European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00200.24H.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei deren jeweils mit 751,92 EUR (darin 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte hat die gesamte Wohnhausanlage von einem insolventen Bauträger erworben und die einzelnen Wohnungseigentumsobjekte abverkauft. Der Kläger erwarb von ihr mit Kaufvertrag vom 19. 10./21. 10. 2024 Miteigentumsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum an Top 5 und einem KFZ‑Abstellplatz.
[2] Im gesamten Nordtrakt des Kellers der Wohnhausanlage mit einer Fläche von 1.150 m² bestehen jedenfalls seit 2017 Feuchtigkeitsschäden. Bereits damals konnte nach Durchführung einer Stemmöffnung stehendes Wasser auf der Bodenplatte wahrgenommen werden. Zufolge einer permanenten Durchfeuchtung der Bodenkonstruktion haben sich die Feuchtigkeitsschäden im Kellergeschoss über Jahre hinweg ausgebreitet.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Teils der voraussichtlichen Kosten der Behebung der Feuchtigkeitsschäden in Höhe von 2.251 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für darüber hinaus gehendeSchäden im Zusammenhang mit dieser Sanierung.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte die dem Klagebegehren stattgebende Entscheidung des Erstgerichts, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu. Dem Kläger sei bei der Besichtigung zwar aufgefallen, dass der Putz im Keller feucht sei und ein paar Fließen herunter gefallen seien. Aufgrund der näheren Umstände des Einzelfalls habe die Beklagte aber allein deshalb nicht davon ausgehen können, dass der Kläger diesen Mangel als vertragsgemäße Leistung akzeptiert habe. Auch aus der Erklärung des Klägers, den Kaufgegenstand besichtigt zu haben und in dem konkreten Zustand zu übernehmen, könne das nicht abgeleitet werden. Eine wirksame Leistungsbeschreibung würde die konkrete Beschreibung des Fehlers in der Weise voraussetzen, dass der Übernehmer die Tragweite erkennen und berücksichtigen könne. Da im Vertrag – abgesehen von explizit genannten Mängeln, die den Feuchtigkeitsschaden nicht erwähnten – Mangelfreiheit zugesagt worden sei, müsse die Beklagte trotz Offensichtlichkeit für den Mangel einstehen.
[5] Die Revision ließ es zu, weil seine Entscheidung mit der Rechtsprechung im Widerspruch stehen könnte, dass die ausdrückliche Zusicherung bestimmter Eigenschaften keine Gewährleistungspflicht begründe, wenn dem Erwerber die Unrichtigkeit dieser Zusicherung bekannt gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die vom Kläger und der Nebenintervenientin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:
[7] Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für einen auf § 933a ABGB gestützten Anspruch auf Bevorschussung des anteiligen Deckungskapitals für die Verbesserung des Mangelschadens und auf Feststellung der Haftung für weitere Schäden übereinstimmend bejaht. Dem setzt der Beklagte nur noch die angebliche Kenntnis des Klägers vom bestehenden Mangel, die mögliche Sanierung des Mangels durch die Eigentümergemeinschaft mit Finanzierung aus der Rücklage und die Deckung der Sanierungskosten durch die Gebäudeversicherung der Liegenschaft entgegen. Darauf hat sich die Nachprüfung in dritter Instanz zu beschränken (vgl RS0043338).
[8] 1. Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist nie abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Vertrags zu beurteilen (RS0018547 [T7]; RS0107680; vgl auch RS0126729). Ein Kaufgegenstand muss demnach der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RS0114333 [T3]). Die Vertragsparteien können daher auch eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, als vertragsgemäß ansehen. Nur wenn eine Vereinbarung über die geschuldeten Eigenschaften des Leistungsgegenstands fehlt, sind die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der veräußerten Sache maßgebend (RS0107681).
[9] 1.1. Ein rechtsgeschäftlicher Verzicht schränkt die Gewährleistungsrechte ein oder schließt diese überhaupt aus (§ 929 ABGB). Ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht erstreckt sich aber nicht auch auf das Fehlen – auch bloß schlüssig – zugesicherter Eigenschaften (RS0018523 [T10]). Ein solcher Ausschluss knüpft an die mangelhafte Erfüllung des Rechtsgeschäfts an, weil er nur beim Vorhandensein eines Mangels von Bedeutung ist. Eine mangelhafte Leistung liegt aber nicht vor, wenn und soweit der Übergeber nichts Besseres schuldete (1 Ob 14/13k).
[10] 1.2. Die Frage, ob eine Vereinbarung die Zusicherung bestimmter Eigenschaften, eine einschränkende Leistungsbeschreibung oder einen Gewährleistungsverzicht enthält, ist wie gegebenenfalls auch deren Inhalt und Umfang eine Frage der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Auslegung des Vertrags und wirft damit in der Regel keine Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf auch keiner Korrektur im Interesse der Rechtssicherheit (vgl RS0042776 [T1]):
[11] 1.2.1. Allein der Umstand, dass der Käufer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis vom feuchten Putz und ein paar herunter gefallenen Fliesen hatte, bedeutet noch nicht, dass er und die Beklagte den dafür verantwortlichen – entgegen der Behauptung der Beklagten noch nicht behobenen – Leitungsschaden und die Durchfeuchtung der Bodenkonstruktion im gesamten Nordtrakt des Kellers als vertragsgemäß ansehen wollten. Bei der Auslegung von Verträgen ist das gesamte Verhalten der Vertragsteile, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann, zu berücksichtigen (RS0017915 [T29, T44]).
[12] 1.2.2. Die Beklagte hat zwar die vom Kläger gewünschte Schad‑ und Klagloserklärung für Feuchtigkeitsschäden im Keller abgelehnt und diesem die Freiheit von einem Feuchtigkeitsschaden im Keller auch nicht ausdrücklich zugesagt. Mit Blick auf den maßgeblichen objektiven Erklärungswert bedeutet das im hier zu beurteilenden Einzelfall aber nicht, dass die Übergabe des Kaufgegenstands mit Feuchtigkeitsschäden in einem derartigen Ausmaß Vertragsinhalt geworden wäre oder der Kläger auf die Gewährleistung für diesen Mangel verzichtet hätte; daran ändert auch die Erklärung des Klägers, die Immobilie besichtigt zu haben und in dem ihm bekannten Zustand zu übernehmen, nichts. Die Beklagte hat nämlich– im Sinn einer eingeschränkten Mängelfreiheitszusage – erklärt, dafür zu haften, dass die Sache mit Ausnahme der im Kaufvertrag bestimmt angeführten Mängel keinerlei Mängel hat, die sie kennt oder kennen müsste. Der Kläger konnte diese Erklärung der Beklagten als redlicher Erklärungsempfänger nur als Zusage verstehen, dass die Immobilie frei von einem der Beklagten bekannten – über die bei der Besichtigung wahrgenommenen begrenzten Mängel hinausgehenden – Wasser- und Feuchtigkeitsschaden im Keller sei. Der tatsächliche Mangel schlägt sich hier – anders als in 1 Ob 14/13k („Durchfeuchtung“ von Kellerwänden) –damit im Vertrag gerade nicht in einer Leistungsbeschreibung nieder und ist damit auch nicht Vertragsinhalt geworden. Darauf geht die Beklagte aber ohnedies nicht mehr näher ein.
[13] 1.3. Für das Vorliegen eines offenkundigen Sachmangels, für den nach § 928 ABGB nur einzustehen ist, wenn er arglistig verschwiegen oder die tatsächlich nicht vorliegende Eigenschaft ausdrücklich zugesagt wurde, genügt es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Allgemeinen, dass die äußere Beschaffenheit des Objekts auf den „inneren“ Mangel schließen lässt, selbst wenn dessen Ursache, Wirkung und Umfang für den fachunkundigen Käufer nicht erkennbar ist (1 Ob 14/13k; 6 Ob 390/97; 7 Ob 97/55 HS 1809). Davon ausgehend hat das Berufungsgericht die Offenkundigkeit des der Klage zugrunde gelegten Mangels an sich bejaht, weil der Kläger im Keller feuchten Putz an den Wänden und ein paar herunter gefallene Fliesen wahrgenommen hat. Es berücksichtigte aber, dass die Beklagte – im Sinn einer beschränkten Mängelfreiheitszusage – erklärte, dafür zu haften, dass die Sache mit Ausnahme explizit genannter Mängel keinerlei Mängel hat, die diese kennt oder kennen müsste. Der Wasser‑ und Feuchtigkeitsschaden findet in dieser Darstellung der Mängel nicht Erwähnung, obwohl die Beklagte von diesem nach den Feststellungen – abgesehen von dessen tatsächlicher Ursache – umfassende positive Kenntnis hatte. Aus den schon im Zuge der Auslegung des Kaufvertrags zur Bestimmung des Leistungsgegenstands angestellten Erwägungen konnte der Kläger diese Zusage der Beklagten als redlicher Erklärungsempfänger nur so verstehen, dass die Immobilie frei von einem der Beklagten bekannten – über die bei der Besichtigung wahrgenommenen oberflächlichen Schäden hinausgehenden – Wasser‑ und Feuchtigkeitsschaden im Keller ist (und sie andernfalls dafür die Haftung übernehme).
