European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00050.25F.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit 2.355,90 EUR (darin enthalten 392,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die klagende und gefährdete Partei (idF: Klägerin) betreibt eine Zahnklinik und verfügt über einen – auf Leistungen gemäß § 153a ASVG (§ 94a GSVG, § 95a BSVG, § 69 B‑KUVG) (sog „Gratiszahnspange“) beschränkten – Kassenvertrag.
[2] Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (idF: Beklagte) war zuletzt als Zahnarzt bei der Klägerin beschäftigt. Der Dienstvertrag enthält ein Konkurrenzverbot und eine Geheimhaltungsverpflichtung.
[3] Am 17. 2. 2025 erklärte der Beklagte mit einem Schreiben seines Vertreters den vorzeitigen Austritt. Seit 1. 5. 2025 praktiziert der Beklagte mit seiner Ehegattin in einer neu gegründeten zahnärztlichen Ordinationsgemeinschaft, die weniger als drei Kilometer Luftlinie von der Zahnklinik der Klägerin entfernt ist. Er verfügt über einen Kassenvertrag, der – ebenso wie jener der Klägerin – auf Leistungen gemäß § 153a ASVG (§ 94a GSVG, § 95a BSVG, § 69 B‑KUVG) beschränkt ist.
[4] Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens gemäß § 381 Z 2 EO, § 24 UWG die einstweilige Verfügung, den Beklagten zu verpflichten, es ab sofort bis einschließlich 17. 2. 2026 zu unterlassen, Zahnbehandlungen bei einem oder für ein Konkurrenzunternehmen in und um S* Stadt durchzuführen oder durchführen zu lassen, und es insbesondere zu unterlassen, in einer näher benannten Praxisgemeinschaft oder an jedem anderen Standort in und um S* Stadt tätig zu sein.
[5] Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags.
[6] Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Klägerin nicht Folge. Der Beklagte sei unzulässig vorzeitig ausgetreten. Der Klägerin sei jedoch der Beweis eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nicht gelungen. Auch dürfe die einstweilige Verfügung keine Sachlage schaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, was vorliegend der Fall wäre. Eine Auseinandersetzung mit dieser zusätzlichen Begründung des Erstgerichts fehle im Rekurs. Als einzigen Aspekt einer sittenwidrigen Konkurrenzierung im Sinne des § 1 UWG berufe sich die Klägerin im Rekursverfahren auf einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht. Sie übersehe aber, dass die vom Beklagten gegenüber der ÖGK verwendeten Patientendaten dieser bereits aufgrund der Sachleistungserbringung bekannt gewesen seien.
[7] Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob durch die Offenlegung eines Geheimnisses gegenüber einer Abteilung des Krankenversicherungsträgers eine Verschwiegenheitspflicht verletzt werde, wenn die Daten einer anderen Abteilung des Krankenversicherungsträgers bereits bekannt seien.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Beschluss des Rekursgerichts (§ 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.
[9] 1. Bereits das Erstgericht hat die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgelehnt, dass durch eine einstweilige Verfügung kein irreversibler Zustand geschaffen werden dürfe. Irreversibel sei ein Zustand dann, wenn dem Gegner der gefährdeten Partei wegen der einstweiligen Verfügung ein darüber hinausgehender nicht wieder gut zu machender Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO drohe. Dies sei hier der Fall, da der aufrechte Bestand des Kassenvertrags des Beklagten bei Auferlegung eines (einstweiligen) Beschäftigungsverbots nicht gewährleistet sei und diese Wirkung nicht rückgängig gemacht werden könne.
[10] Gegen diese Rechtsauffassung hat sich die Klägerin im Rekurs nicht gewendet. Die diesbezügliche Rechtsrüge kann im Revisionsrekurs aber nicht nachgeholt werden. Auch dieser verweist aber zu dieser Frage ohnehin nur darauf, dass dem Sicherungszweck der Vorrang eingeräumt werden müsse, ohne dass eine weitere Auseinandersetzung mit den Argumenten der Vorinstanzen erfolgt. Bereits aus diesem Grund kann dem Revisionsrekurs keine Berechtigung zukommen.
