European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00086.25H.1015.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* jeweils eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) sowie der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 2 StGB (II 1) und nach § 233 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen) sechster Fall StGB (II 2), (richtig) mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III 1 a und 2) sowie jeweils eines solchen Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (III 1 b) und nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (IV) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in S* und andernorts
(I) am 22. Oktober 2024 * K* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr gegen ihren Willen Handschellen anlegte, sie trotz Gegenwehr entkleidete und mit seinem Penis vaginal penetrierte, sowie
(II) nachgemachtes Geld
1) am 22. Oktober 2024 als echt und unverfälscht ausgegeben, indem er K* nach der zu I beschriebenen Tat drei 100 Euro Geldscheine überließ, und
2) vom Sommer 2024 bis zum 24. Oktober 2024 mit dem Vorsatz, dass es als echt und unverfälscht ausgegeben werde, besessen, und zwar drei weitere 100 Euro Geldscheine, ferner
(III) vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, und zwar
1) bis zum 24. Oktober 2024
a) 23,6 Gramm brutto Cannabiskraut (mit den Wirkstoffen THCA und Delta-9-THC) sowie eine geringe Menge Kokain (mit dem Wirkstoff Cocain) ausschließlich (US 8) zum persönlichen Gebrauch, und
b) 22,64 Gramm brutto Speed (mit dem Wirkstoff Amphetamin), weiters
2) am 2. Mai 2024 32,46 Gramm Cannabiskraut (mit den Wirkstoffen THCA und Delta-9-THC) ausschließlich (US 5) zum persönlichen Gebrauch, sowie
(IV) nach der zu I beschriebenen Tat K* vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine „Line“ Speed (mit dem Wirkstoff Amphetamin) zum sofortigen Konsum überlassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen den Schuldspruch I und II richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Zur erfolgversprechenden Verfahrensrüge (Z 4) ist ein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag oder ein nach Art von Anträgen substanziierter Widerspruch stets unabdingbare Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099112, RS0099250 und RS0099244; zum Ganzen eingehend und mwN Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302, 306, 311, 313, 320 f und 327).
[5] Auf kein derartiges Prozessgeschehen stützt sich die Rüge, indem sie auf die in der Hauptverhandlung am 17. März 2025 getätigte Äußerung des Angeklagten, er habe „auch beantragt, dass man die Videos sieht vom Admiral“ und die diesbezügliche Antwort des Vorsitzenden des Schöffengerichts, er „brauche […] das Video“ nicht (ON 37.2 S 11), verweist.
[6] Der zu I erhobene Einwand der Mängelrüge (Z 5), die Feststellung, wonach der Angeklagte beim Entkleiden des Opfers dessen Hände mit einer Hand über dessen Kopf fixierte (US 6), stünde im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu jener, wonach er den Widerstand der K* durch „Niederdrücken ihrer mit Handschellen gefesselten Hände über ihrem Kopf nach hinten“ überwinden wollte (US 8), spricht keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268). Im Übrigen können diese Konstatierungen ohne Verstoß gegen den logischen Satz vom Widerspruch nebeneinander bestehen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438).
[7] Der Vorwurf der Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu I versäumt es prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119370 und RS0099507), die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe (US 12) in den Blick zu nehmen.
[8] Indem die Rüge zu II die Feststellungen zur optischen Gestaltung der inkriminierten Geldscheine (US 5) als offenbar unzureichend begründet kritisiert, weil deren „Verwechslungstauglichkeit“ zu „verneinen“ sei und offen bleibe, „weshalb die verfahrensgegenständlichen Falsifikate als […] falsch iSd § 233 Abs 1 StGB zu werten sind“, spricht sie der Sache nach die – als Rechtsfrage zu beurteilende (RIS‑Justiz RS0095642 [T3]) – Eignung eines Falsifikats, den Eindruck zu erwecken, es handle sich um echtes Geld, an. Rechtsfragen sind aber kein Gegenstand der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0099407 und RS0099448 [T2]).
[9] Eine Tatsachenrüge (Z 5a) ist, soweit es ihr nicht (als Aufklärungsrüge) um den Verfahrensaspekt unterlassener Beweisaufnahme geht, nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis (Beweismittel) aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS-Justiz RS0117446 [insbesondere T18]).
[10] Indem die zu I erhobene Rüge (vom Gericht ohnedies erwogene [US 10 ff]) Beweisergebnisse eigenständig würdigt und daraus dem Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen einfordert als die vom Schöffengericht gezogenen, bekämpft sie bloß die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[12] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[13] Hinzugefügt sei, dass dem Schuldspruch III und IV ein von der Generalprokuratur ausgemachter, gegebenenfalls amtswegig aufzugreifender (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Rechtsfehler mangels Feststellungen zur (angeblich fallkonkret unschlüssigen) Nichtanwendung des § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) nicht anhaftet.
