OGH 13Os79/25d

OGH13Os79/25d24.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * J* und eine Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten * D* gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 5. März 2025, GZ 50 Hv 122/24h‑59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00079.25D.0924.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurück-gewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten * D* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * J* und * D* jeweils des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 17. April 2024 in F* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) dem * Z* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem sie ihn zu Boden brachten, wobei er mit dem Kopf wuchtig auf dem Boden aufschlug, ihm am Boden liegend mehrere, teils mit der Faust ausgeführte Schläge in das Gesicht versetzten, wobei * D* wiederholt und wuchtig gegen den Kopf des * Z* schlug und ihm zumindest neun wuchtige Ohrfeigen in den Gesichtsbereich versetzte, während ihn * J* an den Beinen fixierte und zumindest dreimal mit dem Knie in den Genitalbereich trat, wodurch * Z* kurzzeitig das Bewusstsein verlor, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf und Verletzungen im Gesichtsbereich, insbesondere an der Lippe und am linken Auge, erlitt, wobei sein Auge derart anschwoll, dass er zwei Tage nichts sehen konnte und in der Folge Einblutungen am Auge aufwies.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * D*.

[4] Nach dem Urteilssachverhalt kam es zwischen * J*, * D* und dem Opfer zu einem Streit, dem eine tätliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Angeklagten und dem Opfer folgte. Nicht feststellen konnten die Tatrichter, wer die erste Tathandlung setzte (US 3). Feststellungen, die die rechtliche Beurteilung tragen, dass sich die Beschwerdeführerin mit ihren Tathandlungen nur der Verteidigung bediente, die notwendig war, um einen – gegen sie oder ihren Mitangeklagten gerichteten – gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Opfers auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen abzuwehren, oder irrtümlich von einem solchen Angriff ausging, also das Vorliegen einer Notwehr‑ (§ 3 Abs 1 StGB) oder einer Putativnotwehrsituation (§ 8 StGB) im Tatzeitpunkt, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Ein Feststellungsmangel (zum Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600) wird von der Beschwerdeführerin insoweit nicht geltend gemacht.

[5] Davon ausgehend wendet sich die einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin das Opfer kannte und es fürchtete (US 3) und wonach sie die Tathandlungen nicht aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken, sondern vielmehr aus Wut über das Verhalten des Opfers setzte (US 4), einwendende Beschwerde nicht gegen solche zu entscheidenden Tatsachen (zum Begriff RIS‑Justiz RS0117264). Gleiches gilt, soweit die Beschwerde eine unvollständige Begründung der letzteren Feststellung geltend macht (Z 5 zweiter Fall). Denn die rechtliche Prüfung, ob eine Notwehrüberschreitung aus sthenischem oder aus asthenischem Affekt vorlag (vgl § 3 Abs 2 StGB), setzt das Bestehen einer (Putativ‑)Notwehrsituation voraus (siehe dazu Lewisch in WK2 StGB § 3 Rz 165 ff und 189 ff).

[6] Die Verantwortungen der Beschwerdeführerin und ihresMitangeklagten zur subjektiven Tatseite haben die Tatrichter dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs übergangen, sondern mit eingehender Begründung als Schutzbehauptungen gewertet (US 7 f).

[7] Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Aussagen waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[8] Soweit die Beschwerde die Feststellungen zur Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB, US 4) als offenbar unzureichend begründet ansieht (Z 5 vierter Fall), orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Erwägungen (US 6 ff) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119370).

[9] Der Sache nach wendet sie sich bloß mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[11] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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