OGH 13Os80/25a

OGH13Os80/25a24.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 62 U 155/24t des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil und den zugleich ergangenen Beschluss dieses Gerichts vom 19. Dezember 2024 (ON 15) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, sowie des Verurteilten * H* zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00080.25A.0924.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 62 U 155/24t des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau verletzen das Urteil dieses Gerichts vom 19. Dezember 2024 (ON 15) § 270 Abs 4 Z 2 StPO und der zugleich ergangene Beschluss (ON 15 S 3) § 86 Abs 1 StPO.

Das genannte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird betreffend * H* aufgehoben und es wird die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht St. Johann im Pongau verwiesen.

Der zugleich mit dem Urteil ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf der zu AZ 15 U 126/22s des Bezirksgerichts Josefstadt gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der betreffenden Probezeit wird ersatzlos aufgehoben.

 

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 19. Dezember 2024 (ON 15) wurde – soweit hier von Bedeutung – * H* eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Als bei der Strafbemessung erschwerend wertete das Erstgericht „zwei Vorstrafen“ (ON 15 S 3). Zugleich fasste es nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO den Beschluss, vom Widerruf der zu AZ 15 U 126/22s des Bezirksgerichts Josefstadt gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die (dazu bestimmte) Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Rechtliche Beurteilung

[2] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, stehen die genannten Entscheidungen des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[3] Ein in gekürzter Form ausgefertigtes Urteil hat im Fall einer Verurteilung – in Begründung der ausgesprochenen Sanktion (vgl § 270 Abs 2 Z 5 StPO) – die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände zu enthalten (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO).

[4] Ein Beschluss hat gemäß § 86 Abs 1 StPO neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung (ebenfalls) eine Begründung zu enthalten (§ 86 Abs 1 erster und vierter Satz StPO).

[5] Sind die in einer solchen Begründung enthaltenen tatsächlichen Annahmen mit einem formalen Begründungsmangel behaftet und solcherart willkürlich getroffen, sind sie rechtsfehlerhaft (RIS‑Justiz RS0126648 und RS0132725; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 7 und 17).

[6] Im Ergebnis zutreffend zeigt die Generalprokuratur auf, dass die den beiden bekämpften Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen, * H* sei bereits zweimal strafgerichtlich verurteilt worden, davon einmal vom Bezirksgericht Josefstadt zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, willkürlich – und somit (wie dargelegt) rechtsfehlerhaft – getroffen worden sind. Hat sich doch das Bezirksgericht St. Johann im Pongau insoweit jeweils über die einen Aktenbestandteil bildende Strafregisterauskunft hinweggesetzt, wonach * H* im Strafregister nicht verzeichnet ist (ON 13), und bezüglich der in dieser Auskunft als „ähnlich“ bezeichneten Personendaten übergangen, dass diese mit jenen des H* weder in Bezug auf den Vornamen, den Nachnamen, das Geburtsdatum, den Geburtsort und die Staatsangehörigkeit noch hinsichtlich der Vornamen von Vater und Mutter übereinstimmen (ON 13 S 1 f; vgl auch ON 12, 24 und 31).

[7] Aufgrund der dargestellten Begründungsfehler verletzt somit das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 19. Dezember 2024 § 270 Abs 4 Z 2 StPO, der zugleich gefasste Beschluss § 86 Abs 1 StPO.

[8] Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten auswirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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