OGH 13Os41/25s

OGH13Os41/25s15.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Schiener in der Strafsache gegen * R* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des * H* gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 3. Dezember 2024, GZ 12 Hv 54/24v‑842, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00041.25S.1015.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – insoweit unbekämpft geblieben – * R* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB idF BGBl I 2015/154 (I) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB idF BGBl I 2017/117 (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom Dezember 2017 bis zum 11. Februar 2018 in G* und andernorts

(I) im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit mehreren weiteren Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung (II) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in zahlreichen Angriffen andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, dass die von den Getäuschten in Kryptowährungen zur Finanzierung des Geschäftsmodells „LoopX“ bezahlten Beträge zur Weiterentwicklung einer Trading-Software verwendet würden, wodurch ein Profit von wöchentlich 10 % generiert werden könne, zum Erwerb von vermeintlich werthaltigen „LoopX“‑Token auf der Ethereum‑Blockchain, somit zu Handlungen verleitet, die eine Vielzahl von Opfern im 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt rund 5,7 Mio Euro am Vermögen schädigten, und

(II) eine kriminelle Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) gegründet oder sich an einer solchen als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) beteiligt, indem er sich mit anderen (I) auf längere Zeit angelegt zusammenschloss, damit von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Verbrechen, nämlich schwere Betrügereien, ausgeführt werden, und er im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung die zu I bezeichnete strafbare Handlung beging.

[3] Hingegen wurde * H* von der wider ihn erhobenen (mit dem Schuldspruch des R* gleichlautende Vorwürfe beinhaltenden) Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

[4] Nach § 20 Abs 1 StGB wurden hinsichtlich H* „die auf dem Behördenwallet erliegenden und mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. Oktober 2024 beschlagnahmten 0.80453301 Bitcoin“ für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen diesen Verfallsausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des * H*.

[6] Die Tatrichter konstatierten, dass * R* und zahlreiche Mittäter im Rahmen des eingangs dargestellten Betrugsgeschehens Investoren „LPX‑Token“, die tatsächlich wertlos waren, gegen Kryptowährungen (Bitcoin [BTC] und Ether [ETH]) zum Kauf anboten. Insgesamt fanden über 7.500 Transaktionen statt, bei denen hunderte Opfer Kryptowährungen im Gesamtwert von rund 5,7 Mio Euro investierten, die die Täter lukrierten. * H* wurde von einem der Mittäter angeworben und arbeitete, ohne in die betrügerischen Pläne eingeweiht zu sein, an diesem „Krypto‑Betrug“ mit, indem er die verkauften Token innerhalb von zwei bis drei Tagen entsprechend einer Liste an die Investoren verteilte. Als Gegenleistung war vereinbart, dass H* eine nicht genau definierte Anzahl an „LPX‑Token“ als „Entlohnung“ erhalten werde (US 5 ff [8] und 31).

[7] H* erhielt für seine Tätigkeit „einen Anteil von 1,21 BTC“ zum damaligen Gegenwert von etwa 10.000 Euro. Dieser „hohe Betrag“ resultierte „nicht daraus, dass die Tätigkeit des H* so viel wert gewesen wäre“, sondern er sollte „auch das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung“ abgelten. Dieser „an H* ausbezahlte Gewinnanteil“ stellte „allenfalls in sehr geringem Ausmaß eine Entlohnung für seine Tätigkeit dar“, die „Studenten“ „für EUR 10,-- pro Stunde“ gemacht hätten (US 9 f, 31 und 38).

[8] H* entnahm in der Folge 0,40546699 Bitcoin mit einem damaligen Gegenwert von etwa 3.600 Euro. Der Rest von 0,80453301 Bitcoin verblieb auf dem „Wallet“ bis er es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auf ein „Behördenwallet“ transferierte. Diesbezüglich stellten die Tatrichter fest, dass H* „als Entlohnung für seine Tätigkeit […] ohnehin einen Anteil von etwa EUR 3.600,-- erhalten hat“, sodass hinsichtlich der beschlagnahmten „etwa 0,8 BTC keinesfalls von Entgeltlichkeit ausgegangen werden“ kann (US 9 und 38).

[9] Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte (zum Begriff Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 1 ff, zur Rechtsnatur von Kryptowährungen eingehend 11 Os 49/24a [Rz 13 mwN]), die – soweit hier von Bedeutung – durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangt wurden (sog „Tatbeute“), für verfallen zu erklären (gegenstandsbezogener Verfall, Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 2). Geht die Beute an einen Dritten, so trifft diesen der Verfall, sofern nicht der Ausschlussgrund des § 20a Abs 2 Z 1 StGB zur Anwendung gelangt (Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 13 sowie § 20a Rz 1).

