European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00038.25Y.0710.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht in Rechtskraft erwachsen sind (Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 187,50 EUR und eines Zinsenmehrbegehrens durch das Erstgericht) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin (eine Rechtsanwalts-GmbH) erbrachte der Beklagten gegenüber (durch einen Rechtsanwalt und einen Rechtsanwaltsanwärter ohne Prüfung) Rechtsberatungs‑ und Vertretungsleistungen in einer gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit unter Mitgesellschaftern sowie Rechtsberatungsleistungen zu einer Testaments‑ und Pflichtteilsanfechtung. Bei der Beauftragung wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach Stundensätzen abrechne, die in einer weiteren Besprechung mit 350 EUR für Leistungen durch einen Partner und mit 270 EUR für Leistungen durch einen Rechtsanwaltsanwärter ohne Prüfung bekanntgegeben wurden. Bei dieser Besprechung wurde die Beklagte auch darauf hingewiesen, dass der anwesende Rechtsanwaltsanwärter die gegenständliche Sache bearbeiten würde. Die Beklagte wies bei diesem Gespräch auch auf ihre angespannte wirtschaftliche Situation hin und dass sie im GmbH‑Recht nicht so bewandert sei; sie gab an, dass sie eine Gewinnauszahlung aus der GmbH erreichen wolle.
[2] Der Geschäftsführer der Klägerin vertrat die Beklagte (als Gesellschafterin) in weiterer Folge bei einer Generalversammlung, in der der Geschäftsführer der Klägerin im Namen der Beklagten die Ausschüttung eines Gewinns beantragte, die aber infolge der Ablehnung der übrigen Gesellschafter nicht beschlossen wurde. Vor und nach dieser Generalversammlung prüften er und der eingesetzte Rechtsanwaltsanwärter die Möglichkeit einer Anfechtungsklage und sie bereiteten diese bereits (wegen der knappen Frist auch schon davor) teilweise vor. Der vorläufige Entwurf wurde sodann an die Beklagte zur Durchsicht übermittelt. Bereits dieser Entwurf enthielt neben dem Antrag auf Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses ein Feststellungsbegehren, dass der in der Generalversammlung von der Beklagten gestellte Beschlussantrag, womit die Ausschüttung des Gewinnanteils an die Gesellschafter entsprechend deren Beteiligung begehrt wurde, einstimmig angenommen worden und der Gewinn an die Gesellschafter auszuschütten sei, sowie ein entsprechendes Zahlungsbegehren.
[3] Die Beklagte retournierte den Entwurf mit ihren Änderungsvorschlägen, der sodann mit den großteils übernommenen Anmerkungen der Beklagten dieser neuerlich zur Durchsicht übermittelt wurde. Zum im Klageentwurf enthaltenen Eventualbegehren auf Zahlung hielt der Rechtsanwaltsanwärter fest: „Um auf Nummer sicher zu gehen und uns alle Möglichkeiten offen zu halten, haben wir die Klage nun auch noch um ein Eventualbegehren auf Vollausschüttung ergänzt.“Die Beklagte regte in der Folge unter anderem an, das Eventualbegehren wegen der Höhe der Gerichtsgebühren wegzulassen, worauf der Rechtsanwaltsanwärter antwortete: „Ihre Bedenken bezüglich der Erhebung des Eventualbegehrens habe ich soeben noch mit [dem Geschäftsführer der Klägerin] besprochen und diskutiert. Wir verstehen Ihre Ansicht, empfehlen aber dennoch, das Eventualbegehren gleich mit in die Klage aufzunehmen. Wir sind uns bewusst, dass wir hier einen neuen Weg einschlagen und diese Frage von der Judikatur bislang nicht abschließend geklärt ist. Um einer möglichen Präklusion Ihres Vollausschüttungsanspruches (aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Nichtigerklärung des Beschlusses, die binnen der 1-Monatsfrist geltend zu machen ist, vorzubeugen, schlagen wir aber vor, den sicheren Weg einzuschlagen und das Eventualbegehren sogleich zu erheben. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang auch das drohende Problem, dass die Geschäftsführung der beklagten Partei in naher Zukunft mit dem ausgewiesenen Bilanzgewinn Investitionen tätigen wird und damit den ausschüttungsfähigen Gewinn schmälert bzw. gänzlich aufbraucht, zu berücksichtigen. Diesfalls könnte ein weiterer Beschluss (nach Feststellung des JA 2020), mit dem die Gewinnausschüttung abgelehnt wird, wohl nicht mehr unter Berufung auf die Verletzung der Treuepflicht und des Rechtsmissbrauches angefochten werden. Sie könnten dann Gefahr laufen, in einer Endlosschleife zu landen und die Aufrechterhaltung der Thesaurierung womöglich gar nicht mehr wirksam bekämpfen. Die Letztentscheidung obliegt aber selbstverständlich Ihnen als Klägerin. Wir dürfen daher neuerlich um kurze Rückmeldung zum Eventualbegehren ersuchen und werden dann die angepasste Klage bei Gericht einbringen.“
[4] Die Beklagte folgte dieser Empfehlung und gab den Entwurf zur Einbringung frei. Das Klagebegehren der eingebrachten Klage lautete sodann wie folgt:
„1.) Der in der Generalversammlung der beklagten Partei […] als gefasst verkündete Gesellschafterbeschluss, womit die Ausschüttung des Gewinnanteils […] entsprechend dem Jahresabschluss mit Stichtag 31. 12. 2019 an die Gesellschafter entsprechend derer Beteiligung abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.
