European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00017.25X.0729.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I/1/ und I/2/, demzufolge im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Berufung wird H* auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des B* wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über dessen Berufung kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen (auch einen Freispruch enthaltenden) Urteil wurden die Angeklagten folgender strafbarer Handlungen schuldig erkannt, und zwar
[2] * H* „der Verbrechen des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 1, 2 und Abs 3 erster und zweiter Fall StGB“ (I/1/), des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 12 zweiter Fall, 148a Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall StGB „idF BGBl I 2015/112“ (I/2/), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 erster Satz StGB (I/3/) sowie der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 dritter Fall, 223 Abs 2, 224 StGB (II/) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (III/),
* B* des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (IV/).
[3] Danach haben – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – in G* und an anderen Orten des Bundesgebiets
I/ H* im Zusammenwirken mit einem im Urteil genannten faktischen Geschäftsführer
1/ von April bis November 2020 als unmittelbarer Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A*gesellschaft mbH gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) und in Bezug auf 24 (ÖGK) bzw 16 (BUAK) Dienstnehmer, „sohin teils in Bezug auf eine größere Zahl von Personen“, die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Meldung zur Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungskasse bei den jeweiligen steuerlichen Vertretern in dem Wissen in Auftrag gegeben, dass die infolge der Anmeldung auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge und die infolge der Meldung auflaufenden Zuschläge nach dem BUAG nicht vollständig geleistet werden sollten, wobei diese Abgaben auch tatsächlich nicht vollständig geleistet wurden,
2/ durch die zu I/1/ genannten Handlungen mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, andere, nämlich die ÖGK und die BUAK, dadurch in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, dass sie gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) die jeweiligen steuerlichen Vertreter der A*gesellschaft mbH dazu bestimmten (§ 12 zweiter Fall StGB), das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe von Daten zu beeinflussen, indem sie in den jeweiligen Anmeldungen und laufenden Meldungen über die elektronischen Systeme der ÖGK und der BUAK jeweils wahrheitswidrig gutgläubig die genannte Gesellschaft als Dienstgeber erfassten, was zum Unterbleiben der Beitragseinhebung beim jeweils wahren Dienstgeber führte;
IV/ B* im März 2021 ein ihm anvertrautes Gut mit einem 5.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich das ihm von der B* GmbH überlassene Leasingfahrzeug BMW 520d, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er dieses an einen Dritten veräußerte.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen den Schuldspruch zu I/1/ und I/2/ richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des H*, gegen den Schuldspruch zu IV/ jene des B*; beide stützen sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des H*:
[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt der Sache nach zutreffend auf, dass nach den Konstatierungen zu I/1/ und I/2/ ausschließlich der abgesondert verfolgte faktische Geschäftsführer die – als Tathandlungen diesen Aussprüchen über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) zugrunde gelegten – Aufträge zur An‑ und Abmeldung der Dienstnehmer erteilte (US 9, 19). Feststellungen mit Sachverhaltsbezug (vgl RIS‑Justiz RS0119090, RS0114639) dazu, welche Tathandlungen der Beschwerdeführer im Rahmen dieses Geschehens vorgenommen haben sollte, sind den Entscheidungsgründen dagegen nicht zu entnehmen (vgl RIS‑Justiz RS0133376; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 570).
[6] Daher war – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – der Nichtigkeitsbeschwerde dieses Rechtsmittelwerbers stattzugeben, das ihn betreffende Urteil bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch ersichtlich sofort aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen (§ 285e StPO).
[7] Eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf es nicht.
[8] Mit seiner Berufung war dieser Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[9] Bleibt für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass auf selbständige Taten im materiellen Sinn (als Bezugspunkt des Günstigkeitsvergleichs – vgl RIS‑Justiz RS0089011) entweder die im Urteilszeitpunkt oder die im Tatzeitpunkt geltenden Strafgesetze anzuwenden sind, letztere allerdings nur, wenn sie in ihrer Gesamtauswirkung günstiger sind (§ 61 zweiter Satz StGB; vgl RIS‑Justiz RS0112939; zur Auslegung des Begriffs „Strafgesetze“ in § 61 StGB siehe Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 36). Eine Mischung von Rechtsschichten hat insoweit nicht stattzufinden (vgl RIS‑Justiz RS0119085 [insb T4, T5 – in Bezug auf Idealkonkurrenz]; Höpfel in WK² StGB § 61 Rz 2, 6, 15).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des B*:
[10] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung zur Feststellung der subjektiven Tatseite, weil eine schriftliche Herausgabeaufforderung, die der Verteidiger des Beschwerdeführers in dessen Auftrag verfasste und an * K* (einen Zwischenerwerber und Weiterveräußerer des betroffenen Fahrzeugs) übermittelte, unberücksichtigt geblieben sei.
[11] Dem zuwider haben die Tatrichter die Bezug habende Aussage dieses Nichtigkeitswerbers insgesamt als nicht glaubhaft verworfen. Dabei berücksichtigten sie auch die Angaben zu seinen Bemühungen, das Fahrzeug zurückzuerlangen und deshalb seinen Verteidiger beauftragt zu haben, K* anzuschreiben (vgl US 24 [einschließlich des Verweises auf seine Aussage in ON 109 S 24] – vgl zudem RIS‑Justiz RS0106295 [insb T12]).
[12] Im Übrigen legt die Rüge nicht dar, inwiefern angesichts dessen der konkrete Inhalt dieses anwaltlichen Schreibens die Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs 2 StPO) zur subjektiven Tatseite zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können und solcherart ausdrücklich zu erörtern gewesen wäre (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 409, 424; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.121). Das übrige dazu erstattete Vorbringen bekämpft die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung.
[13] Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten Konstatierungen zur Zueignung (durch Veräußerung an einen Dritten) und zum Bereicherungsvorsatz finden sich auf US 14. Welche darüber hinausgehenden Feststellungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollten, leitet die Rüge nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565). Stattdessen greift sie auch unter diesem Aspekt in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung an (vgl RIS‑Justiz RS0099810 [insb T21, T25, T33]).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – abermals in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[15] Die Entscheidung über die Berufung des B* kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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