European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00104.25F.1015.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wirdzurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach „§ 207a Abs 3 zweiter Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 1 idF BGBl I 117/2017“ (II 1), nach „§ 207a Abs 3 erster Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 3 lit a erster Fall StGB idF BGBl I 117/2017“ (II 2) und nach „§ 207a Abs 3 erster Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 3 lit b StGB idF BGBl I 117/2017“ (II 3) sowie mehrerer Vergehen des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach „§ 207a Abs 3 zweiter Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 1“ (III 1), nach „§ 207a Abs 3 erster Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 3 lit a erster Fall StGB“ (III 2) und nach „§ 207a Abs 3 erster Fall, Abs 3a, Abs 4 Z 3 lit b StGB“ (III 3) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in G*
(I) vom September 2016 bis zum März 2021 mit einer unmündigen Person dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er die * 2009 geborene B* H* wiederholt digital sowie einmal lingual penetrierte und einmal den Analverkehr an ihr vollzog.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Aussagepsychologie zum Nachweis der mangelnden Aussagekraft der Aussagen der B* H* (ON 46 S 27) zu Recht abgewiesen (ON 46 S 27).
[5] Die mit dem Antragsvorbringen angesprochene Überzeugungskraft von Personalbeweisen (hier der Glaubhaftigkeit der Angaben einer Zeugin) obliegt der Beurteilung durch das Gericht (§ 258 Abs 2 StPO), wobei nur ausnahmsweise die Hilfestellung eines Sachverständigen in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0120634 und RS0097733 [insb T3]). Ein solcher Ausnahmefall wurde mit dem Hinweis auf Divergenzen in den Angaben der Zeugin und dem Einwand einer suggestiven Fragestellung im Ermittlungsverfahren (ON 46 S 27) nicht dargetan.
[6] Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar, als sie (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidend sind (RIS‑Justiz RS0117499). Einen solchen Aspekt spricht der Beschwerdeführer (weil insoweit weder das Schutzalter noch Verjährung in Frage stehen) mit der Kritik an der vom Erstgericht unterlassenen Konkretisierung der zwischen September 2016 und März 2021 gelegenen Tatzeitpunkte (RIS‑Justiz RS0098557 [T14]) nicht an. Ebenso wenig betrifft die exakte Anzahl der Übergriffe eine entscheidende Tatsache, weil das Erstgericht die vom Schuldspruch I erfasste, gleichartige Verbrechensmenge insoweit nur pauschal individualisierte (US 6; [RIS‑Justiz RS0116736; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33 und 406]).
[7] Die Verantwortung des Angeklagten wurde von den Tatrichtern bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht übergangen, sondern (mit eingehender Begründung) als unglaubwürdig verworfen (US 15). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Aussage waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295 [T7]). Dass das Gericht aus den Verfahrensergebnissen nicht die vom Angeklagten gewünschten Schlüsse zog, begründet keine Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0098400 [insb T8 bis T11]).
[8] Verfahrensergebnisse, wonach einer der Tatorte einsehbar und stark frequentiert sein soll, stehen dem Ausspruch über entscheidende Tatsachen nicht erörterungsbedürftig (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) entgegen.
[9] Mit Behauptungen der Art, dass das Gericht bestimmte Aspekte ohnehin verwerteter Beweismittel nicht oder nicht den Intentionen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt habe, wird weder eine Unvollständigkeit noch eine offenbar unzureichende Begründung geltend gemacht, sondern nur nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StGB) Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) bekämpft (RIS‑Justiz RS0099599).
[10] Soweit die Rüge die Glaubwürdigkeitsbeurteilung angreift, übersieht sie, dass die erstgerichtliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist –, einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588 [T3, T4, T8, T9 und T13]).
[11] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Mit der Kritik an der Beurteilung der Aussage der Zeugin B* H* als glaubwürdig wird kein solches Fehlzitat behauptet.
[12] Mit dem Hinweis auf die vom Bereich der „Müllinsel“ aufgenommenen Lichtbilder (ON 7.16 und 17.5), die leugnende Verantwortung des Angeklagten und die Angaben des Zeugen L* (ON 46 S 18), wonach ihm B* H* zunächst nur von einer Vergewaltigung in der Wohnung erzählt habe, sowie jene der Y* H* (ON 46 S 25), wonach sie nie bemerkt habe, dass der Angeklagte alleine mit ihrer Tochter gewesen sei (dazu US 17 f), weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[14] Die Entscheidung über die Berufung und die als erhoben zu betrachtende Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) gegen den – verfehlt (§ 494a Abs 4 StPO) in Urteilsform ergangenen – Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit (US 3 f) kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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