2.) Es wird festgestellt, dass der in der Generalversammlung der beklagten Partei […] gestellte Beschlussantrag, womit die Ausschüttung des Gewinnanteiles […] entsprechend dem Jahresabschluss mit Stichtag 31. 12. 2019 an die Gesellschafter entsprechend deren Beteiligung begehrt wurde, mit der hiefür notwendigen Mehrheit angenommen wurde und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin den Betrag von […] binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
In Eventu:
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin den Betrag […] binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
3.) […]“
[5] Nach Übermittlung der Ladung zu einer Tagsatzung in diesem Verfahren löste die Beklagte das Vollmachtsverhältnis mit der Klägerin auf, woraufhin die Klägerin die in diesem Verfahren strittigen Leistungen in zwei Honorarnoten abrechnete. Weder die Einbringung der Klage, noch die hiefür verauslagte Pauschalgebühr wurden bislang von der Klägerin gegenüber der Beklagten verrechnet.
[6] In dem genannten Verfahren wurden der gefasste Gesellschafterbeschluss, womit die Ausschüttung des Gewinnanteils abgelehnt wurde, für nichtig erklärt, die weiteren Klagebegehren – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0109584; insbesondere 6 Ob 169/16w) – abgewiesen und die Beklagte zum Kostenersatz in Höhe von 6.348,42 EUR verpflichtet.
[7] Die Klägerin begehrte die Zahlung von 9.456 EUR sA für die von ihr erbrachten Leistungen. Sie habe die in den Honorarnoten ./A und ./B verzeichneten Leistungen erbracht. Auf die ihr daraus zustehenden Nettobeträge von 15.145 EUR sowie 4.952,50 EUR habe die Klägerin jeweils einen Nachlass gegeben und nur 12.212 EUR sowie 4.800 EUR (inklusive näher bezeichneter Umsatzsteuer und Barauslagen) in Rechnung gestellt. Auf den Betrag von 12.212 EUR habe die Beklagte einen Betrag von 7.556 EUR gezahlt. Die Klägerin habe ihre Vertretungstätigkeit sachgemäß ausgeführt. Es mangle dem von der Beklagten behaupteten Schaden auch an der adäquaten Verursachung durch die Klägerin. Ab dem Zeitpunkt der Auflösung des Mandatsverhältnisses habe die Klägerin keinen Einfluss mehr auf den weiteren Prozessverlauf nehmen können. Ein schadensbegründender Beratungsfehler liege nicht vor.
[8] Die Beklagte bestritt. Das Klagebegehren sei unschlüssig, weil die Einzelleistungen nicht aufgeschlüsselt seien und sich aus dem Vorbringen nicht ergebe, wovon der begehrte Nachlass in Abzug zu bringen sei. Die Beklagte habe die Klägerin nicht mit Rechtsberatungsleistungen zu einer Testaments‑ und Pflichtteilsanfechtung beauftragt. Es sei keine Abrechnung nach Stundensätzen vereinbart worden. Zudem seien die verrechneten Leistungen nicht für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich und das verrechnete Honorar nicht angemessen, insbesondere sei die Zuziehung eines Rechtsanwaltsanwärters nicht erforderlich gewesen und Besprechungen zwischen Ausbildungsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter nicht von der Beklagten zu honorieren. Infolge der mangelhaften Ausübung des Mandats in der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Entlohnung ihrer Tätigkeit. Es sei– neben einem (stattgegebenen) Begehren auf Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses – ein Feststellungs- und ein Zahlungsbegehren erhoben worden, was nur auf einzelne Literaturstimmen gestützt werden habe können, während dazu keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere. Infolge Abweisung dieser Begehren habe die Beklagte (eigene und gegnerische) Prozesskosten von 15.112,07 EUR zu tragen gehabt. Der diesbezügliche Schadenersatzanspruch und der von der Beklagten zu Unrecht gezahlte Betrag würden compensando eingewendet.