[14] Die Beklagte hat ihre Zusage der Mängelfreiheit zwar auf Mängel einschränkt, die sie kennt oder kennen müsste. Diese für Gewährleistungsansprüche grundsätzlich irrelevante subjektive Komponente ist hier aber gegeben. Die Beklagte kannte beim Vertragsabschluss die Entwicklung und das Ausmaß der Wasser- und Feuchtigkeitsschäden und legte diese (trotz ihrer Zusage der Freiheit von weiteren Mängeln, die sie kennt) nicht offen. Die Beklagte hat diese Schäden nach den Feststellungen bewusst verschwiegen, also offenbar versucht, den Mangel zu verschleiern, indem sie ihn nicht unter den ihr bekannten Mängeln aufgezählt und nicht von sich aus über die ihr bekannten Umstände des Mangels aufgeklärt hat. Ausgehend von diesem Verständnis der Zusicherung einer Mängelfreiheit ist die Annahme einer Haftung der Beklagten durch das Berufungsgericht selbst unter der Annahme der Offenkundigkeit des Mangels im Sinn des § 928 ABGB nicht zu beanstanden.
[15] 1.4. Der über die von ihm wahrgenommenen begrenzten oberflächlichen Feuchtigkeitsschäden hinaus bestehende eigentliche Mangel der jahrelangen permanenten Durchfeuchtung der Bodenkonstruktion im gesamten Nordtrakt des Kellergeschoss aufgrund einer undichten Warmwasser‑Zirkulationsleitung war dem Kläger nicht positiv bekannt. Die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung angesprochene Entscheidung 8 Ob 36/67 (= RS0024005), wonach keine Gewährleistungspflicht besteht, wenn dem Erwerber die Unrichtigkeit der Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft bekannt war, ist daher nicht unmittelbar einschlägig. Erhebliche Rechtsfragen stellen sich damit entgegen der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts auch in diesem Zusammenhang nicht.
[16] 2. Auch sonst vermag die Beklagte keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
[17] 2.1. Die Beklagte haftet dem Kläger für einen vertragskonformen Zustand auch der allgemeinen Teile der Liegenschaft. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt, dass er die Beklagte auf Zahlung des seinemMiteigentumsanteil entsprechenden Anteils an den Sanierungskosten in Anspruch nehmen und nicht auf die Sanierung durch die Eigentümergemeinschaft verwiesen werden kann (4 Ob 145/23m [Ansprüche aus § 37 Abs 4 WEG 2002]). Für den aus dem Kaufvertrag abgeleiteten gewährleistungs‑ und schadenersatzrechtlichen Anspruch eines Wohnungseigentümers ist daher unbeachtlich, ob die Sanierung der Schäden an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, weil sie aus der Sicht der Eigentümergemeinschaft eine Erhaltungsarbeit darstellt, aus einer allenfalls vorhandenen Rücklage finanziert werden könnte. Die diesfalls „ausgeräumte“ Rücklage wäre gemäß § 32 Abs 1 WEG von den Wohnungseigentümern anteilig wieder aufzufüllen, sodass auch die in weiterer Folge erforderliche (Neu‑)Dotierung der Rücklage den Erwerber genauso belasten würde, wie eine Sondervorschreibung zur Finanzierung der Erhaltungsarbeiten. Dieser Betrag stünde daher nicht mehr zur Verfügung, um spätere Erhaltungsarbeiten durchzuführen, die dann auch der Kläger als Mitglied der Eigentümergemeinschaft mitzufinanzieren hätte (4 Ob 145/23m).
[18] 2.2. Das Bestehen eines Versicherungsvertrags, aufgrund dessen ein Schaden vom Versicherer ersetzt wird, führt nicht zu einer Haftungsfreistellung oder Haftungsminderung des ersatzpflichtigen Dritten (vgl RS0081373 [Zielrichtung des § 67 Abs 1 VersVG]). Zweck einer Sachversicherung ist es vielmehr, dem Versicherungsnehmer (hier die Eigentümergemeinschaft) bzw den Versicherten (hier sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer; vgl 1 Ob 150/13k) – ohne Rücksicht auf das Vorhandensein eines dritten Schädigers oder die Einbringlichkeit von Ersatzansprüchen gegen diesen – den Ersatz des versicherten Interesses zu verschaffen. Wenn der Kläger (als Mitversicherter) den aus seinem Kaufvertrag abgeleiteten Anspruch auf das anteilige Deckungskapital für die Verbesserung des Mangels trotz Vorhandensein einer Versicherungsdeckung gegen die Beklagte geltend macht, verstößt er daher weder gegen eine Schadensminderungsobliegenheit oder nebenvertragliche Pflichten, noch handelt er rechtsmissbräuchlich.
[19] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[20] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger und die Nebenintervenientin haben darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist. Die von der Nebenintervenientin verzeichneten Kosten für die Direktzustellung nach § 112 ZPO sind mangels gesetzlicher Grundlage jedoch nicht zu ersetzen (1 Ob 33/18m).
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