OGH 14Os88/25k

OGH14Os88/25k7.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * K* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 7. Mai 2025, GZ 614 Hv 1/25s‑292.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00088.25K.1007.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten * K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit hierrelevant – * K* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 5. Juli 2024 in W* * A* oder * Al* oder * S* oder * Al K* oder * Kh* vorsätzlich zu töten versucht, indem er zusammen mit zwei weiteren Personen mit seinem Fahrzeug zum im Urteil beschriebenen Tatort fuhr und dort mit einer Faustfeuerwaffe sechs Mal auf die Genannten schoss, diese aber verfehlte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6, 9 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K* ist nicht im Recht.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert, dass in der Hauptfrage 1 durch das Anführen sämtlicher Opfer mehrere Verbrechen nach §§ 15, 75 StGB zusammengefasst worden seien. Sie legt aber nicht dar, aus welchem Grund der Schwurgerichtshof das ihm bei der Zusammenfassung von Hauptfragen, die auf echt konkurrierende strafbare Handlungen gerichtet sind, zu einer einzigen Hauptfrage zustehende Ermessen (§ 317 Abs 2 StPO) angesichts der Befugnis der – darüber (so insbesondere auch über die Folgen von Streichungen) instruierten (ON 292.1.3, 2 und 292.1.4, 13) – Geschworenen zu eingeschränkter Bejahung nach § 330 Abs 2 StPO überschritten haben soll (vgl RIS‑Justiz RS0118085 und im gegebenen Zusammenhang RS0100893 [T6]; zu prozessordnungskonformer Geltendmachung von Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO RIS‑Justiz RS0116961).

[5] Der weitere Einwand, die Hauptfrage 1 weiche entgegen § 312 Abs 1 StPO von der Anklage ab, weil sie durch die hinsichtlich der Opfer formulierten Alternativen „auch die Variante der Begehung lediglich einer versuchten Tötung ermöglicht“, ist nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§§ 344, 282 Abs 2 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 15). Im Übrigen wird nicht klar, weshalb die Zusammenfassung jener der Anklage zugrunde liegenden (fünf) strafbaren Handlungen (nach §§ 15, 75 StGB) zu einer (hier einzigen) Hauptfrage durch Aufnahme von (fünf) Alternativen in Ansehung der Opfer (ON 292.1.5, 2) dem Grundsatz anklagekonformer Fragestellung (§ 312 Abs 1 StPO) widerstreiten sollte.

[6] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben einer – alternativ abzufassenden (RIS‑Justiz RS0100451 [T7]) – eigentlichen Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach den Strafausschließungsgründen der Nothilfe (§ 3 Abs 1 StGB) und der Putativnothilfe (§ 8 StGB). Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Frage und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, also zB des die Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0117447, RS0119417). In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse vermögen eine Zusatzfrage aber nur dann zu indizieren, wenn sie für die diesbezügliche Entscheidung der Geschworenen erheblich sind. Unter dem Aspekt prozessordnungskonformer Fragestellung sind sie somit relevant, wenn sie im schöffengerichtlichen Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig wären (RIS‑Justiz RS0100396 [T1]; Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 7 f; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 42).

[7] Die Aussage des Beschwerdeführers, der zwar davon spricht, dass er zum Tatort gefahren sei, weil der Bruder eines Bekannten „Stress mit Syrern“ gehabt habe, aber bestreitet, sich überhaupt in der Nähe jenes Bereichs aufgehalten zu haben, in dem die Schüsse gefallen sind (ON 285, 6 ff), sowie Beweismittel zu zuvor in räumlicher Nähe zum späteren Tatort stattgefundenen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen stellen jedoch keine derartigen für die Annahme eines Angriffs auf einen anderen iSd § 3 Abs 1 StGB oder eines Irrtums darüber (§ 8 StGB) und einer deshalb gesetzten (notwendigen) Abwehrhandlung des Angeklagten K* erhebliche Verfahrensergebnisse dar.

