OGH 7Ob167/25x

OGH7Ob167/25x25.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* S*, vertreten durch die KOCH Rechtsanwälte GmbH in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 25.200 EUR sA und Rente, über die „außerordentliche Revision“ der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juli 2025, GZ 33 R 69/25x‑79, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00167.25X.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt 25.200 EUR an rückständigen Renten und ab Juli 2022 eine laufende Rente von 900 EUR auf Lebensdauer, im Fall seines Ablebens vor dem 1. 3. 2040 ab dem Zeitpunkt seines Ablebens bis inklusive Februar 2040 an seine Erben, aus einem mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherungsvertrag. Er sei durch einen Sturz derart an der Schulter verletzt, dass eine dauernde Invalidität von zumindest 35 % und eine Berufsunfähigkeit vorliege.

[2] Die Beklagte wendet – soweit noch wesentlich – ein, bei einer Invalidität von mindestens 35 % aber unter 50 % stehe für den Fall der aus dem Unfall resultierenden völligen Berufsunfähigkeit ab Vollendung des 62. Lebensjahrs nur mehr die halbe Unfall-Lebensrente zu.

[3] Das Erstgerichtverpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 25.200 EUR und erkannte die Beklagte weiters schuldig, dem Kläger ab Juli 2022 monatlich im Vorhinein auf dessen Lebensdauer, im Fall seines Ablebens vor dem 1. 3. 2040 ab dem Zeitpunkt seines Ablebens bis inklusive Februar 2040 dessen Erben, eine monatliche Rente von 900 EUR bis zum Erreichen des 62. Lebensjahrs des Klägers und ab dem Tag, an dem der Kläger das 62. Lebensjahr erreicht, 450 EUR zu zahlen. Das Mehrbegehren, dem Kläger ab Erreichen des 62. Lebensjahres eine weitere monatliche Rente von 450 EUR zu zahlen, wies es ab.

[4] Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen den klagsabweisenden Teil erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

[5] Die dagegen erhobene „außerordentliche Revision“ des Klägers legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vor.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Oberste Gerichtshof ist zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel (derzeit) aus folgenden Gründen nicht berufen:

[7] 1. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall der nachträglichen Zulassung nach § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die Revision für nicht zulässig erklärt hat.

[8] Eine Partei kann in einem solchen Fall nur einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde (§ 508 Abs 1 ZPO). Dieser Antrag nach § 508 ZPO ist mit der ordentlichen Revision zu verbinden und beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen. Der Rechtsmittelschriftsatz ist dem Berufungsgericht vorzulegen (§ 507b Abs 2 ZPO) und von diesem nach § 508 Abs 3 und 4 ZPO zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof darf über das Rechtsmittel nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623 [T17]).

[9] 2. Als Wert des Rechts auf den Bezug von ua Renten ist bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung gemäß § 58 Abs 1 JN anzunehmen.

[10] Eine Bewertung nach § 58 Abs 1 JN findet nur statt, wenn es sich um Streitigkeiten über das Recht zum Bezug der dort genannten Leistungen oder Nutzungen handelt. Die Bewertungsvorschrift ist nur anzuwenden, wenn es um die wiederkehrende Leistung als Ganzes, nicht jedoch nur um einzelne Teilbeträge geht (RS0111964). Ist Gegenstand des Rechtsstreits nicht die wiederkehrende Leistung an sich, sondern lediglich etwa deren Erhöhung um einen bestimmten Betrag, dann ist der Streitgegenstand nur mit dem Vielfachen des Erhöhungsbegehrens zu bewerten (vgl RS0031493).

[11] 2.1 Die Berufung des Klägers richtete sich gegen die Abweisung des Renten‑(mehr‑)begehrens von 450 EUR ab Erreichen des 62. Lebensjahres. Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahren waren daher nicht einzelne Teilbeträge, sondern der 450 EUR übersteigende Rentenanspruch an sich.

[12] 2.2 Das Berufungsgericht hat unter Verweis auf RS0042432 von einem Bewertungsausspruch Abstand genommen und in der Begründung darauf hingewiesen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 58 Abs 1 JN zu ermitteln sei. Dabei ging es von einer Bewertung mit der dreifachen Jahresleistung aus (450 EUR mal 36 = 16.200 EUR).

[13] 2.3 Da eine Rente aufgrund einer erlittenen Körperverletzung und der damit verbundenen Berufsunfähigkeit begehrt wird, ist der Anspruch – wie vom Berufungsgericht ausgeführt – gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten (vgl 7 Ob 38/16p – zu einer Rente aufgrund einer Lenkerschutzversicherung) und liegt unter 30.000 EUR.

[14] 3. Wird gegen eine Entscheidung, gegen die gemäß § 508 ZPO nur ein mit einer ordentlichen Revision verbundener Abänderungsantrag beim Berufungsgericht gestellt werden kann, eine ordentliche oder außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 508 ZPO zu werten sind (RS0109623).

[15] Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen. Das Erstgericht wird das Rechtsmittel demnach dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz der Beklagten den Erfordernissen des § 508 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, ist von den Vorinstanzen zu beurteilen (RS0109623 [T8]; RS0109501 [T12]).

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