[10] Nach § 20a Abs 2 Z 1 StGB ist der Verfall gegenüber einem Dritten ausgeschlossen, soweit dieser die Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung entgeltlich erworben hat.

[11] Der Begriff der Entgeltlichkeit richtet sich nach dem Zivilrecht. Entgeltlich ist ein Erwerb dann, wenn für eine Leistung eine Gegenleistung hingegeben wird (§ 917 ABGB; Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 10; Schmidthuber, Konfiskation, Verfall und Einziehung [145] sowie Löcker in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 938 Rz 10).

[12] Unentgeltlichkeit hingegen liegt etwa bei einer Schenkung (§ 938 ABGB) vor. Diese erfordert die objektive Bereicherung des Geschenknehmers (vgl RIS‑Justiz RS0018795), das Fehlen einer Leistungsverpflichtung des Geschenkgebers (Freiwilligkeit, RIS‑Justiz RS0018833) und Schenkungsabsicht (RIS‑Justiz RS0018833; 2 Ob 205/22v [Rz 27]; Kellner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 938 Rz 16 f). Im Fall einer Schenkung ist daher der Verfall des Originalvermögenswerts gegenüber einem Dritten (bei dessen Unkenntnis von der mit Strafe bedrohten Handlung) im Sinn des § 20a Abs 2 Z 1 StGB zulässig.

[13] Soweit die Rüge die Unzulässigkeit des Verfallsausspruchs reklamiert, weil H* „nicht die […] Bitcoin, sondern einen Betrag von € 10.000,00 als Gegenleistung für seine Tätigkeiten“ erhalten habe, orientiert sie sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht an den (gegenteiligen, eingangs referierten) Urteilskonstatierungen (US 9).

[14] Die vermisste Feststellung zum Ausmaß des entgeltlichen und unentgeltlichen Teils der Zuwendung findet sich – von der Rüge übergangen (siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0099810) – auf US 38, wonach jedenfalls der beschlagnahmte Teil von „etwa 0,8 BTC“ unentgeltlich überlassen wurde.

[15] Die sogenannte „gemischte Schenkung“ setzt sich aus einem entgeltlichen Teil (etwa Kaufvertrag, Dienstvertrag) und einem unentgeltlichen Teil (Schenkung) zusammen. Dieses gesetzlich nicht geregelte Vertragsverhältnis meint Zuwendungen, für die eine geringwertigere Gegenleistung vereinbart ist, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass hinsichtlich der Differenz Unentgeltlichkeit vorliegt. Die Gegenleistung darf nach der Parteienabsicht für sich allein also keine vollständige Abgeltung der Leistung sein. Bei der Beurteilung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Lassen sich die entgeltlichen und unentgeltlichen Elemente klar trennen, können sie gemäß ihrer Natur behandelt werden, etwa indem für den entgeltlichen Teil Kaufrecht, für den unentgeltlichen Teil Schenkungsrecht angewendet wird (sog „Trennungstheorie“; zum Ganzen RIS‑Justiz RS0019356, RS0019371 [T2 und T5], RS0019293 und RS0018795; 2 Ob 205/22v [Rz 28]; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 917 Rz 14; Kellner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 938 Rz 16 und 36 f mwN; Löcker in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 938 Rz 18 f).

[16] Diesem zivilrechtlichen Ansatz folgend sind auch beim Erwerb von Vermögenswerten im Sinn des § 20 Abs 1 StGB durch einen gutgläubigen Dritten, dem eine geringwertigere Gegenleistung des Dritten gegenübersteht, die Vermögenswerte (die Leistung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu trennen und nur Letzterer ist nach § 20 Abs 1 StGB für verfallen zu erklären (Schmidthuber, Konfiskation, Verfall und Einziehung [145] sowie Hohenecker in Preuschl/Wess, Praktikerkommentar § 20a StGB Rz 3; differenziert Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 10).

[17] Davon ausgehend leitet die Rüge ihre (auf bloß eine Kommentarstelle [Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 10] gestützte) Behauptung, im Fall einer „gemischten Schenkung“ sei „hinsichtlich des Gesamtbetrags von Entgeltlichkeit auszugehen“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

[18] Das Gleiche gilt für den Einwand, der gegenständliche Verfallsausspruch dürfe sich „höchstens auf einen Betrag von € 10.000,00 belaufen“, weil „maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Verfalls“ jener sei, „zu welchem der (vom Verfall betroffene) Dritte eine werthaltige Leistung empfangen hat“. Denn dieser erklärt nicht, weshalb es beim gegenstandsbezogenen Verfall nach § 20 Abs 1 StGB (hier von Bitcoin) auf den Wert im Verfallszeitpunkt ankommen sollte (siehe Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 2 und 44).

[19] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[20] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[21] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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