OGH 14Os78/25i

OGH14Os78/25i24.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M., Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB, AZ 18 Hv 16/25y des Landesgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 20. März 2025, GZ 18 Hv 16/25y‑13, sowie gegen mehrere Vorgänge in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Nordmeyer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00078.25I.0724.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 18 Hv 16/25y des Landesgerichts Klagenfurt verletzen

1./ die Durchführung der Hauptverhandlung am 20. März 2025 ohne Beiziehung eines Verteidigers § 61 Abs 1 Z 5 StPO;

2./ das Unterbleiben der Anführung der in § 260 Abs 1 Z 1 StPO bezeichneten Angaben im Hauptverhandlungsprotokoll § 271 Abs 1 Z 7 (iVm § 260 Abs 1 Z 1) iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO;

3./ das Unterbleiben der Bezeichnung der verwirklichten strafbaren Handlung als Verbrechen in der gekürzten Urteilsausfertigung § 270 Abs 4 Z 1 (iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz) iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO.

Das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. März 2025, GZ 18 Hv 16/25y‑13, wird aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Strafantrag vom 29. Jänner 2025 legte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt * P* ein dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB subsumiertes Verhalten zur Last (ON 7).

[2] Im darüber geführten Verfahren AZ 18 Hv 16/25y des Landesgerichts Klagenfurt wurde die Hauptverhandlung am 20. März 2025 ohne Beiziehung eines Verteidigers durchgeführt (ON 13, 1; vgl auch ON 1.5).

[3] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil vom selben Tag, GZ 18 Hv 16/25y‑13, wurde P* schuldig erkannt, dass er am 12. Jänner 2025 in K* * Pe* durch Versetzen eines Faustschlags gegen dessen Gesicht am Körper verletzt sowie an der Gesundheit geschädigt hat und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Bruch des Nasenbeins, der eine Aufrichtungsoperation erforderlich machte, und eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung herbeigeführt hat.

[4] Die dadurch verwirklichte strafbare Handlung bezeichnete das Landesgericht als „schwere Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB“, ohne auszusprechen, dass es sich um ein Verbrechen handelt (ON 13, 2).

[5] Im Protokoll über die Hauptverhandlung wurde hinsichtlich der vom Schuldspruch umfassten Tat bloß auf den Strafantrag verwiesen („Schuldspruch iSd Strafantrags der Staatsanwaltschaft Klagenfurt nach dem § 84 Abs 4 StGB“ [ON 12, 4]).

Rechtliche Beurteilung

[6] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, wurde im Verfahren AZ 18 Hv 16/25y des Landesgerichts Klagenfurt das Gesetz mehrfach verletzt:

[7] 1./ Gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO besteht in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen) notwendige Verteidigung, wenn für die – nach den Urteilsfeststellungen begangene (RIS‑Justiz RS0098131 [T2]; Ratz, WK‑StPO § 468 Rz 31) – Straftat eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Mit Blick auf die den Schuldspruch wegen des – mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedrohten – Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB tragenden Urteilsfeststellungen (ON 13, 3 iVm ON 13, 2; vgl RIS‑Justiz RS0125764 [T4]) hätte der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 20. März 2025 durch einen Verteidiger vertreten sein müssen. Die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit eines Verteidigers verletzt daher § 61 Abs 1 Z 5 StPO.

[8] 2./ Wird das über die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll nicht durch einen vom Vorsitzenden zu unterschreibenden Vermerk ersetzt (§ 271 Abs 1a iVm § 270 Abs 4 StPO), so hat es gemäß § 271 Abs 1 Z 7 StPO auch den Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben zu enthalten, demnach auch den Ausspruch, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; RIS-Justiz RS0098552 [T2]). Der im Hauptverhandlungsprotokoll vom 20. März 2025 erfolgte Verweis auf den Strafantrag (ON 12, 4) genügt diesen Anforderungen nicht, weshalb ein Verstoß gegen § 271 Abs 1 Z 7 (iVm § 260 Abs 1 Z 1) iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO vorliegt.

[9] 3./ Gemäß § 260 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz StPO hat ein schuldig sprechendes Strafurteil nicht nur die begründete strafbare Handlung zu bezeichnen, sondern auch auszusprechen, ob diese ein Verbrechen oder ein Vergehen ist. Dies gilt auch für eine gekürzte Urteilsausfertigung (§ 270 Abs 4 Z 1 iVm Abs 2 Z 4 StPO). Das Unterbleiben dieses Ausspruchs verletzt § 270 Abs 4 Z 1 (iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz) iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO.

[10] Die zu 1./ bezeichnete Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten zum Nachteil. Ihre Feststellung war daher wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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