European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00103.25F.0723.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Eigentümer einer an ein Straßengrundstück der beklagten Gemeinde angrenzenden Liegenschaft samt darauf errichteter Halle. Die Liegenschaft des Klägers befindet sich seit jeher unterhalb des Straßenniveaus. Ursprünglich war die Hallenmauer von der asphaltierten Straße (mit Ausnahme einer vom Kläger errichteten betonierten Zufahrt zum Hallentor) durch einen natürlichen Grünstreifen getrennt.
[2] Im November 2019 errichtete die Beklagte im Bereich dieses Grünstreifens am öffentlichen Gut einen entlang der Straße verlaufenden asphaltierten Gehweg. Ende August 2020 wurden im Auftrag der Beklagten an beiden Seiten des Hallentors Versickerungsmulden zur Aufnahme des von der Straße und dem Gehsteig ablaufenden Wassers errichtet.
[3] Die Errichtung des Gehwegs als sicherer Schulweg wurde vorab im Bauausschuss der Beklagten besprochen. Die für Bauangelegenheiten zuständige geschäftsführende Gemeinderätin und Vizebürgermeisterin der Beklagten hielt mit der Nebenintervenientin, die mit der Errichtung des Gehwegs beauftragt war, im Vorfeld eine Besprechung ab, deren Ergebnis unter anderem war, dass angesichts der Neigung des Gehwegs weg von den Gebäuden und hin zur Fahrbahn in Hinblick auf die Abflussverhältnisse des Oberflächenwassers und die Trockenheit der Gebäude auf den Nachbargrundstücken „nichts passieren“ könne. Aus diesem Grund ging die Beklagte davon aus, dass die Errichtung eines Gehwegs mit einer Breite von 1,5 Metern im Bereich des bis dahin vorhandenen Grünstreifens die Nachbarrechte der Anrainer nicht gefährden könne, weshalb für die Errichtung des Weges keine behördliche Bewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz eingeholt wurde.
[4] Der Kläger begehrte die Unterlassung der Zuleitung von Oberflächenwasser von der Straße auf seine Liegenschaft sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden an seiner Halle aufgrund der unmittelbaren Zuleitung von Oberflächenwasser. Seit Errichtung des Gehwegs sei es wiederholt zu einer unmittelbaren Zuleitung von Oberflächenwasser direkt in seine Halle gekommen. Grund dafür sei der Verlauf des Gehwegs, der direkt an den Einfahrtsbereich der Liegenschaft des Klägers anschließe, der Niveauunterschied des Gehwegs zur Halle sowie die Beseitigung des bisherigen Grünstreifens, der eine Versickerungsmöglichkeit geboten habe.
[5] Die Beklagte wendete ein, die Errichtung des Gehwegs stehe in keinem Zusammenhang mit den Wassereintritten in der Halle des Klägers. Aufgrund der mittlerweile errichteten Versickerungsmulden sei der Zustand gegenüber jenem vor Errichtung des Gehwegs sogar verbessert worden, sodass ein zukünftiges Eindringen von Oberflächenwasser in die Halle ausgeschlossen sei.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Duldungspflicht gemäß § 14 NÖ Straßengesetz setze nach dem Gesetzeswortlaut die Durchführung eines die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn berücksichtigenden Bewilligungsverfahrens nicht voraus. Angesichts der Zulässigkeit der Ableitung des Oberflächenwassers scheide aber auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers und damit die begehrte Feststellung der Haftung der Beklagten aus. Im Übrigen hätte der Kläger aufgrund des von ihm behaupteten Schadenseintritts bereits eine Leistungsklage einbringen können, sodass ihm auch aus diesem Grund das Feststellungsinteresse fehle.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision zur Frage für zulässig, welche Auswirkungen die fehlende Beteiligung von Anrainern an der Umgestaltung einer öffentlichen Straße auf die Legalservitut der Duldung des Abflusses von Oberflächenwässern auf ihre Liegenschaft habe.
[8] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch teilweise berechtigt.
