OGH 3Ob137/25f

OGH3Ob137/25f24.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen *, geboren * 2019, wegen Obsorge und Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters *, vertreten durch Dr. Karin Gmeiner, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juni 2025, GZ 45 R 333/25s‑110, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00137.25F.0924.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das nunmehr sechsjährige Kind wurde am 14. 7. 2022 durch eine Maßnahme der Wiener Kinder- und Jugendhilfe aus dem Haushalt der – damals gemeinsam mit dem Vater obsorgeberechtigten – Mutter genommen. Seit 12. 12. 2022 lebt es bei einer Pflegefamilie. Den Eltern wurde mit Beschluss vom 9. 8. 2023 rechtskräftig die Obsorge im Bereich der gesamten Pflege und Erziehung entzogen und diese insoweit dem Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen. Mit Beschluss vom 11. 3. 2024 wurde ein begleitetes Kontaktrecht des Vaters im Ausmaß von einer Stunde alle drei Wochen festgesetzt.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Rückführung des Kindes in seine Pflege und Erziehung ab und weitete das Kontaktrecht auf zwei Stunden alle drei Wochen aus; den darüber hinausgehenden Kontaktrechtsantrag (unbegleitete Kontakte; zwei Stunden alle zwei Wochen) wies es ab.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seinem Revisionsrekurs zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[5] 1. Entgegen der Ansicht des Vaters ist es in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Voraussetzungen für einen Obsorgeentzug einerseits und für eine Wiederbetrauung mit der Obsorge andererseits unterschiedlich sind (3 Ob 68/22d [Rz 2]). Während die Entziehung oder Einschränkung elterlicher Rechte und Pflichten nur als äußerste Notmaßnahme gerechtfertigt werden kann und das Gericht nur einzuschreiten hat, wenn ihm Missbrauch oder Vernachlässigung der Erziehung angezeigt oder amtlich bekannt wird und eine konkrete ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes besteht (vgl RS0048699), muss dann, wenn eine solche Maßnahme bereits stattgefunden hat, bei einem Antrag auf Rückführung des Kindes in elterliche Pflege und Erziehung mit großer Wahrscheinlichkeit sichergestellt sein, dass nunmehr die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung durch den antragstellenden Elternteil, dem schon einmal die Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden musste, gewährleistet ist und keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes besteht (RS0009676). Die Rückübertragung der Obsorge setzt somit eindeutige Feststellungen dahin voraus, dass diese dem Kindeswohl dient (1 Ob 167/14m [Pkt 3.]; 8 Ob 49/17i [Pkt 3.]; 8 Ob 80/17y [Pkt 3.]). Dabei ist nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen, sondern auch eine Zukunftsprognose anzustellen. Ein Obsorgewechsel hat zu unterbleiben, wenn keine sichere Prognose über dessen günstigen Einfluss auf das Kind vorliegt (vgl RS0048632). Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0115719).

[6] Die Ansicht der Vorinstanzen, die Voraussetzungen für eine Wiederbetrauung des Vaters mit der Pflege und Erziehung seien nicht erfüllt, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach den Feststellungen hatte er während der ersten drei Jahre – abgesehen von Videotelefonie – zum Kind gar keinen Kontakt und in der Folge nur begleitete Kontakte im Ausmaß von zunächst einer Stunde monatlich, später einer Stunde alle drei Wochen. Ein Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters würde aber zum Verlust der engsten und wichtigsten Bezugsperson, nämlich der Pflegemutter führen, mit der das Kind eine Eltern-Kind-Beziehung aufgebaut und bei der es sich in den letzten beiden Jahren ausgezeichnet entwickelt hat. Eine Rückführung zum Vater würde somit eine konkrete und ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes bedeuten, zumindest ist eine solche nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen (vgl 1 Ob 99/16i [Pkt 2.2.]; 8 Ob 80/17y [Pkt 3.]).

[7] 2. Wenn der Vater in Bezug auf das Kontaktrecht ins Treffen führt, dass nach der Rechtsprechung bei Kleinkindern ein zweiwöchentlicher Rhythmus geboten sei (vgl RS0047735 [T6, T11 und T13]), zeigt er damit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die Entscheidung der Vorinstanzen, hier sei zu berücksichtigen, dass das Kind nunmehr in die Schule komme und auch die Kontakte mit seiner Mutter und seinen Halbgeschwistern sowie seine Ergo- und Logotherapie Zeit benötigten und all dies die Pflegemutter zu bewerkstelligen habe, weshalb ein nur dreiwöchiger Rhythmus in Betracht komme, hält sich im Rahmen des den Vorinstanzen zukommenden Entscheidungsspielraums.

[8] 3. Der Hinweis des Vaters, er habe unverschuldet eine Zeitlang seine Pflichten nicht erfüllen können und nur deshalb seine Obsorge verloren, ist schon deshalb nicht zielführend, weil ein Obsorgeentzug kein elterliches Verschulden voraussetzt (RS0048633 [T4]).

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