OGH 10Ob36/25d

OGH10Ob36/25d10.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen 1. *, geboren *2014, *, und 2. *, geboren *2020, *, beide vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Rechtsvertretung Bezirk 22, 1220 Wien, Simone-de-Beauvoir-Platz 6, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 2025, GZ 45 R 630/24s-78, womit der (richtig: Teil-)Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 4. November 2024, GZ 29 Pu 89/21v-66, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00036.25D.0710.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit sie den Unterhalt der Minderjährigen * im Zeitraum von 25. 3. 2022 bis 22. 2. 2023 und des Minderjährigen * im Zeitraum von 25. 3. 2022 bis 12. 9. 2024 betreffen, aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

In Ansehung des Unterhalts der Minderjährigen * im Zeitraum 23. 2. 2023 bis 28. 2. 2023 wird die abweisende Entscheidung des Rekursgerichts als Teilbeschluss bestätigt.

 

Begründung:

[1] Die Minderjährigen sind die Kinder von * und *.

[2] Die Minderjährige * lebte von 5. 4. 2021 bis 23. 2. 2023 bei * und befindet sich derzeit in einer Wohngemeinschaft in voller Erziehung der Stadt Wien.

[3] Der Minderjährige * lebt seit 5. 4. 2021 bei *.

[4] Am 25. 3. 2022 beantragte der Kinder- und Jugendhilfeträger seine Betrauung mit der Obsorge für die beiden Minderjährigen. Mit Beschluss vom 8. 11. 2023 entzog das Erstgericht den Eltern die Obsorge und übertrug sie dem Kinder- und Jugendhilfeträger.

[5] Die Minderjährigen begehrten (vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger) die Mutter zur Unterhaltsleistung an die Minderjährige * für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 28. 2. 2023 in Höhe von 30 EUR und an den Minderjährigen * für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 12. 9. 2024 in näher bezeichneter Höhe zu verpflichten.

[6] Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zur Unterhaltsleistung von jeweils 30 EUR monatlich an die Minderjährige * für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 28. 2. 2023 und an den Minderjährigen * für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 12. 9. 2024 (jeweils zu Handen des Vertreters der Minderjährigen) und behielt sich Entscheidung über das monatliche Mehrbegehren des Minderjährigen * für den Zeitraum von 1. 4. 2023 bis 12. 9. 2024 vor.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge. Hinsichtlich der Unterhaltsansprüche der Minderjährigen für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 24. 3. 2022 hob es den angefochtenen Beschluss unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. In Ansehung der Unterhaltsansprüche für den Zeitraum ab 25. 3. 2022 (bis 28. 2. 2023 bzw 12. 9. 2024) änderte es die Entscheidung des Erstgerichts in eine Abweisung der Anträge der Minderjährigen (richtig: als Teilbeschluss) ab. Der Kinder- und Jugendhilfeträger habe unstrittig mit 25. 3. 2022 die Maßnahme der Obsorgeentziehung gesetzt, sodass ab diesem Zeitpunkt die Kostentragungsregeln des „§ 30 BKJHG“ anzuwenden seien. Ab Setzen dieser Maßnahme – der Gewährung der vollen Erziehung – sei der Kinder- und Jugendhilfeträger unmittelbar kraft Gesetzes Legalzessionar der Unterhaltsansprüche der Minderjährigen. Mit dem gegenständlichen Antrag werde ausdrücklich ein eigener Unterhaltsanspruch der Minderjährigen und nicht der nach § 37 WKJGH 2013 auf den Kinder- und Jugendhilfeträger im Wege der Legalzession übergegangene Unterhaltsanspruch geltend gemacht. Für Zeiträume davor fehlten Feststellungen dazu, ob die Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber den Kindern durch die im Rahmen der Drittpflege erbrachten Leistungen erloschen seien.

[8] Dagegen richtet sich der – hinsichtlich der Bekämpfung des Aufhebungsbeschlusses vom Rekursgericht zurückgewiesene und im Übrigen nachträglich zugelassene – Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.

[9] In der Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Mutter, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

[11] 1. Die Minderjährigen fechten die Entscheidung des Rekursgerichts zur Gänze an. Soweit sich das Rechtsmittel daher auch gegen die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Pflegschaftssache an das Erstgericht wendet (betreffend die Unterhaltsansprüche der beiden Minderjährigen für den Zeitraum von 1. 5. 2021 bis 24. 3. 2022), wurde dieses (gemeinsam mit der Zulassungsvorstellung) bereits vom Rekursgericht (rechtskräftig) zurückgewiesen.