[9] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 9.268,50 EUR zu Recht und die eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht bestünden. Dementsprechend gab es der Klage im Umfang von 9.268,50 EUR – unter (unbekämpfter) Abweisung des Mehrbegehrens von 187,50 EUR und eines Zinsenmehrbegehrens – statt. Das Klagebegehren sei schlüssig. Eine genauere Aufschlüsselung der Einzelleistungen in der Klage sei nicht erforderlich. Es liege auch keine Teileinklagung vor. Die Beklagte habe die Klägerin beauftragt und es sei eine Abrechnung nach Stundensatz vereinbart worden. Die Grenze des vereinbarten Honorars liege in der Sittenwidrigkeit oder der laesio enormis, zu deren Voraussetzungen die Klägerin kein entsprechendes Vorbringen erstattet habe. Das Beweisverfahren habe auch nicht ergeben, dass die erbrachten Leistungen nicht zur zweckentsprechenden Verfolgung ihrer Interessen notwendig gewesen wären, und die Beklagte habe sich auch diesbezüglich auf ein bloßes unsubstantiiertes Bestreiten ohne Anführung konkreter, nicht notwendig gewesener Positionen beschränkt. Dass die Erbringung anwaltlicher Leistungen durch einen Rechtsanwaltsanwärter aufgrund der noch fehlenden Berufserfahrung mitunter längere Zeit in Anspruch nehme, sei nachvollziehbar, dem werde jedoch durch die niedrigeren Stundensätze bereits grundsätzlich Rechnung getragen. Dass im Rahmen eines Mandates auch (entgeltliche) Leistungen durch einen Rechtsanwaltsanwärter erbracht würden, sei üblich und habe der Beklagten auch bewusst sein müssen. Darüber hinaus hätten die Leistungen aufgrund der hoch konflikthaften familiären Situation und des erforderlichen strategischen Vorgehens einen höheren Zeitaufwand benötigt. Da es sich bei der Beklagten ebenfalls um eine Rechtsanwältin handle, sei nur eine sehr eingeschränkte Aufklärung von der Klägerin zu erwarten gewesen. Der Hinweis der Klägerin, dass man sich „auf neue Wege“ begebe und dies noch nicht gerichtlich ausjudiziert sei, habe für die Beklagte ausreichend sein müssen, um das bestehende Prozessrisiko abschätzen zu können. Der Beklagten sei offenkundig sehr wohl bewusst gewesen, dass das begehrte Ziel rechtlich nicht erreicht werden könne.
[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten (auch) unter Hinweis auf § 500a ZPO nicht Folge. Es sah die Klage als schlüssig an. Selbst wenn man die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin am Telefon mit der Überprüfung des Testaments beauftragt habe, nicht als Tatsachenfeststellung, sondern als rechtliche Beurteilung ansehe, liege spätestens mit der Übermittlung des Testaments ein schlüssiges Einverständnis zu der am Telefon besprochenen Auftragserteilung vor. Mit der Behauptung, der Auftrag sei mangelhaft und nicht lege artis ausgeführt worden, gehe die Beklagte nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das von der Klägerin vorgeschlagene Prozedere sei im Hinblick auf den angestrebten Erfolg rechtlich vertretbar gewesen und die Beklagte sei ausreichend aufgeklärt worden.
[11] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision (nachträglich) zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Anwaltskanzlei ohne ausdrückliche diesbezügliche Vereinbarung für eine gleichzeitige Tätigkeit des Rechtsanwalts und des Rechtsanwaltsanwärters, insbesondere für interne Besprechungen, Zeit „doppelt“ verrechnen dürfe.
[12] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[13] Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Schlüssigkeit/Bestimmtheit des Klagebegehrens
[15] 1.1. Wenngleich grundsätzlich jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein muss (vgl RS0031014 [T29]), sieht es die ständige Rechtsprechung in Fällen, in denen sich ein Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammensetzt, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, als Überspannung des Gebots einer Präzisierung des Vorbringens an, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern (RS0037907). Nicht nur ein einheitlicher Anspruch (vgl dazu RS0037907 [T9]), sondern auch gleichartige Ansprüche können zu einem einheitlichen Begehren zusammengefasst werden, sodass etwa bei Geldleistungsansprüchen nur mehr die Gesamtsumme im Klagebegehren aufscheint (RS0037907 [T1, T22]). Setzt sich ein Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, kommt es (auch) auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung an. Gegebenenfalls reicht ein Verweis auf dazu vorgelegte Urkunden aus; die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann (wie etwa bei ausreichend aufgeschlüsselten Honorarnoten) nicht auch in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (vgl RS0037907 [T14]; RS0037420 [T4]; RS0036973 [T16]).
[16] Die Revisionsausführungen stellen die Zulässigkeit eines Verweises auf Urkunden generell in Abrede und übergehen dabei völlig die dargestellte (differenzierende) Rechtsprechung und die Argumentation des Berufungsgerichts, das den Verweis der Klägerin auf die den beiden Honorarnoten angeschlossenen – mehrseitigen – Aufstellungen über die zahlreichen Einzelleistungen als hinreichend schlüssig ansah. Insofern ist die Rechtsrüge der Beklagten nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T9]), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
[17] 1.2. Macht ein Kläger nur einen Teil einer Gesamtforderung geltend und können dabei einzelne Forderungspositionen unterschieden werden, hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschalen Begehren erfasst sein sollen (RS0031014 [T22, T25]). Die Aufteilung des Pauschalbetrags auf die einzelnen Teilpositionen darf nicht dem Gericht überlassen werden (RS0031014 [T16, T35, T40]). Eine alternative Klagenhäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht diese Wahl überlässt, ist unzulässig (RS0031014 [T19, T20]), weil es ohne Aufschlüsselung des Pauschalbetrags nicht möglich wäre, den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (RS0031014 [T31]).
[18] Die Vorinstanzen wiesen bereits darauf hin, dass hier eine solche Teileinklagung, die eine Aufteilung des begehrten Betrags auf einzelne Teilpositionen erfordert hätte, nicht vorliegt. Die Klägerin machte vielmehr die einzelnen Teilpositionen aus dem jeweiligen Auftragsverhältnis gleichrangig geltend und verzichtete nach dem Inhalt der Klage nicht auf die Abgeltung einzelner Leistungen, sondern auf einen Teil des jeweiligen Rechnungsbetrags („Nachlass“ bzw „Abschlag“). Da der Klage somit alle Einzelleistungen zugrunde lagen und sich der jeweils behauptete Verzicht auf die jeweilige Rechnungssumme als Ganzes bezog, überließ sie dem Gericht diesbezüglich keine Wahl und ist die Klage daher auch insofern schlüssig (zum vergleichbaren Fall einer Teilzahlung auf mehrere gleichrangig geltend gemachte Schuldposten siehe 8 Ob 34/19m).
