European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00094.25X.0805.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrte ob der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft die Einverleibung ihres Eigentumsrechts im Rang einer dort angemerkten Rangordnung. Den Eigentumserwerb stützte sie auf den „Kaufvertrag vom 21.12.2023 samt Nebenvereinbarung“.
[2] Das Erstgericht bewilligte die Einverleibung antragsgemäß.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters im Konkursverfahren über das Vermögen der Verkäuferin Folge und wies den Antrag ab. Aufgrund der von der Antragstellerin gemeinsam mit dem Kaufvertrag vom 21. 12. 2023 vorgelegten „Nebenvereinbarung zum Optionsvertrag vom 21.12.2023“ bestünden iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG Zweifel an der Gültigkeit des Rechtsgrundes. Die Einigung über den von der Antragstellerin behaupteten reduzierten Kaufpreis gehe aus diesen Urkunden nicht zweifelsfrei hervor.
[4] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf und ist daher zurückzuweisen.
[6] 1.1. Das Grundbuchsgericht hat (unter anderem) zu prüfen, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Grundbuchsgesuch kann daher nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch in materiell‑rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist (RS0060878). Dem Grundbuchsgericht ist es dabei verwehrt, eine undeutliche und zu begründetem Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RS0060573). Dem Grundbuchsgericht steht es zwar zu, aus den ihm vorgelegten Urkunden unmittelbar logische Schlussfolgerungen zu ziehen, es hat sich aber auf die Auslegung des Wortlauts eines Vertrags zu beschränken, keinen davon abweichenden Parteiwillen zu ermitteln und keine Zweifelsfragen durch vom Wortsinn nicht mehr gedeckte Interpretation zu klären (5 Ob 88/24p). Eine Berücksichtigung von Umständen, die erst außerhalb des Urkundenbeweises liegende Tatsachen durch eine bestimmte Auslegung ergeben, kommt demnach ebenso wenig in Betracht wie die Bedachtnahme auf einen nicht urkundlich erwiesenen, sondern allenfalls zu erschließenden Willen der Vertragsparteien (5 Ob 72/21f).
[7] 1.2. Ergeben sich die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung aus mehreren Urkunden zusammen, dann sind alle jeweils Urkunden, aufgrund deren iSd § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll. Diese müssen daher alle gemeinsam im Original oder durch Einstellung in ein elektronisches Urkundenarchiv (§ 91c GOG) vorgelegt werden (5 Ob 232/22m mwN).
[8] 1.3. Ob die dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunden iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifeln Anlass geben, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen könnte, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (5 Ob 106/24k mwN).
[9] 2.1. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs nicht auf.
[10] 2.2. Die grundbuchsrichterliche Prüfung eines Vertrags hat sich auch darauf zu erstrecken, ob der bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts erforderliche gültige Rechtsgrund gemäß § 26 Abs 2 GBG gegeben ist (RS0116318 [T4]). Aus dem Inhalt der die Grundlage für den Erwerb eines dinglichen Rechts bildenden Urkunden muss sich also das Zustandekommen des entsprechenden Rechtsgeschäfts ergeben (5 Ob 163/18h).
[11] Das Zustandekommen eines Kaufvertrags erfordert die Einigung der Vertragsteile über Kaufgegenstand und Kaufpreis (§§ 1053 f ABGB; RS0019951; RS0017217). Soll ein Kaufvertrag über eine Liegenschaft verbüchert werden, muss sich aus den beigebrachten Urkunden daher die Einigung der Parteien über die Hauptpunkte des Vertrags, also über das Objekt des Vertrags und den dafür vereinbarten Preis entnehmen lassen. Der Kaufpreis muss dabei bestimmt oder zumindest bestimmbar sein (5 Ob 130/07i; RS0116318 [T6]; RS0019952 [T4]).
[12] 2.3. Im hier zu beurteilenden Fall beträgt der Kaufpreis gemäß dem Kaufvertrag vom 21. 12. 2023 1.249.157,49 EUR. In der am selben Tag – unbeglaubigt unterfertigten – Nebenvereinbarung sind allerdings („in Ergänzung, Modifizierung und in Abweichung zum Kaufvertrag“) abweichende Vereinbarungen getroffen worden, die kraft ausdrücklicher Vereinbarung dem Kaufvertrag vorgehen sollen. Eine solche abweichende Vereinbarung bezieht sich auf den Kaufpreis und dessen Entrichtung; nach dieser „Nebenvereinbarung“ soll die im Kaufvertrag in Pkt III.3 vereinbarte Übernahme der Schuld der Verkäuferin in Höhe von 460.000 EUR durch die Käuferin entfallen („[…] ist Vertragspunkt III.3. des Kaufvertrags […] hinfällig, sodass die Käuferseite die offene Schuld […] nicht übernimmt.“), wenn die in einem am gleichen Tag abgeschlossenen Optionsvertrag vereinbarte Option von der Optionsnehmerin nicht ausgeübt werden sollte. Der Punkt III. des Kaufvertrags regelt aber (nur) die Art der Berichtigung des Kaufpreises, nicht auch dessen Höhe. Eine Änderung des im Punkt II. des Kaufvertrags festgelegten Kaufpreises geht aus dieser Regelung nicht explizit hervor. Ob die Vertragsparteien – wie die Antragstellerin schon in ihrem Grundbuchsantrag behauptete – im Nachhinein eine (bestimmbare) Kaufpreisreduzierung wirksam vereinbart haben oder nicht, ist den vorgelegten Urkunden damit nicht, schon gar nicht deutlich und ohne Zweifel, zu entnehmen. Ihrem maßgeblichen Wortlaut nach könnte diese „Nebenabrede“ die Einigung über den Kaufpreis auch unberührt lassen und nur die Modalitäten der Kaufpreiszahlung verändern; es könnte auch sein, dass die Einigung der Parteien über den Kaufpreis für den Fall der Nichtausübung der Option unvollständig geblieben ist.
[13] Schon aus diesen Erwägungen ist die Beurteilung des Rekursgerichts, mangels eines zweifelsfreien Nachweises der Einigung über den Kaufpreis bestünden Bedenken gegen die Gültigkeit des Rechtsgrundes, keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die (beabsichtigte) Entgeltlichkeit des Vertrags bezweifelte auch das Rekursgericht – entgegen der Darstellung der Revisionsrekurswerberin – nicht. Deren diesbezügliche Argumentation geht daher ins Leere.
[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).
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