European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00078.25X.0910.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* im zweiten Rechtsgang der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt und unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schuldspruchs aus dem ersten Rechtsgang (zu diesem siehe 15 Os 115/24m) wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB und Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach hat er von Herbst 2019 bis Herbst 2021 in B* durch die dem rechtskräftigen Schuldspruch zu I/ und II/ des Urteils des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Juli 2024, GZ 318 Hv 11/24y‑33.4, zugrunde liegenden Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, nämlich der am * 2010 geborenen * A*, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet, das Schöffengericht habe hinsichtlich der Feststellung des Bestehens eines Autoritätsverhältnisses „im Sinn einer Eltern‑Kind‑Beziehung“ die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er sich nicht als „Vaterersatz“ gesehen habe, unberücksichtigt gelassen.
[5] Dabei übersieht sie, dass es für ein Autoritätsverhältnis im Sinn des § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht darauf ankommt, dass der Angeklagte eine „Verantwortung dergestalt übernommen hat, dass es eine Eltern‑Kind‑Beziehung“ zwischen ihm und dem Opfer gegeben hätte oder er gar ein „Vaterersatz“ gewesen wäre. Vielmehr genügt eine Eltern‑Kind‑ähnliche Beziehung oder ein faktisches Aufsichtsverhältnis gegenüber dem im Tatzeitraum neun‑ bis elfjährigen Opfer (US 3 f – vgl RIS‑Justiz RS0095216 [insb T1, T2, T3], RS0101075). Solcherart spricht die Rüge keine entscheidende Tatsache an (vgl aber RIS-Justiz RS0099497 [insb T12]).
[6] Ferner moniert der Beschwerdeführer aus Z 5 vierter Fall die Verwertung des Urteils aus dem ersten Rechtsgang, soweit dieses in Rechtskraft erwuchs, und der Aussage der Zeugin * Ai* mit der Begründung, das Hauptverhandlungsprotokoll lasse nicht erkennen, ob diese Verfahrensergebnisse im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vorgekommen seien.
[7] Die Rüge scheitert bereits daran, dass sie der Sache nach lediglich die Protokollierung als undeutlich kritisiert, aber ihrerseits nicht deutlich und bestimmt behauptet, dass diese Verfahrensergebnisse tatsächlich nicht durch zusammenfassenden Vortrag nach § 252 Abs 2a StPO in der Hauptverhandlung vorgekommen wären (vgl RIS-Justiz RS0111533 [T9], RS0110681 [T1, T5]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 462).
[8] Im Übrigen wurde nach dem unbestrittenen Protokoll „gemäß § 252 Abs 2a StPO einverständlich der wesentliche Inhalt der Aktenstücke ON 2.2, Hv‑Protokoll, Auswertung Mobiltelefon, Urteil I.) Instanz ON 33.4, ON 47 erörternd vorgetragen“ (ON 48.3, 10). Solcherart ist dokumentiert, dass das Urteil aus dem ersten Rechtsgang und das die genannte Zeugenaussage enthaltende Hauptverhandlungsprotokoll (ON 29.3, 21; zum Begriff des Hauptverhandlungsprotokolls vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 271 Rz 2/1) sehr wohl in einer dem Gesetz („… kann der Vorsitzende den erheblichen Inhalt der Aktenstücke vortragen …“) entsprechenden Weise ohne Einschränkungen in der Hauptverhandlung vorkamen, wodurch sie für das nunmehrige Urteil zur Gänze verwertbar waren (§§ 12 Abs 2, 258 Abs 1 StPO). Denn Inhalt und Umfang des – tatsächlich erfolgten – zusammenfassenden Vortrags der genannten Aktenbestandteile sind einer nachträglichen Kritik „als nicht vorgekommen“ entzogen (vgl 15 Os 136/23y [Rz 6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 460).
[9] Die Subsumtionsrüge (Z 10 [nominell Z 9 lit a – vgl RIS-Justiz RS0095110]) nimmt nicht Maß an den Feststellungen, die zum Ausdruck bringen (vgl RIS-Justiz RS0116759; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), dass der Nichtigkeitswerber nicht nur die Situationen des Alleinseins mit dem Opfer, sondern jeweils auch das dadurch begründete Autoritäts‑ im Sinn von Aufsichtsverhältnis gegenüber diesem ausnützte, um dessen Willen zu beeinflussen und dieses zur Vornahme von geschlechtlichen Handlungen (Handverkehr) oder dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen (Oralverkehr) an ihm zu bewegen (US 3 f).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[11] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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