European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00079.25A.0924.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte bei der Beklagten eine landwirtschaftliche Maschine für seinen Betrieb. Anlässlich einer Probefahrt vor Abschluss des Kaufvertrags sprachen die Parteien über eine Zusatzausrüstung der Maschine (Zusatzbereifung und Rundumleuchten). Sie einigten sich schließlich auf einen (nach Abzug des Wertes einer vom Kläger zu übergebenden Eintauschmaschine verbleibenden) Kaufpreis von 86.500 EUR. In diesem Preis waren auch die besprochenen Umbauten bereits enthalten. Erst nach Abschluss des Kaufvertrags erklärte der Kläger, dass er den hydraulischen Oberlenker der Maschine hinten und vorne zugleich bedienen wolle, und in mehreren (näher festgestellten) Gesprächen wurde besprochen, dass ein dafür erforderlicher Umbau zusätzliche Kosten verursachen werde. Für die vom Kläger beauftragten und durchgeführten Umbauarbeiten entstanden der Beklagten schließlich Selbstkosten von 1.400 EUR. Diesen Betrag nahm die Beklagte in die Gesamtrechnung für den Kläger auf.
[2] Die landwirtschaftliche Maschine wurde dem Kläger geliefert und übergeben und die Eintauschmaschine mitgenommen. Der Kläger überwies schließlich 86.500 EUR an die Beklagte. In mehreren Telefonaten forderte der Kläger später die Herausgabe des Typenscheins für die neue Arbeitsmaschine. Die Beklagte hielt diesem Begehren den noch unbezahlten Betrag von 1.400 EUR entgegen.
[3] Der Kläger begehrte, die Beklagte zur Herausgabe des Typenscheins für die landwirtschaftliche Maschine zu verpflichten. Aus dem Kaufvertrag über die landwirtschaftliche Maschine schulde der Kläger der Beklagten nichts mehr. Den von der Beklagten erst ein halbes Jahr nach Übergabe des Eintauschgeräts eingeforderten Typenschein für seine alte (Eintausch‑)Maschine habe er anlässlich der Lieferung der neuen Maschine gemeinsam mit dem alten Gerät übergeben. Die nun begehrte Herausgabe des Typenscheins für die gekaufte Maschine sei eine Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag. Da kein Kaufpreis mehr offen sei, habe die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht am Typenschein.
[4] Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger den Kaufvertrag nicht erfüllt habe, weil er trotz Mahnungen die fällig gestellten 1.400 EUR nicht geleistet und den Typenschein für sein Eintauschgerät nicht übergeben habe. Der Kläger habe die zusätzliche Ausstattung der Maschine haben wollen und verbindlich erklärt, dass er die Kosten dafür übernehmen werde.
[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Betrag von 1.400 EUR für den Zusatzauftrag sei dem Kläger gegenüber fällig gestellt worden, indem die Beklagte diesen in die ihm übermittelte Rechnung aufgenommen habe. Es bestehe ein Zusammenhang dieses gesonderten Auftrags mit dem schriftlichen Kaufvertrag über die landwirtschaftliche Maschine. Da der Begriff des Aufwands für eine Sache nicht eng zu fassen und daher auch der von der Beklagten vorgenommene Aufwand darunter zu verstehen sei, werde das Zurückbehaltungsrecht zu Recht ausgeübt, weshalb die Klage auf Herausgabe des Typenscheins abzuweisen sei.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte die Entscheidung im stattgebenden Sinn ab. Ein Typenschein könne nicht Gegenstand einer Verpfändung oder einer Sicherungsübereignung sein; an einem solchen könne nur ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht begründet werden. Nach dem Inhalt der AGB der Beklagten sei aber nur ein Eigentumsvorbehalt vereinbart gewesen, auf den sich die Beklagte nicht berufen habe. Der Kläger habe seinen Herausgabeanspruch auf den Kaufvertrag gestützt und eine vertragliche Nebenverpflichtung zur Herausgabe behauptet. Damit scheitere eine Anwendung des § 471 ABGB, weil am Typenschein ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht nicht bestehen könne. Auch § 369 UGB sei nicht zugunsten der Beklagten anwendbar; ein solches Recht könne nämlich nur an einer pfändbaren Sache begründet werden und daher nicht an einem Typenschein. Eine vertragliche Vorleistungspflicht des Klägers, auf die sich die Beklagte ebenfalls gestützt habe, lasse sich ihren AGB nicht entnehmen. Auch auf § 1052 ABGB könne sich die Beklagte nicht berufen, weil eine besondere vertragliche Vereinbarung zur Ausfolgung des Typenscheins nicht einmal behauptet worden sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob an beweglichen Sachen, an denen kein Pfand begründet werden könne, dennoch ein (gesetzliches) Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB ausgeübt werden könne.