1. Zum Unterlassungsanspruch
[11] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung und den überwiegenden Lehrmeinungen gelten die nachbarrechtlichen Ansprüche nach den §§ 364 ff ABGB auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (RS0010565; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 Vor §§ 364–364b Rz 30 mwN; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364 Rz 16). Ebenso ist in der jüngeren Rechtsprechung geklärt, dass öffentliche Straßenanlagen grundsätzlich als behördlich genehmigte Anlagen gemäß § 364a ABGB anzusehen sind (RS0010596; Oberhammer/Scholz-Berger in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 364a Rz 9 FN 70 mwN; zum NÖ Straßengesetz ggt Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364a Rz 101 mit der Begründung, dass keine Interessenabwägung hinsichtlich der Immissionsschutzinteressen der Nachbarn normiert sei).
[12] 1.2. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks den Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen etwa durch Abwässer insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Bei der Schaffung des § 364a ABGB entschied der Gesetzgeber im Interesse der Volkswirtschaft insoweit jedoch zu Gunsten des Anlagenbetreibers, als die Nachbarn die von einer den einschlägigen Verwaltungsvorschriften entsprechenden und daher behördlich bewilligten Anlage ausgehenden typischen Einwirkungen nicht unter Berufung auf § 364 Abs 2 ABGB untersagen lassen können, sondern auf einen Ausgleichsanspruch zur Abgeltung ihrer durch die Immissionen bewirkten Vermögensnachteile verwiesen werden (vgl nur 1 Ob 47/15s). Unmittelbare Zuleitungen – insbesondere auch von Wasser – sind aber ohne besonderen Rechtstitel unzulässig. Das gilt nach der Judikatur auch, wenn sie von einer behördlich genehmigten Anlage ausgehen (RS0010528; RS0010683; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 Rz 193; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB1.06 § 364 Rz 8 mwN). Auch bei Vorliegen einer bewilligten Anlage im Sinn des § 364a ABGB muss der Nachbar über die aus dieser Gesetzesstelle resultierende Duldungspflicht hinaus also eine unmittelbare Zuleitung nur hinnehmen, wenn ein besonderer Rechtsgrund dafür vorliegt. Dem Nachbar muss auch insoweit ein Abwehrrecht genommen sein, das ihm sonst nach dem Inhalt seines Eigentums zugestanden wäre (1 Ob 224/18z Pkt 2.2).
[13] 1.3. Nach der Rechtsprechung ist unter einer unmittelbaren Zuleitung eine solche zu verstehen, die durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RS0010635; zum Begriff der unmittelbaren Zuleitung ausführlich Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 Rz 186 ff). Sie erfordert kein zielgerichtetes Verhalten des Liegenschaftseigentümers, setzt aber voraus, dass durch den belangten Nachbarn überhaupt eine (mehr als bloß geringfügige) Veränderung erfolgte (RS0117337; 5 Ob 20/23m mwN).
[14] 1.4. Gemäß § 12 Abs 1 NÖ Straßengesetz 1999 (LGBl 8500-3) ist für den Bau und die Umgestaltung einer öffentlichen Straße eine Bewilligung der Behörde erforderlich. Umgestaltungen einer solchen Straße bedürfen allerdings dann keiner Bewilligung, wenn dabei keine Rechte von Parteien nach § 13 Abs 1 Z 2 bis 5 dieses Gesetzes berührt werden oder wenn diese Personen der Umgestaltung zugestimmt haben.
[15] Parteistellung im Bewilligungsverfahren nach § 12 NÖ Straßengesetz haben gemäß § 13 Abs 1 Z 3 dieses Gesetzes insbesondere die Eigentümer der Grundstücke, die an jene Grundflächen, auf denen das Straßenbauvorhaben projektgemäß ausgeführt werden soll, unmittelbar angrenzen (Nachbarn). Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie durch den geplanten Straßenbau und dessen Benützung in den in Abs 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. Solche subjektiv-öffentlichen Rechte sind gemäß § 13 Abs 2 Z 1 NÖ Straßengesetz insbesondere die Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Nachbarn.
[16] 1.5. Gemäß § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz hat der Liegenschaftseigentümer zu dulden, dass auf der Straße anfallende Oberflächenwässer flächenmäßig auf sein Grundstück ungehindert abfließen können.
