European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00021.25S.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist ein österreichischer Sozialversicherungsträger.
[2] Der Kläger ist der Angestelltenbetriebsrat eines von der Beklagten betriebenen Krankenhauses.
[3] Auf die Dienstverhältnisse der bei der Beklagten angestellten Ärztinnen und Ärzte ist die Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) anzuwenden.
[4] Bis 31. 12. 2003 enthielt das Pensionsrecht der DO.B (Abschnitt IV, §§ 71–94a) eine direkte Leistungszusage an die Dienstnehmer. Der Anspruch auf Pensionsleistungen setzte (ua) die Erfüllung einer zehnjährigen Wartezeit voraus (§ 72 Abs 1 Z 2, § 17 Abs 1 DO.B).
[5] Am 1. 1. 2004 trat der Kollektivvertrag Pensionskassen (KV-PK) in Kraft (§ 4 KV‑PK). Er gilt nach Ablauf der Wartefrist (§ 6 Abs 4 lit f KV‑PK) für alle Dienstnehmer von österreichischen Sozialversicherungsträgern, die zuletzt nach dem 31. 12. 1995 als Dienstnehmer in ein Dienstverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger eingetreten sind und nach dem 30. Juni 2004 in einem aufrechten Dienstverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger stehen, ausgenommen Lehrlinge iSd BAG (§ 5 KV‑PK). Er regelt die Errichtung einer betrieblichen Pensionskasse (§§ 1–3b KV‑PK; Sozialversicherungspensionskasse AG) und die Einbeziehung der von seinem persönlichen Geltungsbereich erfassten Dienstnehmer in die Pensionskasse (§ 6 KV‑PK).
[6] Korrespondierend sieht die DO.B seit 1. 7. 2004 vor (zunächst in § 70a, seit 1. 1. 2011 in § 70a Abs 1), dass ihre pensionsrechtlichen Bestimmungen nur auf jene Ärztinnen und Ärzte Anwendung finden, die zuletzt vor dem 1. 1. 1996 in den Dienst eines österreichischen Sozialversicherungsträgers eingetreten sind.
[7] Am 21. 7. 2004 richtete die Beklagte ein Schreiben an die vom persönlichen Geltungsbereich des KV‑PK erfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer. Es lautete auszugsweise wie folgt:
„Mit Inkrafttreten des Pensionskassenkollektivvertrages (KV‑PK) werden alle Dienstnehmer, die zuletzt nach dem 31. 12. 1995 in den Dienst der [Beklagten] eingetreten sind und nach dem 30. Juni 2004 in einem aufrechten Dienstverhältnis zur [Beklagten] stehen, hinsichtlich der in den Dienstordnungen festgeschriebenen Dienstordnungs-Pensionsleistung in eine Pensionskasse übergeführt. Hierfür wird eine betriebliche Pensionskasse, die Sozialversicherungspensionskasse AG, vom Hauptverband geschaffen. Das bedeutet, dass nicht mehr die [Beklagte] eine DO-Pension ausbezahlt, sondern die Pensionskasse nach Maßgabe des für Sie (DG-Beitrag) und von Ihnen (DN‑Beitrag) einbezahlten Kapitals Vorsorgeleistungen erbringt.“
[8] Der Kläger begehrte die Feststellung (§ 54 Abs 1 ASGG), dass auch die von ihm vertretenen (mindestens drei) Ärztinnen und Ärzte, deren Dienstverhältnisse zur Beklagten zwischen 1. 1. 1996 und 31. 12. 2003 begonnen hätten, einen Anspruch auf eine Pension aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage abzüglich der Pensionskassenleistung hätten; hilfsweise einen Anspruch auf die Leistung eines Nachschusses an die Pensionskasse, der diese in die Lage versetze, ihnen eine Pension in der Höhe der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage zu leisten; und hilfsweise einen Anspruch auf eine individuelle Ausgleichszahlung in einer Höhe, die sicherstelle, dass die Differenz zwischen der hypothetischen Leistung aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage und der Pensionskassenleistung 15% nicht übersteige. Der KV‑PK greife unsachlich und unverhältnismäßig in die Rechte der vom Klagebegehren umfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage ein und sei daher in diesem Umfang nichtig. Das erste Eventualbegehren gründe auf das Schreiben vom 21. 7. 2004, das als Zusage einer Pension in der Höhe der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage durch eine neue Pensionsschuldnerin – die Pensionskasse – auszulegen sei. Das zweite Eventualbegehren beruhe auf der Rechtsprechung des VfGH, dass Pensionskürzungen von Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern infolge der kollektivvertraglichen Einbeziehung in eine Pensionskasse 15 % nicht übersteigen dürften.
[9] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, dass die vom Klagebegehren umfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des KV‑PK mangels Ablaufs der in der DO.B geregelten zehnjährigen Wartezeit keine geschützte Rechtsposition gehabt hätten, in die der KV‑PK unsachlich und unverhältnismäßig eingreifen hätte können. Das Schreiben vom 21. 7. 2004 enthalte keine verbindliche Zusage einer Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe.
[10] Das Berufungsgericht bestätigte das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Es fehle an der Betroffenheit von mindestens drei Arbeitnehmern des Betriebs (§ 54 Abs 1 ASGG). Selbst wenn man diese annehmen wolle, sei das Klagebegehren abzuweisen, weil die vom Klagebegehren umfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer mangels Ablaufs der zehnjährigen Wartezeit keine Anwartschaften auf Leistungen aus der kollektivvertraglichen direkten Leistungszusage erworben hätten. Das Schreiben vom 21. 7. 2004 enthalte keine verbindliche Zusage einer Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf:
[12] 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsteht eine Anwartschaft des Arbeitnehmers auf eine Betriebspension aufgrund einer direkten Leistungszusage des Arbeitgebers erst mit dem Ablauf der Wartezeit (vgl 9 ObA 27/04t: „mangels des Ablaufs der zulässig gewillkürten Wartefrist konnte daher ein Anwartschaftsrecht des Klägers nicht entstehen“; 9 ObA 123/09t: „erst nach Ablauf der Wartezeit kann aber von einem Rechtsanspruch auf Anwartschaft gesprochen werden“; 8 ObA 17/10y, Pkt 3.: „dass der Rechtsanspruch des Klägers auf eine Anwartschaft […] hier nach Ablauf der zehnjährigen Wartefrist entstanden ist, hat das Berufungsgericht in jedenfalls vertretbarer Weise ausgeführt“; 9 ObA 57/20b, Rz 26: „nach Ablauf der Wartezeit kann von einem Rechtsanspruch auf Anwartschaft gesprochen werden“; 8 ObA 52/23i, Rz 5: „besteht für eine – hier vor dem Inkrafttreten des BPG zugesagte – Betriebspension eine Wartezeit, so hängt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, an der sich das Berufungsgericht orientierte, der Erwerb der Anwartschaft vom Verstreichen der Wartezeit ab“). Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
[13] 2. Der Kläger will dem weiterhin entgegenhalten, dass der KV-PK unsachlich und unverhältnismäßig in die pensionsrechtlichen Rechtspositionen der vom Klagebegehren umfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer eingegriffen habe. Seine Argumentation beruht aber durchwegs auf der Annahme, dass schon vor dem Ablauf der zehnjährigen Wartezeit (§ 72 Abs 1 Z 2, § 17 Abs 1 DO.B) Anwartschaften der Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auf Pensionsleistungen gemäß der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage entstanden seien. Diese Annahme widerspricht der dargelegten Rechtsprechung. Da der Kläger seine Annahme auch nicht näher begründet, besteht kein Anlass für die Überprüfung der Rechtsprechung. Dass die Bestimmungen der DO.B über die Wartezeit – aus welchem Grund immer – nichtig wären, behauptet der Kläger nicht.
[14] 3. Das Argument des Klägers, dass der KV-PK dem Art V Abs 2 BPG (Übergangs- und Schlussbestimmungen) widerspreche und daher nichtig sei, hat der Oberste Gerichtshof bereits in einem eine Auslagerungs-Betriebsvereinbarung betreffenden Fall mit ausführlicher Begründung widerlegt (9 ObA 134/16w, Pkt 3.).
[15] 4. Die Auslegung einer Erklärung durch das Berufungsgericht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, wenn das Berufungsgericht ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielte (vgl RS0042936). Der Kläger tritt zwar der Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 21. 7. 2004 durch das Berufungsgericht entgegen, behauptet aber nicht deren Unvertretbarkeit. Seine Ausführungen bieten dafür auch keinen Anhaltspunkt. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf den folgenden Satz des Schreibens zu verweisen: „Das bedeutet, dass nicht mehr die [Beklagte] eine DO-Pension ausbezahlt, sondern die Pensionskasse nach Maßgabe des für Sie (DG-Beitrag) und von Ihnen (DN-Beitrag) einbezahlten Kapitals Vorsorgeleistungen erbringt“. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den vom Klagebegehren umfassten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern mit dem Schreiben vom 21. 7. 2004 keine Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe zugesagt habe, bedarf gerade vor dem Hintergrund dieses Satzes keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung.
[16] 5. Aufgrund der bisherigen Erwägungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung der in der außerordentlichen Revision ausführlich behandelten Rechtsfrage des besonderen Feststellungsinteresses, also der Betroffenheit von mindestens drei Arbeitnehmern des Betriebs (§ 54 Abs 1 ASGG), ab. Auch die diesbezügliche Verfahrensrüge des Klägers wirft daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (vgl § 502 Abs 1 ZPO).
[17] 6. Die außerordentliche Revision ist daher (ohne weitere Begründung, § 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG) zurückzuweisen.
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