2. Vereinbarung über Abrechnung nach Stundensätzen
[19] 2.1. Der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO liegt nur dann vor, wenn in ihm, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, aufgezeigt wird, dass dem Berufungsgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (RS0043312). Dabei genügt es nicht, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts mit bloßen „Leerformeln“ oder pauschal – daher der Sache nach begründungslos – zu bekämpfen (RS0043654 [T14]). Es fehlt vielmehr an einer gesetzmäßigen Ausführung dieses Revisionsgrundes, wenn sich der Revisionswerber mit den Argumenten des Berufungsgerichts gar nicht auseinandersetzt (RS0043603 [T9]).
[20] 2.2. Die Ausführungen der Beklagten in der Revision, es sei keine Vereinbarung über die Abrechnung nach Stundensätzen zustandegekommen, weil Feststellungen zum Einverständnis der Beklagten zu der von der Klägerin vorgegebenen Abrechnungsart fehlten, wiederholen im Wesentlichen (wortgleich) die diesbezüglichen Berufungsausführungen. Darauf ging das Berufungsgericht durch den Hinweis auf die getroffenen Feststellungen konkret ein und es leitete aus diesen das von der Beklagten in Abrede gestellte Einverständnis ab. Mit dieser Argumentation setzt sich die Klägerin in der Revision nicht auseinander, sodass sie insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
3. Höhe der vereinbarten Stundensätze
[21] 3.1. Den in der Revision wiederholten Berufungsausführungen, es seien nach den Feststellungen Stundensätze ohne Unterscheidung zwischen netto und brutto vereinbart worden, sodass vom Bruttopreis auszugehen sei, hielt das Berufungsgericht das Neuerungsverbot entgegen. Diese Beurteilung bedarf – wie die Beklagte in der Revision zutreffend aufzeigt – einer Korrektur.
[22] 3.2. § 482 Abs 2 ZPO verfügt ein Verbot des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweismittel zum Anspruch, also ein Neuerungsverbot in Ansehung des Stoffs für die Entscheidung der in erster Instanz gestellten Sachanträge (RS0041965). Eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei bzw die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunkts bei der rechtlichen Beurteilung ist allerdings auch im Rechtsmittelverfahren zulässig, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden und nicht eine ausdrückliche Vorschrift besteht, die das Erstgericht hindert, ohne diesbezügliche Einwendung der Partei auf diese Rechtsfrage einzugehen (RS0016473).
[23] 3.3. Die Beklagte bestritt in erster Instanz ausdrücklich das Zustandekommen einer Vereinbarung der Abrechnung nach Stundensätzen und brachte auch vor, dass die verrechneten Stundensätze überhöht seien. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Höhe der Stundensätze unstrittig war. Es wäre vielmehr an der Klägerin gelegen, (auch) die behauptete Höhe der vereinbarten Stundensätze unter Beweis zu stellen (RS0037797). Dementsprechend traf das Erstgericht auch Feststellungen dazu, sodass die Beklagte mit der in der Berufung enthaltenen Rechtsrüge, dass sich aus der festgestellten Vereinbarung ein niedrigeres als das geforderte Entgelt ergebe, nicht gegen das Neuerungsverbot verstieß.
[24] 3.4. Die (in der Revision wiederholte) Rechtsrüge der Beklagten zeigt in diesem Punkt auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanzen auf.
[25] Nach den – von der Klägerin schon in der Berufungsbeantwortung nicht gerügten und daher bindenden – Feststellungen des Erstgerichts, die auf der gleichlautenden Aussage des Geschäftsführers der Klägerin beruhen, bezifferte die Klägerin die Stundensätze (letztlich) mit „350 EUR“ (für Leistungen durch einen Partner) bzw „290 EUR“ (für Leistungen durch einen Rechtsanwaltsanwärter ohne Prüfung). Der vom Unternehmer geforderte Preis für seine Leistung enthält die Umsatzsteuer, sofern nichts ausdrücklich vereinbart wird, dass diese zum Preis hinzuzurechnen ist, oder ein abweichender Handelsbrauch besteht (RS0038198; RS0038212). Auch beim Anwaltshonorar ist ein vereinbarter Stundensatz im Zweifel der Bruttobetrag (RS0038212 [T6]).
[26] Eine ausdrückliche Vereinbarung eines Nettoentgelts konnte die Klägerin somit nicht nachweisen. Einen abweichenden Handelsbrauch hat sie nicht behauptet. Auf Basis dieser Feststellungen ist die Beklagte somit nicht verpflichtet, die von der Klägerin verrechnete Umsatzsteuer zusätzlich zum nach dem vereinbarten – die Umsatzsteuer bereits enthaltenden – Stundensatz berechneten Entgelt zu zahlen. Soweit die Klägerin in der Revisionsbeantwortung neuerlich eine vereinbarte Abrechnung nach Netto-Stundensätzen behauptet, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
4. Zeitaufwand für einzelne Leistungen
[27] 4.1. Nach § 16 Abs 1 RAO kann der Rechtsanwalt mit der Partei sein Honorar frei vereinbaren. Diese Bestimmung gewährleistet die Privatautonomie zwischen Klient und Rechtsanwalt (3 Ob 12/23w Rz 1 ua). Bei einem vereinbarten Zeithonorar bestimmt sich der Honoraranspruch einerseits nach dem vereinbarten Stundensatz und andererseits nach dem Zeitaufwand (8 Ob 92/14h ErwGr 3.2). Im Rahmen einer solchen Stundensatzvereinbarung ist in Bezug auf den Zeitaufwand eine Angemessenheitskontrolle zulässig (RS0038356 [T8]). Dies bedeutet zunächst nicht nur, dass nicht erbrachte Leistungen nicht zu honorieren sind, sondern auch, dass für unsachliche bzw unzweckmäßige Leistungen kein Honorar gebührt (8 Ob 92/14h ErwGr 3.2).
[28] 4.1.1. Das vereinbarte Honorar bestand hier in einem fixen Stundensatz, der nicht nach dem Inhalt oder der Intensität einer erbrachten Leistung (wohl aber nach Leistungen eines Partners und eines Rechtsanwaltsanwärters) unterschied. Die Klägerin war daher berechtigt, die gesamte mit der Tätigkeit zusammenhängende Zeit zu verrechnen, was auch Vorbereitungshandlungen, Aktenstudium und Reisezeiten inkludiert (Masser in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte4 [2024] Honorarrecht 151). Dass ein Zeitaufwand des Geschäftsführers für die verzeichnete Reise erforderlich sein würde, war der Beklagten, die darum ausdrücklich ersuchte, auch bekannt. Für die von der Beklagten gezogene Parallele zum Gebührenanspruchsgesetz, das zwischen einer Gebühr für Mühewaltung und einer (geringeren) Entschädigung für Zeitversäumnis unterscheidet, bietet die getroffene Vereinbarung keinen Anhaltspunkt.
[29] Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, dass sie sich im Vorhinein ausdrücklich zu den diesbezüglichen Kosten erkundigt, darauf aber keine Antwort erhalten habe, ändert dies nichts an der getroffenen Vereinbarung über die Honorierung (auch) der Reisetätigkeit. Davon zu unterscheiden wären allfällige Folgen einer Verletzung von Aufklärungspflichten, die nach der ständigen Rechtsprechung (regelmäßig nur) zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens berechtigt (RS0112203 [T7]). Unterlässt der Rechtsanwalt eine gebotene Aufklärung über seinen Honoraranspruch, bedeutet das nämlich nicht, dass seine Leistungen für den Mandanten unbrauchbar oder wertlos wären und ihm demgemäß das dafür verrechnete Honorar nicht gebührte. Dies könnte nur zum Ersatz der Vermögensdifferenz führen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre (10 Ob 51/24h Rz 11 ua). Ein solcher Schadenersatzanspruch ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens.
[30] 4.1.2. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten sind die Leistungen der Klägerin auch insofern abzugelten, als diese dafür einen Rechtsanwaltsanwärter heranzog (vgl Masser in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte4 [2024] Honorarrecht 151). Hier folgt dies auch aus der ausdrücklichen Vereinbarung eines besonderen (niedrigeren) Stundensatzes für durch Rechtsanwaltsanwärter ohne Prüfung erbrachte Leistungen, die andernfalls sinnlos wäre, sowie dem Umstand, dass sich die Beklagte gegen die ihr gegenüber offenkundige Hinzuziehung dieses Rechtsanwaltsanwärters gar nicht wehrte. Der von der Beklagten betonte Umstand, dass sie im Gesellschaftsrecht nicht bewandert sei und daher auf entsprechende Experten zurückgreifen habe wollen, widerspricht der (zusätzlichen) Hinzuziehung eines Rechtsanwaltsanwärters nicht, zumal nicht die gesamte von einem Rechtsanwalt in einer gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit zu erbringende Tätigkeit eine solche Expertise bedürfen muss.
[31] 4.1.3. Entgegen der Behauptung der Beklagten überging das Berufungsgericht den Einwand der mangelnden Angemessenheit und der mangelnden Erforderlichkeit des verzeichneten Zeitaufwands keineswegs, sondern erachtete es die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts – auch in dieser Frage – unter Hinweis auf § 500a ZPO für zutreffend. Auf die Beurteilung der Angemessenheit der von der Klägerin (auch unter Hinzuziehung eines Rechtsanwaltsanwärters) tatsächlich erbrachten Leistungen und des von ihr nachgewiesenen Zeitaufwands – auch jenen, den die Beklagten erstmals in der Berufung konkret als überhöht bezeichnete – durch die Vorinstanzen wegen der hoch konflikthaften familiären Situation und des erforderlichen strategischen Vorgehens geht die Beklagte überhaupt nicht ein. Die Rechtsrüge ist somit in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T9]). Mit ihrer Vermutung, der Zeitaufwand gehe auf mangelnde Ausbildung und Erfahrung des Rechtsanwaltsanwärters zurück, geht die Beklagte überdies nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass sich auch ein Eingehen darauf erübrigt.