[14] Gegenstand des (materiellen) Nichtigkeitkeitsgrundes der Z 10a ist die rechtliche Beurteilung dahin, ob ein Sachverhaltssubstrat vorliegt, welches ein – als Ausnahme angelegtes – Vorgehen nach § 199 StPO oder § 37 SMG erlaubt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 658).
[15] Das Urteil ist genau dann nichtig im Sinn der Z 10a, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen (dann Rechtsfehler mangels Feststellungen, RIS‑Justiz RS0122332 [T12]) oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht aber dazu keine Feststellungen getroffen hat (dann Feststellungsmangel, zum Ganzen RIS‑Justiz RS0119091 und Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 659).
[16] Diversionelles Vorgehen nach (hier relevant) § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG in Bezug auf eine Tat nach § 27 Abs 1 SMG setzt voraus, dass die Kriterien des § 27 Abs 2 SMG erfüllt sind, die Tat also ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder, ohne dass der Täter daraus einen Vorteil gezogen hat, für den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen wurde. Wird dies sachverhaltsmäßig bejaht, ist diversionelles Vorgehen – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG; zu möglichem Diversionsausschluss bei Realkonkurrenz mit anderen strafbaren Handlungen nach dem SMG siehe sogleich) – stets geboten (arg „hat“ in § 35 Abs 1 SMG). Umgekehrt ist diversionelles Vorgehen nach § 35 Abs 1 SMG (iVm § 37 SMG) – logisch – niemals zulässig, wenn durch die Tat nur Abs 1 (und nicht auch Abs 2) des § 27 SMG erfüllt ist (zu diesem § 35 Abs 1 SMG [trotz dessen missverständlichen Wortlauts „§ 27 Abs 1 oder 2“] mit § 27 Abs 2 SMG übereinstimmenden Gesetzesverständnis eingehend 11 Os 21/18z, SSt 2018/11, EvBl 2018/99, 671 [Ratz], JSt 2019, 59 [zust Schwaighofer], RIS-Justiz RS0131952).
[17] Zwar hindert der Umstand, dass der Angeklagte – wie hier – weiterer, mit dem Suchtmittelgesetz in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen schuldig erkannt wird, eine vorläufige Verfahrenseinstellung hinsichtlich einzelner Taten gemäß § 37 SMG iVm § 35 SMG nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0113621) nicht. Zu den zusätzlichen Voraussetzungen und Bedingungen diversionellen Vorgehens (§ 37 SMG) zählt aber, dass die Diversionsvoraussetzungen (§ 35 SMG) auch für alle weiteren realkonkurrierenden Taten nach dem SMG erfüllt sind. Ist dies nur hinsichtlich einer davon nicht der Fall, ist diversionelles Vorgehen auch in Ansehung der übrigen unzulässig (RIS‑Justiz RS0113621 [T5] und Schroll/Kert, WK‑StPO § 203 Rz 34 f).
[18] Alle vom Schuldspruch umfassten Taten nach dem SMG (Schuldspruch III und IV) sind solche nach § 27 Abs 1 SMG. Von diesen erfüllen – nach den Urteilsfeststellungen – die vom Schuldspruch III 1 a und 2 umfassten auch § 27 Abs 2 SMG (und damit zugleich das angesprochene Diversionskriterium des § 35 Abs 1 SMG).
[19] Was die vom Schuldspruch III 1 b und IV umfassten Taten betrifft, hat das Schöffengericht jedoch die Privilegierungsvoraussetzungen des § 27 Abs 2 SMG – und damit zugleich das erwähnte Diversionskriterium des § 35 Abs 1 SMG – in tatsächlicher Hinsicht keineswegs konstatiert (und sie somit folgerichtig auch nicht in rechtlicher Hinsicht bejaht). Der von der Generalprokuratur behauptete Rechtsfehler mangels Feststellungen liegt daher nicht vor.
[20] Zwar trifft es zu, dass der Urteilssachverhalt die Nichtannahme der Voraussetzungen des § 35 Abs 1 SMG deshalb trägt, weil das Schöffengericht in tatsächlicher Hinsicht keine Aussage dazu getroffen hat, ob die (zu III 1 b) geplanten und (zu IV) erfolgten Suchtgiftweitergaben an K* (US 6 f und 9) nach der Intention des Angeklagten ausschließlich uneigennützig für den persönlichen Gebrauch der Genannten stattfinden sollten (vgl zum Erfordernis Schroll/Kert, WK-StPO § 203 Rz 45).
[21] Solche Feststellungen zu einem Ausnahmesatz (vgl RIS-Justiz RS0122332 [T4]) aber wären nur dann zu treffen gewesen, wenn in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Beweisergebnisse auf einen Umstand hingedeutet hätten, der für die positive Beurteilung seiner Voraussetzungen den Ausschlag gäbe (erneut 11 Os 21/18z mwN [in Bezug auf § 37 SMG iVm § 35 Abs 1 SMG und auf § 27 Abs 2 SMG]), was hier nach Lage der Akten nicht der Fall ist. Somit überzeugte sich der Oberste Gerichtshof auch von keinem diesbezüglichen Feststellungsmangel.
[22] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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