[17] Bei dieser Bestimmung handelt es sich – wie bei vergleichbaren Duldungspflichten in den einzelnen Landesstraßengesetzen sowie in § 24 Abs 2 BStG 1971 – um eine Legalservitut, die einen Rechtstitel für die Zuleitung von abfließendem Wasser im Sinn des § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB bildet (vgl 1 Ob 224/18z Pkt 3.2 [zu § 10 Salzburger Landesstraßengesetz]). Der Nachbar hat daher auch unmittelbare Zuleitungen, soweit sie von der Reichweite der Legalservitut erfasst sind, zu dulden; ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch kommt dann nicht mehr in Betracht (1 Ob 224/18z Pkt 3.3).
[18] 1.6. Die Duldungspflicht des Nachbarn aufgrund dieser Legalservitut ist allerdings nicht schrankenlos. So wurde in der Entscheidung zu 1 Ob 31/78 (SZ 51/184) ausgesprochen, dass die Legalservitut nach § 10 Abs 1 Sbg Landesstraßengesetz 1972 nicht die Verpflichtung zur Duldung unkontrollierten Abflusses von Wasser (im Zuge eines Starkregenereignisses) von der Straße und schon gar nicht des Einfließens von Fäkalien und anderen Abwässern aus einem Hauptkanal infolge eines Rückstaus aufgrund unzureichender Kanaldimensionierung umfasst.
[19] Ebenfalls zu § 10 Abs 1 Sbg Landesstraßengesetz 1972 kam der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 2 Ob 67/84 zum Ergebnis, dass die Ablagerung von Schnee auf dem Nachbargrundstück zwar zu dulden ist, nicht aber in der Weise, dass Eis und Schnee mit großer Wucht in Form eines Eis- und Schneewalls an die Mauer des Nachbarhauses gepresst werden, also in einer unverhältnismäßig größeren, weil wesentlich anhaltenderen Einwirkung auf die Mauer, sofern diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt (vgl zur Schneeablagerung auch 4 Ob 239/08p).
[20] In der (zu einem Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB ergangenen) Entscheidung zu 7 Ob 66/02k sprach der Oberste Gerichtshof zur Duldungsverpflichtung nach § 21 Abs 3 OÖ Straßengesetz 1991 aus, dass demnach nur der freie, nicht gesammelte Abfluss des Wassers von der Straße zu dulden ist, was aber auf eine Vermurung im Zuge eines Starkregenereignisses, wodurch das Nachbargrundstück mit Schlamm und Schotter verunreinigt wurde, nicht zutrifft.
[21] 1.7. Demgegenüber wurde das bloße Abfließen von Straßenoberflächenwasser auf ein an die Straße grenzendes Grundstück in der Entscheidung zu 5 Ob 615/89 als von der Legalservitut nach § 10 Abs 1 Sbg Landesstraßengesetz 1972 umfasst angesehen, und zwar unabhängig davon, ob die vom Gesetz in § 364 Abs 2 ABGB gezogenen Grenzen (in Bezug auf die ortsüblichen Verhältnisse) überschritten werden oder nicht.
[22] In gleicher Weise wurde in der Entscheidung zu 1 Ob 29/89 die Ableitung der von der Straße gesammelten Wässer und der dort auftretenden Sickerwässer auf das Nachbargrundstück durch ein Rohr mit einem Durchmesser von 30 cm, wodurch sich im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze, aber auch bei anhaltenden heftigen Regenfällen „beinahe ein kleines Bächlein“ bildete, als durch § 10 Abs 1 Sbg Landesstraßengesetz 1972 gedeckt und somit nicht rechtswidrig angesehen, ohne dass es darauf ankäme, ob durch den Wasserabfluss von der Straße die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird.
[23] In der Entscheidung zu 1 Ob 224/18z führte der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf die angeführten Vorentscheidungen aus, dass bloßes Oberflächenwasser, das niederschlagsbedingt von der Straße abläuft, von der Legalservitut des § 10 Abs 1 Sbg Landesstraßengesetz 1972 erfasst ist, und zwar obwohl sich das Wasser bei stärkerem Niederschlag flächiger und konzentrierter am unbefestigten Vorplatz der Garage ansammelt als vor dem Straßenbau, dabei aber keine Verunreinigungen auf die Liegenschaft transportiert werden (1 Ob 224/18z Pkt 5.2).