[32] 4.1.4. Dem Einwand der Beklagten, für die Vor- und Ausarbeitung einer Anfechtungsklage stehe kein Entgelt zu, weil das darüber geführte Verfahren nach dem Inhalt des Klagevorbringens noch nicht abgerechnet sei, hielt bereits das Erstgericht den vereinbarten Stundensatz für den damit benötigten Zeitaufwand entgegen. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin für weitere Leistungen im Zusammenhang mit dem durch die Anfechtungsklage eingeleiteten Verfahren ein Entgelt beanspruchen wird oder kann, ist – wie die Beklagte selbst erkennt – nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
[33] 4.1.5. Die Beklagte wendet sich überdies gegen die Abgeltung des „doppelten“ Zeitaufwands von Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter in Form von Besprechungen (untereinander und mit der Beklagten), weil derartige „Doppelgleisigkeiten“ organisatorisch der Kanzlei der Klägerin geschuldet und ohne diesbezügliche Vereinbarung nicht vom Mandanten abzugelten seien.
[34] Aus der Vereinbarung einer Abrechnung nach Stundensatz und der Zulässigkeit der Hinzuziehung von Rechtsanwaltsanwärtern folgt allerdings, dass der Zeitaufwand für jede Person verrechnet werden kann, die für die Erbringung einer auftragsgemäßen Leistung eingesetzt wurde. Zu welcher Zeit diese Personen diese Leistungen jeweils erbringen und ob diese Personen diese Leistungen gleichzeitig erbringen, ist aber nicht entscheidend. Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle ist lediglich zu prüfen, ob es sich um sachlich begründete und zweckmäßige Leistungen handelt.
[35] Besprechungen zwischen Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter können grundsätzlich im Rahmen der dafür im Einzelfall erforderlichen Dauer zweckmäßig sein. Dies betrifft insbesondere Besprechungen (untereinander oder auch mit dem Mandanten) zur Angleichung des Informationsstands der eingesetzten Personen oder zur Abklärung der weiteren Vorgehensweise, gerade weil dies Doppelgleisigkeiten und damit unnötige Kosten für den Mandanten vermeidet. Gemeinsame Besprechungen können überdies der Erweiterung oder Abwägung von rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten dienen und somit zur Verbesserung des Arbeitsergebnisses zweckmäßig sein.
[36] Nach dem festgestellten Sachverhalt und der Beurteilung der Vorinstanzen handelte es sich bei den verzeichneten Besprechungen um derartige zweckmäßige Leistungen von Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter für die Beklagte. Soweit die Beklagte mit der Behauptung, diese Besprechungen seien „organisatorisch der Kanzlei der Klägerin geschuldet“, meint, es handle sich um Leistungen, die aufgrund rein kanzleiinterner Gründe (wie etwa im Fall rein kanzleiinterner Mitteilungen) – also ohne unmittelbarem Bezug zum vorliegenden Auftragsverhältnis – erbracht worden seien, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
[37] 4.1.6. Bei der Behauptung, dass bei der Abrechnung der Leistungen der Klägerin zur Testaments- und Pflichtteilsanfechtung ausschließlich die Kontaktaufnahme mit den Privatgutachtern abgeltungsbedürftig und für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, handelt es sich um eine bloße Rechtsfolgenbehauptung, die nicht aufzeigt, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen zum vereinbarten Vertragsverhältnis und zur Angemessenheit der entsprechenden Leistungen unrichtig sein soll, sodass auch darauf nicht weiter einzugehen ist (RS0043603).
[38] 4.2. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanzen im Zusammenhang mit der Angemessenheitskontrolle des verzeichneten Zeitaufwands zeigt die Revision somit insgesamt nicht auf.
5. Einwand der mangelhaften Auftragserfüllung und einer Gegenforderung
[39] 5.1. Die Beklagte hielt der Klageforderung entgegen, dass die Klägerin die Beklagte im Zusammenhang mit der Erhebung der Anfechtungsklage (durch Erhebung zusätzlicher, letztlich abgewiesener Begehren) mangelhaft vertreten habe. Als Gegenforderung wandte sie überdies die ihr dadurch verursachte Kostenbelastung ein. Die Vorinstanzen gingen demgegenüber übereinstimmend davon aus, dass der vorgeschlagene Weg rechtlich vertretbar gewesen sei, über das Risiko ausreichend aufgeklärt worden sei und es an einer adäquaten Verursachung der Kosten durch die Klägerin mangle.
[40] Diese Beurteilung bedarf einer Korrektur.
[41] 5.2. Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn‑, Aufklärungs‑ und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung (RS0112203). Der Anwalt ist aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags zur sachgemäßen Vertretung seines Klienten verpflichtet (RS0038695 [T3]). Zu den wichtigsten Aufgaben gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten (RS0038682). Eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts besteht auch in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstandpunkts (RS0112203 [T3]). Der Rechtsanwalt hat seinem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen und ihn vor Nachteilen zu bewahren. Dieser Schutzzweck gebietet insbesondere die Aufklärung des Mandanten, wenn eine Prozessführung aussichtslos erscheint (RS0112203 [T9, T12]).
