OGH 7Ob130/25f

OGH7Ob130/25f25.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr, Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH, *, vertreten durch Mag. Erik Focke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 134.060,41 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Juni 2025, GZ 1 R 2/25h‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00130.25F.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Parteien besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2006, Fassung 2014) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1

Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?

1. Versicherungsfall

1.1. Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Punkt 2) erwachsen oder erwachsen können.

[...]

Artikel 7

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

1. Unter die Versicherung gemäß Artikel 1 AHVB fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

[...]“

[2] Darüber hinaus haben die Parteien folgende Deckungserweiterung vereinbart:

Mängelbehebungsrisiko im Insolvenzfall eines beauftragten Subunternehmers

1. In Erweiterung von Art. 1, Pkt. 2 sowie Art. 7, Pkt. 1.1 AHVB sind Ausführungsmängel nach Maßgabe folgender Bestimmungen mitversichert:

Das Mängelbehebungsrisiko ist ohne Unterschied, ob aus dem Titel der Gewährleistung oder aus dem Titel des Schadenersatzes und ohne Unterschied, ob die jeweiligen, vom Versicherungsnehmer beauftragten Subunternehmer dazu verhalten sind, oder der Versicherungsnehmer in seiner Funktion in der versicherten Risikoumschreibung dazu verhalten wird, ausschließlich insoweit versichert, als dass sich der Versicherungsschutz auf das Ausfallsrisiko, im Sinne einer Vorfinanzierung und vorbehaltlich der Abtretung des entsprechenden Anspruches des Versicherungsnehmers an den Versicherer gegen den jeweiligen Subunternehmer, bei einem Insolvenzverfahren eines vom Versicherungsnehmer beauftragten Subunternehmers erstreckt.

2. Die Versicherungssumme beträgt im Rahmen der Pauschalversicherungssumme EUR 100.000,--.“

[3] Die Klägerin wurde im Rahmen eines Bauprojekts mit Umbauarbeiten auf einer Liegenschaft beauftragt und zog eine Subunternehmerin bei.

[4] Über das Vermögen der Subunternehmerin wurde am 8. November 2021 * das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkurs wurde am 13. Mai 2022 aufgehoben und die Subunternehmerin wurde liquidiert.

[5] Die Klägerin machtein der Folge den offenen Werklohn gegen die Vertragspartnerin klageweise geltend. Diese Klage wurde mit der zusammengefassten Begründung rechtskräftig abgewiesen, dass die Vertragspartnerin berechtigt vom Vertrag zurückgetreten sei. Die Klägerin macht – soweit für das Revisionsverfahren relevant – den „Ausfallsschaden“ geltend.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung im Umfang von 83.370,37 EUR sA; im darüber hinausgehenden Umfang hob es das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

[7] Gegen das Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.

[8]

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[9] 2. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich strittig, ob die Beklagte aufgrund der vereinbarten Deckungserweiterung Versicherungsschutz zu gewähren hat:

[10] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[11] 2.2. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Dass die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen nicht bereits höchstgerichtliche Judikatur existiert, im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel ist, gilt nach ständiger Rechtsprechung dann nicht, wenn der Wortlaut der betreffenden Bestimmung so eindeutig ist, dass keine Auslegungszweifel verbleiben können (RS0121516 [T6]; 7 Ob 204/20f). Ein solcher Fall liegt hier vor:

[12] 2.3. Die Klägerin behauptet, ihre Subunternehmerin habe im Rahmen eines Bauprojekts mangelhafte Leistungen erbracht. Die Vertragspartnerin der Klägerin (Werkbestellerin) habedeshalb das vereinbarte Entgelt zurückbehalten und sei vom Vertrag zurückgetreten. Die Klägerin habe den noch offenen Werklohn gegen ihre Vertragspartnerin eingeklagt, sei jedoch unterlegen, weil das Gericht zum Ergebnis gekommen sei, dass die Subunternehmerin mangelhafte Leistungen erbracht und die Werkbestellerin berechtigt vom Vertrag zurückgetreten sei. Der Klägerin sei daher ein „Ausfallsschaden“ (in Höhe des offenen Werklohns) entstanden, den die Beklagte aufgrund der Insolvenz der Subunternehmerin zu decken habe.

[13] Der Oberste Gerichtshof hat zu einer vergleichbaren Klausel ausgesprochen, dass das Risiko, als versicherter Werkunternehmer mit von einem Professionisten (Subunternehmer) verursachten Mängelbehebungskosten belastet zu werden, nur dann versichert ist, wenn der verantwortliche Subunternehmer mittlerweile insolvent geworden ist, sodass der Werkunternehmer, der dafür dem Werkbesteller gegenüber einzustehen hat, diesen Aufwand nicht oder nicht mehr im vollen Umfang dem verantwortlichen Subunternehmer überwälzen kann (vgl 7 Ob 224/08d). Die Versicherungsdeckung setzt somit nach dem klaren Wortlaut der Bedingung voraus, dass ein Subunternehmer des versicherten Werkunternehmers eine mangelhafte Leistung gegenüber dem Werkbesteller erbracht hat, woraus (gemäß § 1313a ABGB) ein Mängelbehebungsanspruch des Werkbestellers gegen den Werkunternehmer aus dem Titel des Schadenersatzes und/oder der Gewährleistung resultiert. Dieser Anspruch muss vom versicherten Werkunternehmerbefriedigt worden sein, der dadurch einen Regressanspruch gegen den Subunternehmer erwirbt (vgl § 1313 Satz 2 ABGB). Diesen Regressanspruch kann der versicherte Werkunternehmer jedoch aufgrund der Insolvenz des Subunternehmers nicht (zur Gänze) durchsetzen. Die Verpflichtung zur Abtretung des Regressanspruchs an den Betriebshaftpflichtversicherer bezweckt, dass dieser die Forderung anstelle des versicherten Werkunternehmers im Insolvenzverfahren des Subunternehmers geltend machen kann.

[14] Die Verneinung der Versicherungsdeckungdurch die Vorinstanzen findet Deckung in der dargestellten Rechtsprechung und dem eindeutigen Wortlaut der Klausel: Die Klägerin behauptet nämlich gar nicht, sie habeden Mängelbehebungsanspruch ihrer Vertragspartnerin (der Werkbestellerin) befriedigt und dadurch einen (nicht durchsetzbaren) Regressanspruch gegen die Subunternehmerin erworben. Vielmehr behauptet sie, ihr sei ein „Ausfallsschaden“ in Höhe des offenen Werklohns entstanden, weil sie den Prozess auf Zahlung des Werklohns gegen ihre Vertragspartnerin wegen mangelhafter Leistungen ihrer Subunternehmerin verloren habe. Dieses Vorbringen der Klägerin kann aber nach dem klaren Wortlaut der Klausel den Deckungsanspruch nicht begründen, sodass es auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Fragen nicht mehr ankommt.

[15] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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