[8] Der Forderung der weiteren Fragenrüge nach Stellung einer Eventualfrage in Richtung Beitrags zum versuchten Mord nach §§ 12 dritter Fall, 15, 75 StGB liegt die Behauptung zugrunde, Verfahrensergebnisse würden indizieren, dass der Beschwerdeführer – beruhend auf einem gemeinsamen Tatplan – durch Verbringen der unmittelbaren Täter zum Tatort zur Ausführung deren strafbaren Handlungen beigetragen habe. Seine dazu ins Treffen geführte Verantwortung, er habe gar nicht gewusst, dass er „Schreckschusspistolen“ transportiert habe (ON 285, 7) und es sei darum gegangen, in einem Streit zwischen „Kinder[n]“ und „Jugendlichen“ zu schlichten (ON 285, 5 und 12 f), stellt nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung kein ernst zu nehmendes Indiz für den in der Beschwerde dargestellten Tatplan dar (RIS‑Justiz RS0100860 [T1]). Gleiches gilt für die weiters genannten Zeugen, die – von Mag. R* abgesehen (siehe zu diesem Zeugen gleich unten) – das Geschehen vor den Schussabgaben im Park nicht beobachteten, allesamt den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht wiedererkannten und – auch nach dem Beschwerdevorbringen – keine Angaben über den im Zeitpunkt der Fahrt zum Tatort bestehenden Tatplan des Beschwerdeführers und der anderen beiden Beteiligten machten. Im Übrigen gibt die Beschwerde die Aussage des Zeugen Mag. R* unvollständig wieder (vgl aber Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 8 mwN). Denn das Tatfahrzeug verließ nach dessen Angaben das Blickfeld des Zeugen, sodass er nicht ausschließen konnte, dass der Fahrer (nachdem er das Fahrzeug geparkt hatte) ausstieg (ON 285, 56 f).

[9] Entgegen der Kritik am Unterbleiben einer Eventualfrage nach dem Vergehen nach § 107 Abs 1 und 2 StGB indizieren die bereits geschilderte Verantwortung des Angeklagten K* und die Zeugenaussagen über die Schussabgaben nicht, dass K* durch die Schüsse bloß mit dem Tod drohte, um die Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen. Denn zum einen bestreitet K*, überhaupt geschossen zu haben, zum anderen schildern die Zeugen gezielt gegen Personen gerichtete Schüsse, also nicht ein Inaussichtstellen des behaupteten Übels, sondern dessen (versuchte) Zufügung (vgl zum Eindruck des Opfers A*, wonach ihnen der Schütze bloß habe Angst machen wollen [ON 285, 34] RIS‑Justiz RS0097545 [T12]).

[10] Soweit die Fragenrüge auch hier eine Eventualfrage nach §§ 12 dritter Fall, 107 Abs 1 und 2 StGB unter Hinweis auf die bereits erörterten Verfahrensergebnisse fordert, ist sie auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Demnach indizieren die Verfahrensergebnisse weder eine als Drohung mit dem Tod zu qualifizierende Verwendung der Waffe noch einen im Zeitpunkt der Anfahrt zum Tatort bestehenden, darauf gerichteten Tatplan zwischen dem Beschwerdeführer und den beiden anderen Beteiligten.

[11] Mit der Behauptung, die Geschworenen hätten die auf „die Verbrechen des Mordes“ gerichtete Hauptfrage 1 bejaht, obwohl sie durch Streichung des Wortes „und zwischen den Namen der fünf Syrer“ zum Ausdruck brachten, dass der Angeklagte „lediglich eine Person habe töten wollen“ wird ein Mangel des Wahrspruchs im Sinn der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO nicht dargetan. Ein solcher liegt nämlich nur vor, wenn der Wahrspruch (die Feststellungsebene) zufolge seiner Undeutlichkeit, seiner Unvollständigkeit oder seines inneren Widerspruchs kein verlässliches Bild von der Meinung der Geschworenen abgibt und damit als Basis für ein Urteil unbrauchbar ist (RIS‑Justiz RS0101005, RS0123182).

[12] Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [T13, T16 und T17]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 470 und 490).

[13] Soweit die Tatsachenrüge (Z 10a) ihre Einwände aus der Niederschrift der Geschworenen und somit nicht aus den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen entwickelt, verlässt sie diesen Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0100809; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 16).

[14] Im Übrigen gelingt es der Rüge nicht, mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten und Aussagen von Zeugen, die den Beschwerdeführer nicht als Täter identifizieren konnten (zum Zeugen Mag. R* vgl die Antwort auf die Fragenrüge), – solcherart auf Basis bloß isoliert herangezogener Verfahrensergebnisse (vgl aber RIS‑Justiz RS0117961 [T5 und T7]) – erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen getroffenen Feststellungen zu wecken.

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten K* folgt (§ 285i iVm § 344 StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte