OGH 14Os72/25g

OGH14Os72/25g24.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * Z* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 10. April 2024, GZ 9 Hv 58/24y‑105.15, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung und Anordnung der Bewährungshilfe (ON 105.16) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00072.25G.0724.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht St. Pölten verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Z* – soweit hier von Bedeutung – jeweils eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A/I) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (A/II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich am 1. November 2020 in S* als Mitglied auf andere Weise (§ 278 Abs 3 StGB)

A/I/ an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich der Terrororganisation „IS‑Islamic State“, die darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, dadurch beteiligt, dass er in einer vom abgesondert verfolgten * G* angemieteten Wohnung als dschihadistischer Prediger in Anwesenheit mehrerer anderer Personen einen Vortrag zum Thema „die zehn Auslöscher des Islam“ bezugnehmend auf ein im angefochtenen Urteil näher bezeichnetes Buch zum Zweck der Verbreitung von radikal-islamistischem, mit den Zielsetzungen dieser Terrororganisation übereinstimmendem Gedankengut und der Bestärkung anwesender IS‑Mitglieder in ihrer Gesinnung hielt;

A/II/ durch die zu A/I/ näher bezeichnete Handlung an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich an der international agierenden terroristischen Vereinigung „IS‑Islamic State“, bestehend aus mehreren tausend Mitgliedern, welche die im angefochtenen Urteil näher bezeichnete Zweckausrichtung im Sinne der § 278a Z 1 bis 3 StGB verfolgt, beteiligt,

wobei er wusste, dass er dadurch den „IS‑Islamic State“ in dessen Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina einen radikal-islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und dessen terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte (US 11).

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der Mängelrüge begründet es keinen Widerspruch (Z 5 dritter Fall), wenn Tatrichter einem Zeugen – wie hier * A* – nur hinsichtlich eines Teils seiner Angaben glauben, hinsichtlich anderer jedoch nicht (RIS‑Justiz RS0098372).

[5] Welche Personen genau am 1. November 2020 beim Vortrag des Beschwerdeführers anwesend waren, ist für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage ohne Bedeutung, weshalb die darauf bezogene Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall) den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS‑Justiz RS0117499; zum Charakter von § 278a und § 278b StGB als schlichte Tätigkeitsdelikte vgl RIS‑Justiz RS0132439).

[6] Gleiches gilt für die Feststellung, der Beschwerdeführer habe mit dem inkriminierten Vortrag das Ziel verfolgt, mehrere „potentiell anwesende“ IS‑Sympathisanten in deren Einstellung zu bestärken (US 10), welche die Tatrichter übrigens – im Einklang mit den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0118317) – aus dem durch mehrere Beweisergebnisse untermauerten Umstand einer Anwesenheit teils namentlich bekannter Sympathisanten bei früheren gleichartigen Treffen in derselben Wohnung (vgl US 17) ableiteten. Denn nach dem weiteren Urteilssachverhalt bezweckte der Beschwerdeführer mit seinem Vortrag auch propagandistische Wirkung „gegenüber IS‑fremden Personen“ (US 10).

[7] Soweit die Entscheidungsgründe überhaupt eine (sinngemäße) Wiedergabe der Ausführungen des Sachverständigen Dr. * S* enthalten (vgl US 16), ist diese im erheblichen Umfang richtig (vgl ON 89.4, 44 und 52 f). Indem die Mängelrüge unter dem Aspekt der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Sache nach die daraus gezogenen Schlüsse des Erstgerichts kritisiert, verfehlt sie ein weiteres Mal den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099431).

[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich großteils darin, unzulässig aus diesem, in den Entscheidungsgründen erörterten Gutachten (US 15 f) für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen (vgl aber RIS‑Justiz RS0099674).

[9] Davon abgesehen werden Bedenken bloß aus den Erwägungen der Tatrichter selbst ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial abgeleitet (RIS‑Justiz RS0119424).

[10] Soweit sie das Vorbringen der Tatsachenrüge auch unter dem Aspekt der Z 5 geltend macht, bezeichnet die Nichtigkeitsbeschwerde keinen Begründungsmangel deutlich und bestimmt.

[11] Die zu Punkt A/II/ ausgeführte Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach [zufolge Idealkonkurrenz] Z 10) verfehlt mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich bei den Feststellungen zur § 278a Z 2 StGB entsprechenden Zweckausrichtung auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkt, die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810). Weshalb die Konstatierungen zu angestrebter Bereicherung in großem Umfang unter anderem aus dem Kassieren von „Schutzgeld“, „Entführungen und Lösegelderpressungen“ sowie dem groß angelegten Schmuggel von Rohöl (US 7 f) nicht ausreichten, legt der Beschwerdeführer nicht im Einzelnen dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0099620).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[13] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[14] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (gleichfalls im Einklang mit den Ausführungen der Generalprokuratur), dass das Einziehungserkenntnis betreffend eine Speicherkarte nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) zum Nachteil des Angeklagten aufweist. Nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen sind auf dieser Speicherkarte mehrere dschihadistische Sprechgesänge mit propagandistischem Inhalt für den „IS‑Islamic State“ aufgezeichnet. Ausführungen dazu, dass der Beschwerdeführer im gesetzlich geforderten Zusammenhang (§ 26 Abs 1 StGB) eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen habe, enthält das Urteil ebenso wenig (vgl US 3, 11, 17 f und 21) wie dazu, dass ihm als Eigentümer gemäß § 26 Abs 2 StGB die Gelegenheit zur (unwiederbringlichen) Entfernung eingeräumt worden oder eine solche aus bestimmten Gründen nicht möglich gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0121299).

[15] Dieser Ausspruch war demnach von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzuheben und die Sache insoweit an das tatortzuständige Bezirksgericht St. Pölten (§ 445 Abs 3 StPO) zu verweisen.

[16] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).

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