[12] Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens ist somit ausschließlich der Teilbeschluss des Rekursgerichts betreffend die von den Minderjährigen geltend gemachten Unterhaltsansprüche der Minderjährigen für Zeiträume ab 25. 3. 2022 (hinsichtlich der Minderjährigen * bis 28. 2. 2023 und hinsichtlich des Minderjährigen * bis 12. 9. 2024).

[13] 2. Mit der Behauptung, die Minderjährigen hätten das „nunmehrige Vorbringen noch deutlicher als ohnehin geschehen im bisherigen Verfahren erhoben“ führt der Revisionsrekurs die auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen gestützte Mängelrüge nicht gesetzmäßig aus (RS0120056 [T18]), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[14] 3. Die Minderjährigen wenden sich im Revisionsrekurs nicht gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach der Unterhaltsanspruch eines Kindes bei Gewährung der vollen Erziehung infolge Legalzession nach dem Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (WKJHG 2013) bis zur Höhe der Ersatzforderung auf den Kinder- und Jugendhilfeträger übergeht und die Minderjährigen im Fall einer solchen Legalzession zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nicht aktiv legitimiert sein können. Sie argumentieren vielmehr damit, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger am 25. 3. 2022 bloß einen Antrag auf Betrauung mit der Obsorge eingebracht habe, was nicht die volle Erziehung im Sinn des § 30 WKJHG 2013 nach sich ziehe, weshalb § 37 WKJHG 2013 nicht zur Anwendung gelange. In voller Erziehung befänden sich die Minderjährige * erst seit 23. 2. 2023 und der Minderjährige * erst seit 13. 9. 2024, sodass diese unterhaltsberechtigt seien. Bis zu diesen Zeitpunkten seien der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger infolge Drittpflege keine Kosten entstanden, die zum Übergang von Unterhaltsansprüchen führen könnten.

[15] Damit zeigt das Rechtsmittel eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht auf.

[16] 3.1. Die Minderjährigen hatten in den hier relevanten Zeiträumen ihren Hauptwohnsitz in Wien, sodass nach § 4 WKJHG 2013 der Wiener Kinder- und Jugendhilfeträger für die Erbringung der im WKJHG 2013 normierten Leistungen zuständig ist.

[17] 3.2. Ist das Kindeswohl gefährdet und ist zu erwarten, dass die Gefährdung nur durch Betreuung außerhalb der Familie oder des sonstigen bisherigen Wohnumfeldes abgewendet werden kann, ist Kindern und Jugendlichen volle Erziehung zu gewähren, sofern der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut ist (§ 30 Abs 1 WKJHG 2013). Gemäß § 36 Abs 1 Satz 1 WKJHG 2013 sind die Kosten der vollen Erziehung (und die Betreuung von jungen Erwachsenen nach § 33 WKJHG 2013), soweit dadurch der Unterhalt tatsächlich geleistet wurde, von den Eltern des Kindes im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu im Stande sind. Diese Bestimmung normiert eine Ersatzpflicht der unterhaltspflichtigen Eltern für die Kosten der vollen Erziehung im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht (RS0128633). Auch wenn es sich bei diesem Kostenersatzanspruch um keinen Unterhaltsanspruch handelt, haben dieselben Grundsätze wie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts zu gelten (RS0128633 [T6]). Die gerichtliche Geltendmachung erfolgt nach den für das Unterhaltsverfahren geltenden Regelungen (§ 43 B-KJHG 2013).

[18] Durch Gewährung der vollen Erziehung werden daher Unterhaltsbedürfnisse des unterhaltsberechtigten Kindes gedeckt, die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen grundsätzlich ausschließen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung zusteht (RS0080395). Dieser Grundsatz ist allerdings dort nicht anwendbar, wo der Gesetzgeber durch Anordnung aufgeschobener (also erst mit Verständigung des Unterhaltspflichtigen bewirkter) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RS0063121).