[11] 2. Ob ein Anspruch gefährdet ist, kann im Übrigen nur aufgrund der im konkreten Fall als bescheinigt angenommenen Umstände beurteilt werden. Diese Frage hat daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung im Sinne der §§ 402 Abs 4, 78 EO, 528 Abs 1 ZPO (RS0005118 [T13]).
[12] 3. Als unwiederbringlich kann ein Schaden nur dann bezeichnet werden, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RS0005275 [T13]). Die bloß theoretische Möglichkeit einer konkreten Gefahr ist ohne Bescheinigung nicht ausreichend (RS0005175 [T18]). Es wird vielmehr das Vorliegen von Umständen gefordert, die ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung eine Beeinträchtigung des Anspruchs oder des Anspruchsberechtigten als wahrscheinlich erscheinen lassen (RS0005118 [T5, T6]).
[13] 4. Die Gefahr des Verlusts von Kunden kommt als ein einem Geschäftsbetrieb drohender unwiederbringlicher Schaden in Betracht (RS0005256). Dies gilt sowohl für den Verlust vorhandener als auch für das Ausbleiben neuer Kunden (RS0005256 [T1]). Auch für die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens durch drohenden Kundenverlust muss sich diese Tatsache aus dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ergeben oder es müssen konkrete Umstände vorliegen, die den Eintritt dieses Nachteils als wahrscheinlich erscheinen lassen (RS0005256 [T7]).
[14] 5. Dass durch die Tätigkeit des Beklagten eine Abwanderung des bestehenden Kundenstamms der Klägerin zu erwarten ist, was von den Vorinstanzen verneint wurde, wird im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht.
[15] Zu den Neukunden wurde von der Klägerin nur vorgebracht, dass die im geographischen Nahebereich der Klägerin gelegene neue Praxisgemeinschaft sich an denselben Kundenkreis richte und aufgrund des Kassenvertrags für die „Gratiszahnspange“ „im selben Teich fische“.
[16] Das Rekursgericht ist dagegen davon ausgegangen, dass die Vergabe (insgesamt zweier) weiterer Kassenverträge auf einen entsprechenden – durch die Tätigkeit der Klägerin nicht (ausreichend) gedeckten – Bedarf hinweise. Darüber hinaus habe die Klägerin weder ein Vorbringen dazu erstattet noch lägen Feststellungen oder konkrete Anhaltspunkte für ein drohendes Ausbleiben neuer Kunden vor. Insbesondere stehe nicht fest, dass die Klägerin über die für die Behandlung der vom Antragsgegner (potentiell) behandelten Patienten erforderlichen Ressourcen verfügen würde.
[17] Wenn die Klägerin dagegen einwendet, dass sich aus dem Sachverhalt nicht ergebe, dass neben dem Vertrag der Klägerin zwei weitere neue Kassenverträge vergeben worden seien, übersieht sie die entsprechende Feststellung des Erstgerichts (ON 9, S 9). Soweit sie den vom Rekursgericht daraus gezogenen Schluss, dass die Krankenkasse damit von einem ungedeckten Bedarf ausgegangen sei, als überraschend bezeichnet, enthält der Revisionsrekurs keine Ausführungen, welches Vorbringen im Fall einer Erörterung erstattet worden wäre.
[18] 6. Die Klägerin beruft sich auch auf eine sittenwidrigen Konkurrenzierung im Sinne des § 1 UWG. Sie stützt sich dazu auf einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglich vereinbarte Geheimhaltungsklausel.
[19] Das Rekursgericht hat eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht verneint, weil der Gesundheitskasse, der gegenüber der Beklagte Patientendaten zum Nachweis seiner bisherigen Tätigkeit offengelegt hat, diese Daten bereits bekannt waren. Mit der Richtigkeit dieser Auffassung setzt sich die Klägerin nicht weiter auseinander, argumentiert jedoch mit einer unzulässigen „Verwertung“ von Daten. Dabei übergeht sie, dass sie im Rekurs selbst die Sittenwidrigkeit der Konkurrenzierung mit dem Geheimnisbruch gegenüber der Gebietskrankenkasse begründet hat.
[20] 7. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, eine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
[21] 8. Die Entscheidung über die Kosten gründet auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