[42] 5.2.1. Eine Anfechtungsklage kann nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit dem Begehren auf Feststellung des tatsächlich zustandegekommenen Beschlusses verbunden werden („positive Beschlussfeststellungsklage“), wenn das Beschlussergebnis unzutreffend festgestellt wurde (RS0109584). Geht es aber nicht um die Frage, welcher Beschluss zustandegekommen ist, sondern darum, ob ein Beschluss einer inhaltlichen Prüfung standhält, bedeutet selbst eine erfolgreiche Anfechtungsklage nicht, dass damit automatisch ein gegenteiliger Beschluss gefasst worden wäre. Das Gericht kann daher nicht einfach den angefochtenen Beschluss durch einen anderen vom Kläger gewünschten ersetzen. Konsequenz einer erfolgreichen Anfechtung ist nur, dass die Hauptversammlung erneut über den Beschlussgegenstand zu beschließen hat (6 Ob 169/16w ErwGr 4.9.). Diese zuletzt zitierte Entscheidung betraf zwar das Aktienrecht, ein maßgeblicher Unterschied zum hier relevanten GmbHG ist aber nicht zu erkennen.
[43] 5.2.2. Diese Rechtsprechung bestand im hier zu beurteilenden Fall bereits mehrere Jahre und wäre der Erhebung der hier relevanten zusätzlichen Begehren entgegengestanden. Die geringen Erfolgsaussichten dieser Begehren hätten der Beklagten – sofern sie darüber nicht bereits in Kenntnis war – daher zur Kenntnis gebracht werden müssen, zumal das Beschlussergebnis (auch nach dem Inhalt der eingebrachten Klage) nicht unzutreffend festgestellt worden war. Nach der festgestellten Korrespondenz wurde die Beklagte auf die infolge der vorhandenen Rechtsprechung sehr geringen Erfolgsaussichten dieser Begehren aber nicht hingewiesen. Der festgestellte Hinweis der für die Klägerin handelnden Personen, dass man mit der Klage einen „neuen Weg“ einschlage und diese Frage von der Judikatur bislang nicht abschließend geklärt sei, betraf nur das Eventualbegehren und wäre angesichts der vorhandenen Rechtsprechung nicht hinreichend, der Beklagten eine Einschätzung der Erfolgsaussichten zu ermöglichen. Eine (ausreichende) Aufklärung über diese geringen Erfolgsaussichten der zusätzlich erhobenen Begehren lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
[44] Dabei mag es sein, dass von der Beklagten als Rechtsanwältin die Kenntnis des mit der Erhebung einer Klage jedenfalls verbundenen Prozessrisikos erwartet werden kann. Um dieses allgemeine Prozessrisiko ging es hier jedoch nicht, sondern um die spezifisch gesellschaftsrechtliche Frage, ob in der vorliegenden Konstellation die Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG mit einer positiven Beschlussfeststellung verbunden werden kann.
[45] Die von den Vorinstanzen thematisierte Gefahr einer „Endlosschleife“, weil die Gesellschafter die Gewinnausschüttung auch im Fall der Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses neuerlich ablehnen hätten können, war der Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt wohl bekannt. Inwiefern die Erhebung der hier strittigen Begehren mit geringen Erfolgsaussichten etwas an dieser Gefahr und an der diesbezüglichen Aufklärungspflicht der Klägerin ändern können sollte, ist aber nicht ersichtlich.
[46] 5.2. Die Frage, ob der Klägerin eine Verletzung einer Aufklärungspflicht anzulasten ist und die mit der Erhebung der weiteren Begehren im Zusammenhang stehenden Leistungen einen Honoraranspruch rechtfertigen, kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Klägerin hielt dem Vorbringen der Beklagten vielmehr entgegen, dass dieser das Risiko bekannt gewesen sei. Sollte die Beklagte über die mangelnden Erfolgsaussichten tatsächlich bereits in Kenntnis gewesen sein, wäre eine besondere Aufklärung durch die Klägerin freilich nicht erforderlich gewesen.
[47] Feststellungen zu dieser Behauptung wurden allerdings nicht getroffen, sodass das Bestehen der Klageforderung (soweit darin Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Erhebung dieser Begehren enthalten sind) und des compensando eingewandten Schadenersatzanspruchs noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Es steht lediglich fest, dass die Beklagte bei Beauftragung angab, im Gesellschaftsrecht nicht so bewandert zu sein, was aber keinen Rückschluss auf eine tatsächliche Kenntnis konkret zu den Erfolgsaussichten der hier relevanten Begehren zulässt. Soweit die Vorinstanzen aufgrund des Weiterverfolgens der Begehren nach dem Vollmachtwechsel den Schluss ziehen, der Beklagten sei bewusst gewesen, dass mit einer bloßen Klage auf Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses das begehrte Ziel der raschen Gewinnausschüttung rechtlich nicht erreicht werden könne, ist daraus nicht abzuleiten, dass ihr auch die geringen Erfolgsaussichten des Feststellungs- und des Leistungsbegehrens und das damit verbundene besondere Kostenrisiko bewusst waren.
[48] 5.3. Auch zur Beurteilung der – von den Vorinstanzen verneinten – Frage, ob das Verhalten der Klägerin die geltend gemachten Kosten adäquat verursachte, reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus.
[49] Wenn ein Rechtsanwalt eine pflichtwidrige Unterlassung zu verantworten hat, hängt seine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Mandanten von der Kausalität dieses Fehlverhaltens für den Eintritt des behaupteten Schadens ab. Den Geschädigten trifft die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (RS0022700; RS0022900 [T8, T10]). So muss, liegt der Schaden wie hier in den Kosten eines verlorenen Prozesses, vom Geschädigten behauptet werden, er hätte den Prozess nicht geführt, hätte der Rechtsanwalt ihn gehörig aufgeklärt (RS0022700 [T23]).