[7] Die Beklagte beantragt in ihrer Revision, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision und hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[10] 1.1 Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision mit den zu RS0009948 indizierten höchstgerichtlichen Entscheidungen, die vertraglich vereinbarten Rechte zur Zurückbehaltung eines Typenscheins (zur Sicherung des zum Ankauf eines Kraftwagens gewährten Darlehens) betrafen. Auf eine vertragliche Vereinbarung hat sich die Beklagte im Verfahren allerdings nicht gestützt. Vielmehr leitet sie (auch in der Revision) ihre Berechtigung, die Herausgabe des Typenscheins an den Kläger zu verweigern, nur daraus ab, dass aus dem zusätzlichen, erst nach Abschluss des Kaufvertrags vereinbarten „Auftrag“ ein weiterer Betrag von 1.400 EUR fällig gestellt und unbezahlt sei und dass sich der Kläger zu dieser Zahlung wirksam verpflichtet habe.
[11] 1.2 Weiters bezieht sich die Beklagte auf die Rechtsprechung zu § 471 ABGB, nach der der Begriff „Aufwand“ für eine Sache nicht eng zu fassen sei (RS0011488). Sie zieht daraus allerdings nur die Schlussfolgerung, dass der Kläger am Typenschein, der weder Bestandteil noch Zubehör des Fahrzeugs sei, nicht dinglich berechtigt sei. Der Kläger hat seinen Herausgabeanspruch nicht darauf gestützt, dass er Eigentümer des Typenscheins geworden sei, sondern hat die Herausgabe als eine Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag geltend gemacht. Auf den Inhalt des Kaufvertrags geht das Rechtsmittel aber nicht ein, sondern erschöpft sich vielmehr in der Wiedergabe von Lehrmeinungen zur allgemeinen Frage der Zulässigkeit der Begründung oder Ausübung von Zurückbehaltungsrechten an Gegenständen, die eine Verwertung nicht zulassen.
[12] 1.3 Die Auslegung konkreter Vereinbarungen rechtfertigt wegen der nicht über den Anlassfall hinausgehenden Bedeutung die Zulässigkeit der Revision ausnahmsweise nur dann, wenn von den Vorinstanzen ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042936; RS0044358). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte als Verkäuferin dem Kläger als Käufer der Maschine nach Zahlung des Kaufpreises und Übergabe des Geräts auch die zugehörigen Fahrzeugpapiere auszuhändigen habe, ist nicht korrekturbedürftig.
[13] 2.1 Die unterbliebene Aushändigung und der fehlende Besitz des Typenscheins haben für die Frage des Eigentumserwerbs an einem Kraftfahrzeug keine ausschlaggebende Bedeutung, weil der Typenschein das Eigentum an einem Kraftfahrzeug, das nach seiner Beschaffenheit auch eine körperliche Übergabe zulässt, nicht verbrieft (RS0011142 [T2] = RS0065847 [T1]).
[14] 2.2 Dass der Kläger mit der Übergabe sowie der – nach den Feststellungen vollständigen – Kaufpreiszahlung Eigentümer der landwirtschaftlichen Maschine wurde, ist unstrittig. Aus der Zahlungspflicht des Klägers für den zusätzlichen Auftrag über die Sonderausstattung der Maschine hätte die Beklagte allenfalls ein – hier zu keinem Zeitpunkt geltend gemachtes – Zurückbehaltungsrecht an der Maschine selbst einwenden können. Für ein Zurückbehaltungsrecht am Typenschein fehlt es auf Basis des festgestellten Sachverhalts hingegen an einem Rechtsgrund.
[15] 3. Die vom Berufungsgericht in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs aufgeworfene und in der Revision der Beklagten erörterte Frage eines gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts nach § 369 UGB an unpfändbaren Gegenständen ist für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Herausgabeanspruchs nicht relevant (vgl RS0111271). Insgesamt vermag die Revision damit keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[16] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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