[19] 3.3. Gemäß § 37 WKJHG 2013 gehen Forderungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung des Unterhaltsbedarfs dienen, bei Gewährung der vollen Erziehung oder Betreuung von jungen Erwachsenen durch den Kinder- und Jugendhilfeträger bis zur Höhe der Ersatzforderung unmittelbar kraft Gesetzes auf die Stadt Wien über. Dabei handelt es sich um eine derartige aufgeschobene Legalzession.

[20] 3.3.1. Die Wendung „unmittelbar kraft Gesetzes“ bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass es dazu keiner Willenseinigung mit dem Unterhaltsberechtigten oder gar der Zustimmung des Unterhaltspflichtigen bedarf. Ob es dazu noch einer Mitteilung des Kinder- und Jugendhilfeträgers an den Unterhaltspflichtigen bedarf, lässt sich der Bestimmung (die auch eine Anzeige des Forderungsübergangs an den Unterhaltspflichtigen nicht ausdrücklich vorsieht) hingegen nicht entnehmen.

[21] 3.3.2. Die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung knüpfen den Eintritt der Legalzession an eine Mitteilung des Kinder- und Jugendhilfeträgers an den Unterhaltspflichtigen (Beilage Nr 27/2013, LG – 02573-2013/0001).

[22] 3.3.3. Dies entspricht auch den Vorgaben des Landesgesetzgebers, denn mit dem WKJHG 2013 sollten die grundsatzgesetzlichen Vorschriften des B-KJHG 2013 (in der damals geltenden Fassung) als Ausführungsgesetz umgesetzt werden. § 37 WKJHG diente somit der Umsetzung des – im Wesentlichen wortgleichen – § 30 Abs 4 B-KJHG 2013, bei dem (wie schon nach der Vorgängerbestimmung des § 34 Satz 1 JWG) ein Forderungsübergang aufgrund der Mitteilung an den Unterhaltspflichtigen angenommen wurde (3 Ob 155/17s ErwGr 1.2.; Staffe-Hanecek/Weitzenböck, Kinder- und Jugendhilferecht [2015] § 30 B-KJHG Anm 4; in diesem Sinn auch RV 2191 BlgNR 24. GP 24). Dass (unter anderem) § 30 B- KJHG 2013 mittlerweile nicht mehr formell in Kraft ist (vgl Art 151 Abs 63 Z 4 und 5 B-VG, BGBl 1930/1 idF BGBl I 2019/14 und die zwischen Bund und Ländern getroffene Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe, BGBl I 2019/106), ändert nichts an der ursprünglichen und daher bei der Auslegung zu berücksichtigenden Absicht des Landesgesetzgebers, zumal § 30 B-KJHG 2013 weiterhin einen in Art 2 Abs 2 Z 2 der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe vereinbarten Grundsatz für die Gesetzgebung der Länder bildet.

[23] 3.4. Die vom Rekursgericht angenommene und von den Minderjährigen (im relevanten Zeitraum) bestrittene Legalzession könnte der Geltendmachung der gegenständlichen Unterhaltsansprüche durch die Minderjährigen gegenüber der Mutter daher nur entgegenstehen, wenn ihnen (im jeweiligen Zeitraum) volle Erziehung gewährt worden und der Kinder- und Jugendhilfeträger der Mutter den Forderungsübergang überdies mitgeteilt hätte.

[24] 3.4.1. Zur Frage, ob und ab welchen Zeitpunkt den Minderjährigen volle Erziehung gewährt wurde, wurden vom Erstgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Entgegen der Rechtsauffassung der Mutter und des Rekursgerichts kommt dem (von letzterem als unstrittig seiner Entscheidung zugrunde gelegten) Umstand, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger mit 25. 3. 2022 eine vorläufige Maßnahme der Pflege und Erziehung nach § 211 ABGB hinsichtlich der beiden Minderjährigen traf und damit auch vorläufig mit der Obsorge betraut war, in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Die Gewährung der vollen Erziehung setzt nach § 30 Abs 1 WKJHG 2013 zwar voraus, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut ist. Daraus folgt aber nicht bereits die Gewährung der vollen Erziehung, zumal dem Kinder- und Jugendhilfeträger auch andere (insbesondere im Sinn des § 28 WKJHG 2013 gelindere, noch zum Ziel führende) Maßnahmen zur Verfügung stehen können. Auch die hier unstrittige Fremdbetreuung durch Pflegeeltern(-teile) im Sinn des § 184 ABGB genügt für die Annahme einer vollen Erziehung nicht. Für die Gewährung der vollen Erziehung ist nach der Rechtsprechung vielmehr die ausdrückliche Anordnung mit Kostenfolge für den Kinder- und Jugendhilfeträger erforderlich (vgl RS0112860 [insb T3 und T4]; soweit in den zitierten Rechtssätzen auf eine „hoheitliche“ Anordnung Bezug genommen wird, ist freilich – worauf Neumayr [iFamZ 2024/36] zutreffend hinweist – die jüngere Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach derartige Maßnahmen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung getroffen werden [RS0133567]).

