OGH 9Ob70/25x

OGH9Ob70/25x17.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* GmbH, *, vertreten durch Olischar Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. R*, wegen 4.220,45 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 3.551,06 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. April 2025, GZ 39 R 12/25s‑49, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00070.25X.0717.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Beklagte macht eine Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts geltend, diesbezüglich ist die Mängelrüge allerdings nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil er nicht darlegt, welches für die Entscheidung relevante zusätzliche oder geänderte Tatsachenvorbringen er erstattet hätte, wenn die in der Revision als überraschend bezeichnete Rechtsansicht mit ihm erörtert worden wäre (vgl RS0037300 [T48]).

[2] 2. Soweit die Revision einen weiteren Verfahrensmangel darin sieht, dass eine Beweisaufnahme zu den von den Vorinstanzen als rechtlich nicht relevant qualifizierten Fragen unterlassen wurde, macht er einen sekundären Feststellungsmangel geltend, der der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist.

[3] 3. Nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist der Bestandnehmer für die Dauer und im Ausmaß der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Zinses befreit, wenn dieses schon bei der Übergabe so mangelhaft war oder während der Bestandzeit ohne Verschulden des Bestandnehmers derart mangelhaft wurde, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Diese Zinsbefreiung (Zinsminderung) tritt ex lege ein und besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit oder Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung (vgl RS0107866, RS0021457 [T4, T7]).

[4] § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist eine Vorschrift des Gewährleistungsrechts (RS0021326). Ihre Anwendung setzt daher nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die tatsächlich erbrachte von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht (RS0021326 [T11, T13]). Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer (RS0021416).

[5] 4. Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts (RS0021324). Die Mietzinsminderung ist dabei nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bemessen (RS0109646 [T1]; RS0021324 [T3]).

[6] 5. Das Berufungsgericht hat für die drei Monate der Beeinträchtigung des Kanzleibetriebs des Beklagten durch Baulärm eine Mietzinsminderung von 25 % angenommen. Damit hält es sich im Rahmen der Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen (vgl 1 Ob 177/05v [15 %]; 7 Ob 90/10a [15 %]; 8 Ob 526/90 [25 %]).

[7] 6. Soweit die Revision darin eine grobe Fehlbeurteilung sieht, weil nach den Umständen von einer Mietzinsminderung von 75 % auszugehen wäre, kann ihr nicht gefolgt werden.

[8] Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass während des dreimonatigen Zeitraums nur an insgesamt 46 Tagen Arbeiten erfolgen, die Mietzinsminderung aber auf Basis des gesamten Mietzinses zuerkannt wurde, wobei das Berufungsgericht den Umstand berücksichtigte, dass nicht vorhersehbar war, wann Arbeiten stattfinden und wann nicht. Der Beklagte selbst machte in erster Instanz geltend, die Arbeitsleistung sei „um 25 % zurückgegangen“, er selbst habe die Arbeit an 10 (Revision: 12) Tagen „abbrechen müssen“. Festgestellt ist auch, dass das Objekt durchgehend genutzt wurde.

[9] 7. Auch übergeht der Beklagte, dass er von unterschiedlichen Vermietern zwei Objekte gemietet hat, die gemeinsam genutzt werden. Gegenüber der Klägerin kann er daher Beeinträchtigungen etwa aufgrund des Materiallifts, der vor dem anderen Bestandobjekt situiert war, nicht geltend machen. Diesbezüglich liegt daher auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.

[10] 8. Die behaupteten Umsatzrückgänge hat der Beklagte sowohl als Gegenforderung geltend gemacht als auch eine außergerichtliche Aufrechnung behauptet. Bereits die Vorinstanzen haben darauf hingewiesen, dass es für einen Schadenersatzanspruch diesbezüglich sowohl an einem Verschulden der Klägerin als auch an der Gegenseitigkeit der Forderungen mangelt, wurden doch die Bauarbeiten von der Eigentümergemeinschaft beauftragt. Soweit die Revision mit der Gleichartigkeit der Forderung argumentiert, kommt es darauf daher nicht an.

[11] Wenn der Beklagte nunmehr in der Revision seinen Mietzinsminderungsanspruch auch auf einen behaupteten Umsatzrückgang stützt, stellt dies eine unzulässige Neuerung dar. Darüber hinaus ist aber auch das Vorbringen zu einem solchen Umsatzrückgang, was die Klägerin auch ausdrücklich eingewendet hat, in erster Instanz unschlüssig geblieben.

[12] 9. Für die Ersatzzahlungen an Mitarbeiter und den Beklagten selbst, zeigt auch die Revision keine nachvollziehbare Rechtsgrundlage auf. Auch hier fehlt es aber für eine Aufrechnung an der Gegenseitigkeit, da die Zahlungen nicht vom Beklagten geleistet wurden.

[13] 10. Die Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/innen vor der Gefährdung durch Lärm und Vibrationen (Verordnung Lärm und Vibrationen – VOLV, BGBl II 2006/22) hat ihre Grundlage im Arbeitnehmer-Innenschutzgesetz (ASchG) und regelt damit die Verpflichtung von Arbeitgebern, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer Sorge zu tragen. Die Klägerin als Vermieterin ist daher nicht Normadressat.

[14] 11. Für die behaupteten Mängel des Parkettbodens hat das Berufungsgericht eine Mietzinsminderung für die verfahrensgegenständliche Periode schon deshalb abgelehnt, weil eine solche eine Anzeige iSd § 1097 ABGB voraussetze. Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung wendet sich die Revision nicht. Auf die Argumente, warum und in welchem Umfang solche Ansprüche aus Schäden am Parkett resultieren können, ist daher nicht einzugehen.

[15] 12. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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