldunfähigkeit, sondern darum, ob der Versicherte den Versicherungsfall unter den Voraussetzungen des § 61 VersVG zu einem Zeitpunkt herbeigeführt hat, in dem er noch schuldfähig war (Fortmann in Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung4 § 16 Rn 271; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG32 § 81 Rn 78; aM etwa Langheid in Langheid/Rixecker, VVG7 § 81 Rn 93; für eine sekundäre Darlegungslast des Versicherungsnehmers Looschelders in MüKommVVG3 § 81 Rn 104).

[24] 2.3.5. Im vorliegenden Fall hätte daher der Beklagte bereits vor Eintritt der durch die überdosierte Medikamenteneinnahme bedingten Zurechnungsunfähigkeit grob schuldhaft außer Acht lassen müssen, dass er nach deren Eintritt eine Kerze anzünden, auf dem Couchtisch neben brennbarem Material abstellen, anschließend einschlafen und dadurch einen Brand in der Wohnung verursachen könnte. Im Verfahren sind allerdings keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sich für den Beklagten bereits im Zeitpunkt der Einnahme der Substanzen gegen 8:00 Uhr in der Früh des 29. 10. 2021 (vgl RS0121557 [T2]) in besonders starkem Maße die Möglichkeit aufdrängen hätte müssen, dass er am Abend nach Einbruch der Dunkelheit (also mehr als 10 Stunden später) aufgrund einer ausgefallenen Glühbirne eine Kerze anzünden, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen auf dem Couchtisch abstellen und daneben einschlafen werde. Die Klägerin hat auch konkrete Umstände, aus denen dem Beklagten ein entsprechender Vorwurf gemacht werden hätte können, in erster Instanz nicht vorgebracht. Der Regressanspruch der Klägerin besteht daher schon deshalb nicht zu Recht. Ob der Beklagte seinen Rauschzustand darüber hinaus grob schuldhaft herbeigeführt hat, muss somit nicht mehr geprüft werden.

[25] 2.3.6. Das Berufungsgericht hat daher die Klage zurecht abgewiesen.

[26] 2.3.7. Eine Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts (vgl RS0037300) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte trotz eingetretener Zurechnungsunfähigkeit dennoch in Anspruch genommen werden kann, bereits Thema des erstinstanzlichen Verfahrens war. Die Frage der (teilweisen) Unschlüssigkeit des Klagebegehrens bedarf keiner Erörterung, weil das Klagebegehren ohnehin insgesamt nicht berechtigt ist. Die in der Revision geltend gemachten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens liegen daher nicht vor.

3. Ergebnis und Kosten

[27] 3.1. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

[28] 3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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