European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00103.25S.0731.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war Kindergartenassistentin eines von einer Gemeinde betriebenen Kindergartens. Ihr privatrechtliches Arbeitsverhältnis endete im Jänner 2024.
[2] Die Klägerin wirft dem beklagten Land mit ihrer Amtshaftungsklage Mobbing bzw Bossing sowie die Verletzung von Fürsorgepflichten vor. Sie begehrt Schmerzengeld, den Ersatz von Behandlungskosten sowie die Feststellung der Haftung für künftige Gesundheitsbeeinträchtigungen sowie sich daraus ergebender Folgeschäden. Sie sei von Arbeitskolleginnen und ihrer Vorgesetzten systematisch ausgegrenzt und abgewertet worden. Obwohl sie sich deshalb an die dem beklagten Rechtsträger zuzurechnende Kindergarteninspektorin gewandt habe, sei diese nicht eingeschritten, sondern habe die Klägerin selbst „schikaniert“.
[3] Das Erstgericht wies die Klage als unschlüssig ab, weil der Amtshaftungsanspruch schon nach dem Klagevorbringen nicht berechtigt sei. Das Handeln der Kindergarteninspektorin sei zwar dem Hoheitsbereich des beklagten Rechtsträgers zuzurechnen, allerdings umfasse deren Aufgabenbereich nur die Fachaufsicht über den Kindergartenbetrieb und nicht auch die der Gemeinde als Betreiberin des Kindergartens zukommende Dienstaufsicht, aus deren Verletzung die Klägerin ihre – auf Mobbing (Bossing) sowie eine Verletzung der Fürsorgepflicht gestützten – Amtshaftungsansprüche aber ableite.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und billigte dessen Begründung. Ergänzend legte es dar, dass die Vorwürfe gegenüber der Kindergarteninspektorin kein Mobbing (Bossing) durch diese erkennen ließen. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht der Eintritt von Gesundheitsschäden – auf die die Klägerin ihre Ansprüche stützt – nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen des Rechtsträgers, es sei denn es handelt sich dabei um Mobbing oder Bossing (RS0131739). Dies muss umso mehr für Verstöße des Rechtsträgers gegen eine – wie die Klägerin behauptet – ihm obliegende Fürsorgepflicht im Rahmen der Fachaufsicht über den Kindergartenbetrieb (hier nach § 8 NÖ KindergartenG 2006, LGBl 5060‑3 idF LGBl 2022/97) gelten.
[7] 2. Ob Mobbing oder Bossing vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0124076 [T4, T5, T6]) und begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine zur Wahrung der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz erfolgte (1 Ob 39/20x [Pkt 3.1]; 1 Ob 92/20s [Pkt 3.1]). Auch ob ein Vorbringen schlüssig ist, wirft – außer im Fall einer Fehlbeurteilung (vgl RS0037780 [T5]) – keine solche Rechtsfrage auf (RS0037780 [T4, T10]).
[8] 3. Das Berufungsgericht wies zu Recht darauf hin, dass die Klägerin nicht vorbrachte, sie habe die Kindergarteninspektorin über konkrete Mobbing‑ bzw Bossinghandlungen ihrer Kolleginnen und Vorgesetzten informiert. Soweit sie behauptete, sich wegen der Verhaltensweisen ihrer Kolleginnen und Vorgesetzten an diese gewandt zu haben, legte sie nicht dar, was sie ihr konkret mitgeteilt habe. Die Kindergarteninspektorin teilte die Klägerin nach dem Klagevorbringen auch nicht zu bestimmten („Straf“‑)Arbeiten ein oder ordnete ihren „Ausschluss aus der Gruppe“ an. Die Klägerin erstattete kein konkretes Vorbringen zu (vereinzelten) kritischen Äußerungen der Kindergarteninspektorin oder einem „abwertenden Ton“. Auch ihr Vorbringen, wonach diese bei einem Telefonat mit ihr „ungehalten“ gewesen sei, blieb unkonkret.
[9] 4. Davon ausgehend begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Klagevorbringen zum Verhalten der Kindergarteninspektorin keinen Anhaltspunkt für eine systematische Herabsetzung oder prozesshafte Ausgrenzung der Klägerin durch diese – somit für Mobbing oder Bossing – erkennen lasse, keinen Bedenken. Mangels ausreichend konkretem Vorbringen zu einem Mobbing bzw Bossing durch dieses Organ kommt es auf dessen allfälligen Verstoß gegen die Aufsichtspflicht nach § 8 NÖ KindergartenG 2006 – aus der sich nach Ansicht der Klägerin eine Fürsorgepflicht ihr gegenüber ergebe – gar nicht an, weil die daraus abgeleiteten Gesundheitsschäden (sowie durch diese verursachte Folgeschäden) in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einem solchen Pflichtverstoß stünden.
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