[24] 1.8. In der schon zitierten Entscheidung zu 1 Ob 224/18z gelangte der Oberste Gerichtshof nach Darlegung der bisherigen Rechtsprechung zum Ergebnis, dass in Bezug auf die Reichweite der sich aus der Legalservitut ergebenden Duldungspflicht jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Einwirkung gegeben ist, die von dieser Anrainerverpflichtung erfasst und damit durch einen besonderen Rechtstitel im Sinn des § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB gerechtfertigt ist (1 Ob 224/18z Pkt 4.2). Aus den wiedergegebenen Entscheidungen lässt sich zur Reichweite der Duldungspflicht ableiten, dass jedenfalls gröbere Wassereinwirkungen auf Grundstücke (zB Verunreinigungen) oder Bauwerke nicht mehr von der Duldungspflicht gedeckt sind.
[25] Dieses Ergebnis entspricht auch der Wertung des § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz. Danach bezieht sich die Duldungspflicht darauf, dass die auf der Straße anfallenden Oberflächenwässer „flächenmäßig ungehindert abfließen“ können. Im Fall des Eindringens der Wässer in Bauwerke kann von einem solchen ungestörten, regulären Abfließen nicht mehr gesprochen werden.
[26] Hinzu kommt, dass nach den Amtlichen Erläuterungen (Motivenbericht) zu § 14 NÖ Straßengesetz (abgedruckt in NÖ Straßengesetz 1999, Texte, Materialien, Judikatur3 [2022] 52) „die Duldungspflicht des § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz ihre Grenze in den subjektiv-öffentlichen Rechten (Standsicherheit und Trockenheit von Bauwerken) findet und demnach nur im Grünland in Betracht kommt“.
[27] Es ergibt sich somit, dass die Duldungspflicht des § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz dort ihre Grenze findet, wo subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn, insbesondere jene der Standsicherheit und Trockenheit von Bauwerken (§ 13 Abs 2 Z 1 leg cit) beeinträchtigt werden.
[28] Dass die zu beurteilende Legalservitut nur im Grünland gelten soll, gelangt aus dem Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck. Hinsichtlich der Reichweite der Duldungspflicht steht das erzielte Ergebnis mit dem Motivenbericht aber im Einklang. Ob die Legalservitut tatsächlich nur für das Grünland gilt, muss hier nicht abschließend geklärt werden.
[29] Als Ergebnis folgt, dass § 14 Abs 2 Z 3NÖ Straßengesetz dahin einschränkend auszulegen ist, dass die Eigentümer von an eine Straße angrenzenden Grundstücken den Abfluss von Oberflächenwasser von Straßen nur soweit zu dulden haben, als dadurch die Standsicherheit oder Trockenheit ihrer Bauwerke nicht gefährdet oder beeinträchtigt wird.
[30] Der Kläger behauptet Wassereintritte in die auf seinem Grundstück befindliche Halle. Zum Ausmaß der Wassereintritte sowie zu den dadurch verursachten Schäden an oder in der Halle des Klägers wurden bisher aber keine (ausreichenden) Feststellungen getroffen, weshalb dazu sekundäre Feststellungsmängel vorliegen.
[31] 1.9. Das erzielte Ergebnis findet seine Stütze auch darin, dass der Gehweg von der Beklagten ohne behördliche Bewilligung (insbesondere nach § 12 iVm § 13 Abs 1 Z 3 und Abs 2 Z 1 leg cit) errichtet wurde und der Kläger daher keine Möglichkeit hatte, seine Interessen im Hinblick auf die behaupteten Wassereintritte in seine Halle in einem behördlichen Verfahren geltend zu machen.
