OGH 15Os66/25g

OGH15Os66/25g16.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Artner in der Strafsache gegen * H* wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 28. März 2025, GZ 79 Hv 77/24s‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00066.25G.0716.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I.) und des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Nacht von 25. auf den 26. Juli 2023 in K* * T*

I. mit Gewalt, indem er sie an den Armen und im Bereich des Oberkörpers festhielt und an ihren Haaren zog, in zwei gesonderten Angriffen zur Duldung des Beischlafs genötigt;

II. während sie schlief und somit eine wehrlose Person war, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vorgenommen hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

[4] Mit Widersprüchen in den Aussagen der Belastungszeugin T* haben sich die Tatrichter– entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiterFall) – auseinandergesetzt (US 7, 9 f). Indem der Rechtsmittelwerber deren Zeugenaussage als widersprüchlich und sinnwidrig bezeichnet und damit ihre Glaubwürdigkeit erschüttern will, übt er bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO).

[5] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat das Schöffengericht den Befundbericht des Klinikums K* vom 27. Juli 2023 (ON 8.11) sehr wohl erörtert (US 10).

[6] Mit der Bezugnahme auf den vom Erstgericht gefällten Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung des Opfers zeigt die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) keinen Widerspruch auf. Es ist nämlich zulässig, wenn das Gericht Aussagen von Beweispersonen zu verschiedenen Fakten einmal als hinreichende Grundlage für einen entsprechenden Schuldspruch einstuft, in anderen Fällen aber nicht (RIS‑Justiz RS0098372; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.126).

[7] Das Vorbringen, der Schöffensenat habe vermutlich betreffend den zeitlich ersten Vergewaltigungsvorwurf einen Freispruch gefällt, „um keine Erklärung suchen zu müssen, warum das angeblich bereits am W* oral vergewaltigte Opfer, trotzdem mit dem Angeklagten in dessen Wohnung gefahren ist“, kritisiert neuerlich bloß die dem Erstgericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[8] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

[9] Die Tatsachenrüge argumentiert, dass nach dem bereits genannten Befundbericht und nach den Angaben des Opfers dieses „die Pille“ als Verhütungsmittel eingenommen hatte und überdies erklärt habe, sich zunächst den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten sehr wohl habe vorstellen können. Daher erschließe sich nicht, aus welchem Grund der Umstand, dass der Angeklagte kein Kondom verwendete, eine plötzliche Umkehr bei der Bereitschaft zum Beischlaf beim Opfer hervorgerufen haben sollte. Weiters sei es mit den Denkgesetzen nicht vereinbar, dass ein laut Darstellung des Opfers zuvor erzwungener Oralverkehr am W* dieses nicht daran hinderte, freiwillig in die Wohnung des Angeklagten zu fahren. Überdies verweist die Tatsachenrüge auf die Angaben des zur Tatzeit in der Wohnung anwesend gewesenen Zeugen * Y*, welcher keine Schreie wahrgenommen habe (vgl US 8), und meint, dass der Umstand, dass das Opfer beim Verein A* in Betreuung sei (US 15), nicht für die Lösung der Schuldfrage herangezogen werden könnte.

[10] Damit weckt der Beschwerdeführer beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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