OGH 11Os67/25z

OGH11Os67/25z29.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ebner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 25. März 2025, GZ 609 Hv 8/24g‑67.2, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00067.25Z.0729.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * E* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 14. September 2024 in W* * N* zu töten versucht, indem er ihm ein Messer mit einer gezackten, rund 15 cm langen Klinge zunächst in den Oberarm und anschließend in den Oberkörper stieß und diesen bis zum linken Lungenflügel durchdrang, wodurch der Genannte eine 15 bis 17 cm lange, stark blutende Stich‑ und Schnittverletzung an der linken Schulter samt Eröffnung der Brusthöhle sowie eine zwei bis sechs Zentimeter lange Stich- und Schnittverletzung am linken Oberarm mit Verletzung des Trizepsmuskels und arterieller Blutung erlitt.

[3] Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB. Die zur Totalabstimmung (vgl Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 11 f) gestellte Zusatzfrage nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) sowie nach den beiden privilegierten Fällen der Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB; vgl Lewisch in WK² StGB § 3 Rz 159, 166) verneinten sie dagegen.

[4] Die Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (mit Blick auf die Bejahung der Hauptfrage) und des Vergehens der grob fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 und 4 zweiter Satz erster Fall StGB (infolgeder Verneinung der Zusatzfrage) blieben solcherart unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[6] Die Fragenrüge (Z 6) vermisst eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB.

[7] Eine solche wäre nur zu stellen gewesen, wenn in der Hauptverhandlung Beweismittel vorgekommen oder Tatsachen vorgebracht worden wären, die nach allgemeiner Lebenserfahrung in ernst zu nehmender Weise einen nach diesem Strafgesetz zu subsumierenden Sachverhalt indiziert hätten (vgl RIS‑Justiz RS0101087 [insb T6, T8]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23, 42).

[8] Mit ihrer Interpretation der unterschiedlichen Angaben des Angeklagten, der Aussagen der Zeugen zum Tatgeschehen und der Verletzungen des Opfers sowie mit ihren darauf basierenden Schlussfolgerungen zur subjektiven Tatseite zeigt die Rüge allerdings keine Verfahrensergebnisse im bezeichneten Sinn auf (vgl aber RIS‑Justiz RS0100860), sondern führt lediglich abstrakt denkbare Möglichkeiten ins Treffen, die die begehrte Eventualfrage nicht indizierten (vgl RIS‑Justiz RS0100625, RS0101072, RS0101087 [T9]; Lässig, WK‑StPO § 314 Rz 2).

[9] Ebensowenig stellt das auf einzelne hervorgehobene Verfahrensergebnisse (vgl aber RIS‑Justiz RS0101087 [T5]) gestützte Vorbringen (nominell zu Z 8), es sei „nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Eventualfrage 2 nur auf grobe Fahrlässigkeit bezieht, wäre es doch möglich gewesen, dass die Geschworenen auch nur von einer 'einfachen' Fahrlässigkeit ausgehen“, eine gesetzmäßig ausgeführte Fragenrüge dar (erneut RIS‑Justiz RS0100860).

[10] Die Instruktionsrüge (Z 8) moniert eine „mangelhafte Belehrung“ der Geschworenen darüber, dass für den Fall des Vorliegens eines asthenischen Affekts nur eine „Verurteilung nach § 88 (fahrlässige Körperverletzung)“, nicht aber wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB in Betracht komme. Indem sie sich jedoch nicht an der Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit orientiert (vgl RIS‑Justiz RS0100695), sondern die darin enthaltenen Instruktionen zu diesem Thema (ON 67.5, 19 ff) übergeht, ist sie nicht prozessförmig ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0119071; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65).

[11] In Betreff der mehrgliedrigen Zusatzfrage wird eine „nicht hinreichende Klarheit“ der Rechtsbelehrung hinsichtlich des Verhältnisses der Frageglieder zueinander, der Zurechnung der Stimmen und der daraus resultierenden Konsequenzen (ON 67.5, 24; vgl § 321 Abs 2 StPO) lediglich behauptet, ohne substanziiert darzulegen, worin eine zu deren Fehlerhaftigkeit führende Undeutlichkeit (vgl RIS‑Justiz RS0125362) zu erblicken sein sollte (vgl erneut RIS‑Justiz RS0119071).

[12] Ferner kritisiert die Rüge zur Eventualfrage 2 das Unterbleiben einer Belehrung „zur einfachen Fahrlässigkeit“. Sie erklärt aber nicht, warum eine Instruktion über eine rechtliche Kategorie (§ 88 Abs 1, Abs 4 erster Satz StGB) hätte erfolgen sollen, obwohl sich keine der gestellten Fragen darauf bezog (vgl RIS‑Justiz RS0101085 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 63; zur Struktur des § 88 StGB vgl Burgstaller/Schütz in WK² StGB § 88 Rz 5; Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 88 Rz 1).

[13] Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit ihrem Hinweis auf einzelne Angaben des Angeklagten und von Zeugen, wonach es im Vorfeld der Tat bereits eine „Schubserei“ gegeben habe, sowie auf Deponate des Sachverständigen, nach welchen bei einer solchen Auseinandersetzung „eine Dynamik“ dabei sei, und mit den daran anknüpfenden beweiswürdigenden Überlegungen beim Obersten Gerichtshof keine erhebliche Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583 [T7]) gegen die im Wahrspruch der Geschworenen getroffene Feststellung zum Mordvorsatz zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0118780).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[15] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).

[16] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte