OGH 14Os93/25w

OGH14Os93/25w7.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * B* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juni 2025, GZ 71 Hv 54/25t‑35.2, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00093.25W.1007.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, „Abs 2 Z 2“, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 15 StGB (I./A./a./) sowie des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten

I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB), wobei er bereits zwei Mal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (mit dem zu 6./ genannten Reinheitsgehalt, im Übrigen beinhaltend 14,15 % THCA und 1,08 % Delta-9-THC), Cannabisharz (beinhaltend 29,53 % THCA und 2,25 % Delta-9-THC), MDMA (beinhaltend 72,8 % MDMA) und Kokain (beinhaltend 75,83 % Cocain)

A./ anderen überlassen, verschafft oder zu verschaffen versucht, nämlich

a./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar

1./ zwischen Jänner und Sommer 2023 * Ba* und * G* insgesamt 150 Gramm Kokain;

2./ zwischen Juni und November 2023 Ba* insgesamt 350 Gramm Kokain und 100 Gramm Cannabisharz;

3./ im Dezember 2023 Ba* 25 Gramm Kokain, indem er die Übergabe des Suchtgifts durch * S* organisierte;

4./ vor dem 7. April 2024 unbekannten Abnehmern 200 Gramm Kokain und 3.000 Gramm Cannabiskraut;

5./ am 7. April 2024 unbekannten Abnehmern 2.000 Gramm Cannabiskraut;

6./ am 8. April 2024 * D* 4.069,9 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 0,77 % Delta‑9‑THC und 9,93 % THCA);

7./ am 3. Juni 2024 * T* 50 Gramm Cannabiskraut;

II./ am 10. Jänner 2025 versucht, den Polizeibeamten * Sc* mit Gewalt an seiner Fixierung und seiner Festnahme zu hindern, indem er sich mittels Drehbewegung wand und in Richtung von Sc* trat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Entgegen der zum Schuldspruch zu I./A./a./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 erster Fall) ist die Feststellung zur zeitlichen Komponente der kriminellen Vereinigung – unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS-Justiz RS0117995 [T1, T3]) – keineswegs undeutlich, hat doch das Erstgericht unmissverständlich konstatiert, dass die „auf Suchtgifthandel im großen Stil“ spezialisierte kriminelle Vereinigung „auf zumindest mehrere Jahre“ angelegt war (US 10).

[5] Der zum Schuldspruch zu II./ erhobene Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten (US 12) versagt, weil das Erstgericht diese Konstatierungen nicht nur auf das – sämtliche Anklagepunkte mit Ausnahme des Verschaffens von 5.000 Gramm Kokain für * A* (vgl Punkt I./A./a./7./ der Anklageschrift ON 3) umfassende – Geständnis des Angeklagten (ON 35.1, 7) gestützt, sondern auch – zulässig und unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882) – aus dem äußeren Geschehensablauf abgeleitet hat, was die Beschwerde übergeht (US 24; vgl RIS‑Justiz RS0119370).

[6] Dass darüber hinaus (offenkundig versehentlich) das Geständnis des „Zweitangeklagten“ (anstelle des Angeklagten B*) begründend herangezogen wurde (US 24), stellt – der Beschwerde zuwider – keinen aus Z 5 erster oder vierter Fall beachtlichen Mangel dar.

[7] Schuldig gesprochen wird der Angeklagte stets nur, diejenigen strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien) – durch eine oder mehrere Handlungen – begründet zu haben, die das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nennt (vgl RIS-Justiz RS0116266; zur Möglichkeit verdeutlichender Heranziehung der Entscheidungsgründe vgl 13 Os 17/13v; RIS‑Justiz RS0116669; zuletzt 14 Os 81/25f, 14 Os 82/25b).

[8] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den zum Mitangeklagten S* ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (I./C./) thematisiert, übersieht sie, dass der Beschwerdeführer zum ins Treffen geführten Faktum I./C./3./ gar nicht schuldig gesprochen wurde, die Entscheidungsgründe vielmehr einen Freispruch (zufolge stillschweigender Subsidiarität von § 28 Abs 1 SMG im Verhältnis zu § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG; RIS‑Justiz RS0113820; 14 Os 81/24d) unmissverständlich zum Ausdruck bringen (US 27; vgl RIS‑Justiz RS0116266 [insb T9, T10]). Ein materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgrund kann aber nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) mit dem darauf angewendeten Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) dargetan werden (RIS-Justiz RS0099810 [T2]).

[9] Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) zu I./A./a./ legt nicht dar, weshalb die Feststellung, dass der Angeklagte Suchtgift als Mitglied eines „auf Suchtgifthandel im großen Stil“ spezialisierten und „auf zumindest mehrere Jahre“ angelegten Zusammenschlusses anderen überlassen wollte (US 10), die zeitliche Komponente des Zusammenschlusses (§ 28a Abs 4 Z 1 SMG [iVm § 278 Abs 2 StGB]) nicht subsumtionstauglich zum Ausdruck bringen sollte (RIS-Justiz RS0125232 [T7, T8]).

[10] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil das Erstgericht jene zwei Vorstrafen, welche einerseits die Anwendung des erhöhten Strafrahmens nach § 39 StGB bedingen und andererseits zugleich „das qualifizierende Merkmal der Strafdrohung des § 28a Abs 4 Z 1 SMG begründen“, „nochmals“ bei der Strafbemessung als Erschwerungsgrund herangezogen habe.

[11] Sie übersieht, dass der (gegenständlich zur Anwendung gelangte) § 39 Abs 1a StGB eine reine Strafrahmenvorschrift darstellt, sodass die erschwerende Wertung der rückfallbegründenden Vorverurteilungen in der Strafzumessung nicht gegen § 32 Abs 2 erster Satz StGB verstößt (RIS-Justiz RS0091527).

[12] Eine Vorstrafe, die als Voraussetzung für die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG herangezogen wurde, kann ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot im Rahmen der Strafbemessung als erschwerend berücksichtigt werden, wenn der Angeklagte mit dem darauf bezogenen Urteil nicht nur „einer Straftat nach Abs 1“ des § 28a SMG, sondern (wie hier im Falle des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2022, GZ 152 Hv 14/22a‑59) auch anderer Straftaten (konkret unter anderem des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 und 4 SMG sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB [US 8]) schuldig erkannt wurde (vgl 12 Os 149/15a). Da § 28a Abs 4 Z 1 SMG für die Erfüllung des Tatbestands nur eine Vorverurteilung wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verlangt, konnte die weitere Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5. April 2019, AZ 145 Hv 16/19i, wegen Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG gleichfalls – ohne Nichtigkeit zu bewirken – erschwerend herangezogen werden.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[14] Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass die Subsumtion des vom Schuldspruch zu I./A./a./ erfassten Sachverhalts (auch) nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG verfehlt war, weil die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 1 SMG jene des § 28a Abs 2 Z 2 SMG (bei [hier angenommener] gleichzeitiger Verwirklichung) zufolge Spezialität verdrängt (vgl RIS-Justiz RS0114258 [T3]).

[15] Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bietet keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme, weil er sich nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

[16] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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