European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00054.25K.0904.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagtenfallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W*
I./ am 18. Februar 2024 die Polizeibeamten * W*, * D* und * R* mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Aufklärung und Verfolgung von Straftaten „sowie * Z* an dessen Recht auf eine gesetzmäßige Behandlung seiner Anzeigen“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0096270; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 161) zu schädigen, wissentlich zu bestimmen versucht (§ 15 StGB), ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch „wissentlich“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0108964; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 180) zu missbrauchen, dass sie davon Abstand nehmen, die Amtshandlung im Lokal „Ro*“, insbesondere die gegen ihn geäußerten Vorwürfe der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des Betrugs nach § 146 StGB, zu protokollieren;
II./ am 21. Februar 2024 Z* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, indem er in einem Gedächtnisprotokoll an seinen Vorgesetzten des Polizei-Anhaltezentrums H* festhielt, dass er von einem Mitarbeiter des Lokals „Ro*“ mittels Würgegriff mit derartiger Vehemenz am Hals gepackt worden sei, dass ihm die Luft weggeblieben sei, er in weiterer Folge durch das Lokal gezerrt und in ein Hinterzimmer geschliffen worden sei, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass diese Verdächtigung falsch ist.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Zu I./ haben die Tatrichter die Verantwortung des Angeklagten, seine Aufforderung zum Unterlassen einer Anzeigenaufnahme habe sich nur auf die von ihm behauptete Körperverletzung zu seinem Nachteil bezogen und er sei von einer nicht vorsätzlich erfolgten Beschädigung des Billardtisches ausgegangen, als unglaubwürdig gewertet und dargelegt, warum sie aufgrund der Angaben der Zeugen * W*, * D* und * R* zum Schluss gelangt sind, dass sich die tatgegenständlichen Aufforderungen des Angeklagten nicht bloß auf Teilbereiche der durch ihn oder Z* vorgebrachten Sachverhalte bezogen haben (US 13 f).
[5] Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) selektiv auf einzelne Passagen der Aussagen der zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten verweist und nach eigenständiger Interpretation derselben Widersprüche in den Aussagen ortet, bekämpft sie die Feststellungen bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (RIS‑Justiz RS0099455 [T2]). Das Gericht ist zwar unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) verpflichtet, Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen maßgeblich entgegenstehende Zeugenaussagen (oder Teile davon) in seine Beweiswürdigung einfließen zu lassen. Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0106642) ist es aber nicht verhalten, sich mit den Aussagen der vernommenen Zeugen in allen Details auseinanderzusetzen und – wie von der Beschwerde indes angestrebt – auf weiters denkbare Interpretationen zu untersuchen (vgl RIS‑Justiz RS0098778 [insb T6 und T7], RS0106295).
[6] Die zu II./ erhobene Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, dass das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten betreffend die von ihm in einem Gedächtnisprotokoll geschilderten Misshandlungen nicht gefolgt ist, dabei aber den Bericht der AUVA vom 23. Februar 2024 (ON 6.7, 8 ff) übergangen habe, in dem „die Folgen des Übergriffs objektiviert“ worden seien und „der Verlust eines Zahnes diagnostiziert“ worden sei.
[7] Warum die im (fünf Tage nach der gegenständlichen Tat erstellten) Krankenbericht festgehaltenen Umstände – auch mit Blick auf die übrigen Beweisergebnisse, nämlich die wechselnde Verantwortung des Angeklagten, die Videoaufzeichnung, die Aussagen der Zeugen Z* und * S* sowie die Wahrnehmungen der einschreitenden Polizeibeamten – den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (hier: der wissentlich falschen Bezichtigung des Z* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB [US 8]) erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0098646 [T8], RS0116877 [T1]), macht die Rüge nicht klar.
[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, die „bloße Bitte eines Polizeibeamten an einen anderen, die strafrechtliche Verfolgung zu unterlassen“, sei „bloße Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsinteressen“, und die Verhinderung der eigenen Bestrafung sei „kein Schaden, den man den Täter nach § 302 vorwerfen könne“.
[9] Indem sie sich dabei lediglich auf eine nicht mehr aktuelle Kommentierung (Bertel in WK2 StGB [Stand vor Jänner 2020] § 302 Rz 116 und 135) beruft und die ständige Rechtsprechung übergeht, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569), warum die Feststellungen zur wiederholten (vom Vorsatz der Verhinderung der eigenen Strafverfolgung und dem Wissen um die Missbräuchlichkeit des abverlangten Verhaltens getragene) Aufforderung des Angeklagten an die einschreitenden Polizeibeamten, die Protokollierung zu unterlassen, den Schuldspruch wegen §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB nicht tragen sollten (RIS‑Justiz RS0105925; 17 Os 31/14h mwN; zu jenem Fall, in dem der Täter eigenes hoheitliches Handeln unterlässt, um seine Strafverfolgung zu verhindern, vgl demgegenüber Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 128).
[10] Der im Rahmen der Rechtsrüge – entgegen dem Gebot getrennter Darstellung der Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902) – aufgenommene Hinweis, dass die „Feststellungsmängel […] in eventu explizit auch als formelle Begründungsmängel iSd [§] 281 Abs 1 Z 5 StPO gerügt werden“, bringt Nichtigkeit nicht zur Darstellung.
[11] Mit der Behauptung (nominell Z 11), das Erstgericht habe die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten bei der Tat am 18. Februar 2024 nicht hinreichend mildernd berücksichtigt und hätte den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 11 StGB annehmen müssen, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0099869 [T12, T13 und T15]).
[12] Die weitere Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) legt nicht dar, warum die Unterstreichung der an die einschreitenden Polizeibeamten gerichteten mehrmaligen Aufforderung, die Protokollierung und Anzeigeaufnahme zu unterlassen, durch den wiederholten Hinweis, ebenfalls Polizeibeamter und Kollege zu sein, den – über den Schuldvorwurf der Bestimmungstäterschaft hinausgehenden (RIS‑Justiz RS0117730; Riffel in WK2 StGB § 33 Rz 14) – Erschwerungsgrund des Verführens eines anderen zur strafbaren Handlung (§ 33 Abs 1 Z 3 StGB) nicht herstellen sollte.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO; vgl dazu RIS‑Justiz RS0100042 [T1]) – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 285i StPO).
[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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