European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00094.25D.0703.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.127,40 EUR (darin enthalten 187,90 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren auf Zahlung des noch offenen Kaufpreises für Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Kläger verkaufte (als „Altgesellschafter“) seinen Geschäftsanteil an zwei Neugesellschafter um insgesamt 50.000 EUR. Über die Abtretung wurde ein Notariatsakt errichtet (der jeweils den Geschäftsanteil bezogen auf den jeweiligen Neugesellschafter und den jeweiligen Kaufpreis auswies) und abseits des Notariatsakts in einer gesonderten Urkunde die Zahlung des (Gesamt-)Kaufpreises für alle abgetretenen Gesellschaftsanteile zur ungeteilten Hand durch die Neugesellschafter an den Altgesellschafter vereinbart.
[2] Die Beklagte ist einer der beiden Neugesellschafter. Vom Gesamtkaufpreis wurden bisher 13.000 EUR von keinem der beiden Neugesellschafter bezahlt.
[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Zahlung.
Rechtliche Beurteilung
[4] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
[5] 1. Lässt sich ein vom Obersten Gerichtshof noch nicht ausdrücklich behandelter Fall mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung lösen, liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor (vgl RS0042656 [T48]; RS0042742 [T13]; RS0107773 [T3]).
[6] 2. Nach § 76 GmbHG bedarf es für die „Übertragung von Geschäftsanteilen“ und die Vereinbarung über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils (Abs 2 leg cit), nicht aber für die vertragsgemäße Verpfändung eines Geschäftsanteils eines Notariatsakts.
[7] 2.1. Zum Zweck der Formpflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG liegt bereits ausreichend Rechtsprechung vor. Die Bestimmung dient der Immobilisierung in der Form, dass Geschäftsanteile nicht zum Gegenstand des Handelsverkehrs gemacht werden sollen (RS0060244), und außerdem der Beweissicherung (RS0060244; RS0060234 [„möglichst weitgehende Evidenzhaltung der Gesellschafter“]). Dahinter steckt das Bedürfnis nach Klarheit darüber, wem der Geschäftsanteil wirtschaftlich zugeordnet ist, also der Sicherstellung der Identität des jeweiligen Gesellschafters (vgl RS0060244 [T2, T3]). Weiters dient sie aber auch dem Schutz der Parteien beim Erwerb einer Beteiligung vor Übereilung (RS0060244 [T3]). Dabei geht es darum, den Interessenten zur reiflichen Überlegung zu nötigen (RS0060234) und dem Bewerber um den Geschäftsanteil die Risken, die mit einem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einhergehen, bewusst zu machen. Er soll sich mit dem Kaufobjekt als solchem, also einem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und den damit üblicherweise verbundenen Gefahren auseinandersetzen (vgl RS0060244 [T5]).
[8] 2.2. Zu den Risken, vor denen der Erwerber durch die Förmlichkeit des Notariatsakts und die damit einhergehende Belehrungspflicht des Notars geschützt bzw aufgeklärt werden soll, gehört aber nicht der Kaufpreis (vgl 5 Ob 41/01t). Die Beurteilung der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit ist nicht Aufgabe des Notars (vgl 7 Ob 173/23a [Rz 42]). Vereinbarungen, die bloß in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Anteilsübertragung stehen, sind von der Formpflicht nicht umfasst (2 Ob 158/53 SZ 26/143; 4 Ob 532/89; 6 Ob 186/20a [Rz 29]).
[9] Der Oberste Gerichtshof hat zudem bereits ausgesprochen, dass sich der Formzwang nicht auch auf die Gegenleistung erstreckt (6 Ob 186/20a [Rz 28]; vgl zur hL die zahllosen Nachweise bei Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 76 Rz 208 [Stand 1. 3. 2024, rdb.at]). Er hat (anlässlich der Beurteilung einer Anweisung) ausdrücklich klargestellt, dass, wenn „nicht einmal die Preisvereinbarung selbst von der Formpflicht [des Notariatsakts] erfasst“ ist (6 Ob 186/20a [Rz 30]), dies umso weniger für eine Anweisung als Nebenabrede zu gelten habe.
[10] 3. Warum anderes für die Vereinbarung einer Solidarhaftung zweier Neugesellschafter für den „Gesamtkaufpreis“ der in Hinkunft von diesen beiden gehaltenen Gesellschaftsanteile gelten und diese der Formpflicht der Errichtung eines Notariatsakts unterliegen sollte, kann die Revision argumentativ auch nicht aufzeigen, wenn sie sich auf den „Erwerberschutz“ beruft. Dieser bezieht sich – wie bereits ausgeführt – eben auf die mit dem besonderen Kaufobjekt verbundene Gesellschafterstellung (und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten), nicht aber auf wirtschaftliche Überlegungen zur Höhe des Preises des Kaufobjekts, wie sie für jeden Käufer bei Abschluss (auch) eines (anderen) Kaufs verbunden sind, oder darauf, ob für die eigene Kaufpreisschuld ein anderer mithaftet und/oder seinerseits für die Kaufpreisschuld eines anderen mitgehaftet werden soll.
[11] 4. Gänzlich unverständlich bleibt die Revision zum angeblichen Fehlen von „Feststellungen“ zur Frage, ob die Handlungspflicht des faktischen Geschäftsführers auch zum Abschluss eines Notariatsakts bzw notariatsaktspflichtiger Geschäfte „ausreichend war“, räumt sie doch gleichzeitig ein, dass der Notariatsakt im hier zu beurteilenden Fall „am Ende des Tages dann doch“ von der handelsrechtlichen Geschäftsführerin der Beklagten unterschrieben wurde. (Hypothetische) Fragestellung für den Fall, dass dies nicht geschehen wäre, sind ohne Belang.
[12] Die Ausführungen zu den Vorschriften über die die Haftung der Gesellschafter im Rahmen von Kapitalaufbringung und Einlagenrückgewähr verkennen (erneut) das Fehlen einer Schutzrichtung des Formzwangs im Hinblick auf die Zahlung des Kaufpreises oder einen Schuldbeitritt dazu.
[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt.
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