European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00107.25Y.1022.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Versicherungsvertrag ist grundsätzlich formfrei, er kann auch schlüssig oder mündlich abgeschlossen oder geändert werden (RS0014572). Er kommt – wie Verträge im Allgemeinen – grundsätzlich durch das Anbot und dessen Annahme zustande (§ 861 ABGB; RS0013984). Geht dem Versicherungsnehmer die Polizze zu, liegt darin eine wirksame (konkludente) Annahme des Versicherungsantrags und gleichzeitig die Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags (7 Ob 78/19z).
[2] 2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn von allgemein anerkannten Regeln der Vertragsauslegung abgewichen worden wäre, was im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (vgl RS0112106; RS0044298; 7 Ob 226/18p [zu einem Versicherungsvertrag]).
[3] Im Versicherungsantrag wurde der Punkt „Dauernde Invalidität“ angekreuzt und ua der Vordruck „ab 1 %“ handschriftlich mit „20 %“ überschrieben. Weiters angekreuzt wurden die Punkte „Unfalltod“ und „Unfallkosten“. Zudem wurde im Versicherungsantrag handschriftlich „€ 350.000 (Progression auf € 1,050.000)“, „€ 100.000“ und „€ 15.000“ und „€ 355“ festgehalten. In der Polizze sind die letztgenannten handschriftlichen Vermerke enthalten und als Jahresprämie ein Betrag von 355 EUR vermerkt. Zum Deckungsumfang wird auf „Beilage B00“ verwiesen. Bei den Vertragsgrundlagen wird „B00 Polizzenbeilage“ neben ua „41C - Besondere Bedingung zur Unfallversicherung für Ärzte und Heilnebenberufler 'Plus'“ und „55V - Allgemeine Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB)“ angeführt.
[4] Auch wenn in der Bedingung 41C sowie den AUVB keine Einschränkung enthalten ist und der Inhalt der Beilage B00 nicht festgestellt werden konnte, erweist sich die Ansicht der Vorinstanzen, der Versicherungsvertrag sei mit einerdem Antrag entsprechendenVereinbarung einer Versicherungsleistung für dauernde Invalidität erst ab einen Invaliditätsgrad von 20 % („ab 20 %“) zustande gekommen, weil die Vertragsannahmeerklärung der Beklagten durch Übermittlung der Polizze nach der Vertrauenstheorie von einem redlichen Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden konnte, jedenfalls nicht als ein von allgemein anerkannten Regeln der Vertragsauslegung abweichendes Ergebnis.
[5] 3. Dass die Beweislast für ein Abweichen des Versicherungsscheins vom Versicherungsantrag (§ 5 Abs 1 VersVG) im vorliegenden Fall den Versicherungsnehmer (hier somit den Kläger) trifft,entspricht der Rechtsprechung, wonach grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RS0037797; 7 Ob 41/14a [ErwG 3.1] – zur Beweislast für die Voraussetzungen des § 5 Abs 3 VersVG), und der herrschenden Lehre in Österreich (Fenyves in Fenyves/Perner/Rieder, VersVG zu § 5 VersVG Rz 23) und Deutschland (Prölss/Martin, VVG 32 § 5 VVG Rn 4; Reusch in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht3§ 5 VVG Rn 59).
[6] Daher ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig, die Negativfeststellung zur Beilage B00, die Vertragsbestandteil wurde, gehe zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.
[7] 4. Die Revision war somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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