OGH 6Ob104/25z

OGH6Ob104/25z3.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. M*, geboren * 2018, 2. E*, geboren * 2020, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters R*, vertreten durch Mag. Dr. Brigitta Braunsberger‑Lechner und Mag. Thomas Loos, Rechtsanwälte in Steyr, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 29. April 2025, GZ 2 R 12/25b‑322, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 10. Dezember 2024, GZ 3 Ps 63/24a‑290, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00104.25Z.0703.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos aufgehoben und der Rekurs des Vaters zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die beiden Kinder entstammen der beendeten Lebensgemeinschaft von C* und R*. Die Obsorge kommt der Mutter alleine zu.

[2] Mit Schriftsatz vom 16. 10. 2024 beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge über die Kinder mit sofortiger Wirkung vorläufig zu entziehen und diese ihm, hilfsweise dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger zu übertragen. Er begründete dies mit der Weigerung der Mutter, an dem in Aussicht genommenen familienpsychologischen Gutachten mitzuwirken, und einer Kindeswohlgefährdung durch das Unterbinden von Kontakten zum Vater.

[3] Die Mutter sprach sich gegen den Antrag aus.

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. 12. 2024 wies das Erstgericht diesen Antrag des Vaters, der Mutter die Obsorge über die beiden Kinder mit sofortiger Wirkung vorläufig zu entziehen und diese auf ihn, hilfsweise auf den Kinder‑ und Jugendhilfeträger zu übertragen, ab. Zu diesem Zeitpunkt lag das vom Erstgericht mit Beschluss vom 5. 6. 2024 beauftragte familienpsychologische Sachverständigengutachten noch nicht vor.

[5] Das – ohne Vorstellung der Kinder bei der Sachverständigen erstellte – Gutachten langte am 2. 2. 2025 beim Erstgericht ein. Am 20. 3. 2025 fand in Anwesenheit beider Eltern und deren Vertretern eine mündliche Verhandlung statt, in der das Gutachten mit der Sachverständigen erörtert wurde.

[6] Mit Beschluss vom 26. 3. 2025, den Vertretern der Eltern zugestellt am 2. 4. 2025, sprach das Erstgericht aus, die alleinige Obsorge der Mutter bleibe vorläufig unverändert aufrecht (Punkt 1.), erteilte den Eltern konkrete Aufträge (Punkte 2. bis 4.) und wies den Antrag des Vaters auf Durchsetzung seines Kontaktrechts ab (Punkt 5.). Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

[7] Mit Beschluss vom 29. 4. 2025 bestätigte das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts vom 10. 12. 2024 und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Dagegen richtet sich der von der Mutter beantwortete außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters.

[9] Aus Anlass des Revisionsrekurses des Vaters sind der Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos zu beheben und der gegen den Beschluss des Erstgerichts erhobene Rekurs zurückzuweisen.

[10] 1.1. Auch für Rechtsmittel im Außerstreitverfahren gilt die Voraussetzung des Rechtsschutzinteresses (Beschwer; RS0006598 [T1]). Beschwer muss zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung darüber noch fortbestehen (RS0006598 [T3]). Fehlt das Rechtsschutzinteresse (Beschwer), so ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0006880 [T26]; vgl RS0006598 [T17]). Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RS0115201 [T4, T6]; RS0043969 [T8]). Zur Wahrnehmung der Nichtigkeit genügt ein zulässiges Rechtsmittel, worunter ein nicht jedenfalls unzulässiges Rechtsmittel zu verstehen ist (RS0041942 [T20]). Auf die Geltendmachung einer im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage kommt es nicht an (1 Ob 116/18t = RS0041942 [T21]). Als Folge ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RS0043969 [T8]). Dieser Grundsatz gilt auch im Außerstreitverfahren (RS0043969 [T6]; RS0042059 [T8]; 2 Ob 136/24z [Rz 6]).

[11] 1.2. Die Beschwer fehlt einem Rechtsmittel auch dann, wenn die bekämpfte Entscheidung durch eine nachfolgend getroffene Entscheidung oder Vereinbarung überholt ist (vgl 8 Ob 655/89: Revisionsrekurs gegen eine aufgrund Neuregelung des Kontaktrechts nicht mehr wirksame Kontaktrechtsregelung).

[12] 2. Im vorliegenden Verfahren erwuchs der Beschluss vom 26. 3. 2025, mit dem das vorläufige Weiterbestehen der Alleinobsorge der Mutter ausgesprochen wurde, mit Ablauf der Rechtsmittelfrist, sohin mit Ablauf des 16. 4. 2025, in Rechtskraft. An der Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 10. 12. 2024 fehlte dem Vater daher im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts (am 29. 4. 2025) die Beschwer, zumal der Beschluss des Rekursgerichts nur solche nach Beschlussfassung eingetretenen aktenkundigen Entwicklungen berücksichtigt, die bereits Entscheidungsgrundlage des in Rechtskraft erwachsenen Beschlusses vom 26. 3. 2025 waren.

[13] Das Rekursgericht hat daher über einen wegen Wegfalls der Beschwer unzulässigen Rekurs meritorisch entschieden. Bereits das Rekursgericht hätte daher den Rekurs gemäß § 54 Abs 1 Z 1 AußStrG zurückweisen müssen. Aus Anlass des vom Vater erhobenen nicht absolut unzulässigen Rechtsmittels sind der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos zu beheben und der zum Entscheidungszeitpunkt des Rekursgerichts unzulässige Rekurs zurückzuweisen.

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