[32] Dazu entspricht es der Rechtsprechung, dass der Unterlassungsanspruch nach § 364a ABGB bei einer behördlich genehmigten Anlage grundsätzlich nur dann ausgeschlossen ist, wenn die betroffenen Nachbarinteressen in einem behördlichen Verfahren geltend gemacht werden können (RS0010682; 8 Ob 128/09w; vgl auch 4 Ob 137/03f = RS0010682 [T7]). Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, weshalb es angezeigt ist, die Legalservitut des § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz teleologisch dahin zu reduzieren, dass diese nur dann gilt, wenn die Straße mit behördlicher Bewilligung (§ 12 leg cit) unter Beteiligung der betroffenen Nachbarn zur Wahrung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte hier insbesondere nach § 13 Abs 2 Z 1 leg cit (Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke), oder aber zu Recht (also bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs 1 zweiter Satz NÖ Straßengesetz) ohne Durchführung eines Bewilligungsverfahrens umgestaltet wurde.
[33] 1.10. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die Standsicherheit oder Trockenheit der Halle des Klägers durch die auf sein Grundstück vom Gehweg abfließenden Oberflächenwässer gefährdet oder beeinträchtigt wird, so wäre das Unterlassungsbegehren berechtigt.
2. Zum Feststellungsbegehren
[34] 2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei § 14 NÖ Straßengesetz um eine Eigentumsbeschränkung in einem gesetzlich angeordneten Sonderverfahren handelt, die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die in Abs 4 dieser Bestimmung näher geregelten Entschädigungs-ansprüche auslöst (vgl VwGH 2004/05/0152). § 14 Abs 4NÖ Straßengesetz sieht Schadenersatz allerdings ausdrücklich nur für Arbeiten bzw Maßnahmen nach § 14 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 2 leg cit vor; die Entschädigung ist in sinngemäßer Anwendung der Regeln des Enteignungsverfahrens von der Behörde festzusetzen, wenn ein nicht behebbarer Schaden entstanden ist und zwischen den Parteien keine Einigung erzielt wird. Diese Bestimmung gilt also gerade nicht für die hier allein relevante Duldungspflicht des Grundeigentümers nach § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz.
[35] 2.2. Wie bereits ausgeführt, sind nach der Judikatur öffentliche Straßenanlagen als behördlich genehmigte Anlagen gemäß § 364a ABGB anzusehen. Die nachbarrechtlichen Ansprüche gelten grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (RS0010565). Der Nachbar hat daher einen – verschuldensunabhängigen (RS0010449) – Aus-gleichsanspruch zur Abgeltung seiner durch die Immissionen bewirkten Vermögensnachteile (1 Ob 224/18z Pkt 2.1 mwN).
[36] 2.3. Anders als etwa § 21 Abs 3 OÖ Straßengesetz (vgl dazu 5 Ob 20/23m Rz 25) oder § 24 Abs 2 BStG 1971 normiert § 14 Abs 2 Z 3 NÖ Straßengesetz nicht, dass der Grundeigentümer den Zufluss von Oberflächenwasser von der Straße ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden hat. Ein Ausgleichsanspruch im Sinn des § 364a ABGB ist im vorliegenden Fall deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl allgemein auch 6 Ob 208/18h).
[37] 2.4. Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage subsidiär ist (RS0038849), weshalb die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens das Feststellungsinteresse ausschließt, soweit der Schaden schon eingetreten und der Ersatzanspruch bezifferbar ist (RS0038849 [T15]). Dass bereits eingetretene Schäden mit Leistungsklage geltend zu machen sind, hindert die Feststellungsklage allerdings dann nicht, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch wegen künftig eintretender Nachteile, wie sie hier der Kläger behauptet, nicht erschöpft ist (RS0038817 [T9]).
[38] 2.5. In dieser Hinsicht wird das Erstgericht daher im fortgesetzten Verfahren – insbesondere auf Basis des bereits eingeholten Sachverständigengutachtens – auch Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die auf die Wassereintritte zurückzuführenden Schäden an der Halle des Klägers ihre Ursache in der (nach seinen Behauptungen mangelhaften) Herstellung des Gehwegs haben und ob künftige Schäden möglich oder aber auszuschließen sind (vgl RS0040838).
[39] 3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind somit zufolge sekundärer Feststellungsmängel zur Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage im aufgezeigten Sinn aufzuheben.
[40] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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