[25] 3.4.2. Nach dem Inhalt des Revisionsrekurses wurde den Minderjährigen volle Erziehung ab 23. 2. 2023 (betreffend die Minderjährige *) bzw 13. 9. 2024 (betreffend den Minderjährigen *) gewährt. Insofern gestehen die Minderjährigen die Gewährung der vollen Erziehung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger ab diesen Zeitpunkten zu. Der Zugang der Mitteilungen über den Forderungsübergang an den Vertreter der unterhaltspflichtigen Mutter ist im Akt auch ausgewiesen (ON 74 und Zustellung ON 75), sodass mit diesen Zeitpunkten von einem Übergang der Unterhaltsforderungen auf den Kinder- und Jugendhilfeträger auszugehen ist. Für den hier relevanten Zeitraum hat dies nur Auswirkungen auf Unterhaltsforderungen der Minderjährigen *, und zwar für den Zeitraum 23. 2. 2023 bis 28. 2. 2023 (Unterhaltsforderungen des Minderjährigen * sind nur bis 12. 9. 2024 zu prüfen). Insofern ist die Entscheidung des Rekursgerichts daher zu bestätigen.

[26] 3.4.3. Anhaltspunkte für einen Forderungsübergang der Unterhaltsforderungen der Minderjährigen auf den Kinder- und Jugendhilfeträger hinsichtlich der davor liegenden Zeiträume lassen sich den Feststellungen des Erstgerichts demgegenüber nicht entnehmen. Insofern ist die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Pflegschaftssache an das Erstgericht daher unvermeidlich. Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren das Tatsachenvorbringen der Mutter, die erkennbar einen solchen Forderungsübergang behauptete (ON 53, ON 63 und Rekurs ON 67), zu prüfen und zum Gegenstand von Feststellungen zu machen haben.

[27] Sollte sich herausstellen, dass die Unterhaltsforderungen (mangels Gewährung der vollen Erziehung oder mangels Mitteilung des Kinder- und Jugendhilfeträgers vom Forderungsübergang hinsichtlich dieser Zeiträume) nicht auf den Kinder- und Jugendhilfeträger übergegangen sind, die behauptete Legalzession der Geltendmachung durch die Minderjährigen also nicht entgegensteht, wird zu prüfen sein, ob die Unterhaltspflicht der Mutter durch die an die Minderjährigen in diesem Zeitraum von Dritten erbrachten Sach- oder Geldleistungen erloschen ist. Nach der Rechtsprechung können regelmäßige – auf Freiwilligkeit beruhende – Sach- oder Geldleistungen eines Dritten nämlich dann zum Erlöschen der Unterhaltspflicht führen, wenn der Dritte mit seiner Leistung die Absicht verfolgt, ganz oder auch nur teilweise die Unterhaltspflicht des Schuldners zu erfüllen, sei es um von ihm Ersatz zu erlangen oder in dessen Erwartung (RS0020019), sei es als Schenkung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen (1 Ob 8/20p ErwGr 2.). Mangels nachgewiesener – oder nach den Umständen anzunehmender – Absicht, den Unterhaltsschuldner zu entlasten, haben Leistungen Dritter keinen Einfluss auf die Unterhaltsverpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils (3 Ob 227/18f ErwGr 1.1.).

[28] Sollte sich dabei ergeben, dass die Unterhaltspflicht der Mutter hinsichtlich der jeweiligen Zeiträume weiter aufrecht ist, werden schließlich Feststellungen zu treffen sein, aus denen sich die Höhe der in diesem Zeitraum bestehenden Unterhaltsansprüche ermitteln lässt (insbesondere Einkommen der Eltern und allenfalls bereits geleistete Zahlungen).

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