[50] Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich zwar die Behauptung entnehmen, dass die weiteren Begehren bei entsprechendem Verhalten der Klägerin nicht erhoben worden wären, sie den Prozess über das Begehren auf Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses daher zur Gänze gewonnen hätte und sie weder ihre eigenen Kosten zur Gänze tragen hätte müssen, noch zum Ersatz von Prozesskosten verpflichtet worden wäre. Feststellungen dazu, inwiefern die Beklagte der Erhebung der Klage bei Aufklärung über die geringen Erfolgsaussichten der hier relevanten Begehren zugestimmt hätte und wie der Prozess in diesem Fall (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) hypothetisch, insbesondere hinsichtlich der von der Beklagten getragenen Kosten geendet hätte (RS0022706), liegen jedoch nicht vor.
6. Erhaltene Zahlung
[51] 6.1. Unstrittig ist, dass die Beklagte auf das Honorar bereits 7.556 EUR leistete. Diesen Betrag brachte die Klägerin bereits von der für den Auftrag in der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit gelegten Honorarnote in Abzug. Die von der Klägerin damit behauptete Leistung (nicht auf bestimmte Posten, sondern) auf die gesamte Rechnungssumme wurde von der Beklagten in erster Instanz auch nicht bestritten.
[52] Bei einer Geschäftsverbindung gilt der Grundsatz, dass alle Posten insofern ein Ganzes bilden, als die einzelnen Teilzahlungen nicht auf bestimmte Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden (RS0033451). Die Berücksichtigung der Zahlung durch Abzug vom Gesamtbetrag der diesen Auftrag betreffenden Honorarnote durch die Vorinstanzen ist somit nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten behauptete Unklarheit über die Berücksichtigung ihrer Teilzahlung ist nicht nachvollziehbar.
[53] 6.2. Die Behauptung der Beklagten, wonach „die eingewandte Gegenforderung im Betrag dieser erfolgten Zahlung als berechtigt erkannt werden müssen“, legt sie die Gründe dafür in der Revision nicht offen, sodass auch darauf nicht weiter einzugehen ist (RS0043312).
7. Ergebnis
[54] 7.1. Daraus ergibt sich, dass die Klageforderung und die compensando eingewendete Schadenersatzforderung noch nicht spruchreif sind, weil Feststellungen zur Behauptung der Klägerin fehlen, dass der Beklagten die geringen Erfolgsaussichten der hier relevanten zusätzlichen Begehren (unabhängig von der nicht erfolgten Aufklärung darüber) bekannt waren (ErwGr 5.2.). Waren sie ihr bekannt, wäre der darauf entfallende Zeitaufwand abzugelten und bestünde auch der compensando eingewandte Schadenersatzanspruch nicht. Sollte die Beklagte die geringen Erfolgsaussichten hingegen nicht gekannt haben, bedürfte es der weiteren Feststellung dazu, ob die Klägerin die Beklagte über das aus der Entscheidung 6 Ob 169/16w resultierende Prozessrisiko aufgeklärt hat oder nicht. Bei unterlassener Aufklärung wäre der Klägerin eine Aufklärungspflichtverletzung anzulasten (ErwGr 5.1. [abschließend erledigter Streitpunkt]). Diesfalls wären die von der Klägerin verrechneten Leistungen, soweit sie der Erhebung dieser Begehren dienten (was ebenfalls festzustellen wäre), wegen ihrer Wertlosigkeit für die Klägerin nicht abzugelten und wären zur Beurteilung des eingewandten Schadenersatzanspruchs darüber hinaus noch Feststellungen zum hypothetischen Prozessausgang (hinsichtlich der von der Beklagten getragenen Kosten) zu treffen (ErwGr 5.3.).
[55] Bei der Beurteilung der Klageforderung ist jedenfalls (im Sinn abschließend erledigter Streitpunkte) zu berücksichtigen, dass das Klagebegehren schlüssig ist (ErwGr 1. ff), eine Vereinbarung der Abgeltung der Leistungen der Klägerin nach Stundensätzen zustande kam (ErwGr 2. ff), für einen abzugeltenden Zeitaufwand nur der vereinbarte Stundensatz ohne zusätzlich zu berechnender Umsatzsteuer zuzusprechen ist (ErwGr 3. ff) und der festgestellte Zeitaufwand (gegebenenfalls mit der genannten Ausnahme hinsichtlich der Erhebung der zusätzlichen Begehren) als angemessen anzusehen ist (ErwGr 4. ff). Von den sich daraus ergebenden Beträgen sind sodann jene Beträge abzuziehen, auf die die Klägerin bereits in der Klage verzichtete (vgl ErwGr 1.2.) sowie jener, der von der Beklagten bereits geleistet wurde (vgl ErwGr 6.). Schließlich ist die Rechtskraft der vom Erstgericht abgewiesenen Teile des Klagebegehrens zu berücksichtigen.
[56] Infolge der genannten sekundären Feststellungsmängel ist die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen unvermeidlich. Das Erstgericht wird die fehlenden Feststellungen im fortgesetzten Verfahren nach allfälliger Verfahrensergänzung zu treffen haben.
[57] 7.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)