OGH 6Ob53/25z

OGH6Ob53/25z3.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei K* G*, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei J* S*, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Dezember 2024, GZ 2 R 119/24z‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 15. Juli 2024, GZ 5 C 586/24z‑4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00053.25Z.0703.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit  1.316,40 EUR (darin enthalten 219,40 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien sind die Eltern einer zweijährigen Tochter, die im Haushalt der Klägerin und gefährdeten Partei (in der Folge: Klägerin) lebt. Sie vereinbarten die gemeinsame Obsorge und trafen eine Kontaktrechtsregelung. Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagter) schrieb der Klägerin im Zuge der Koordination der Ausübung seines Kontaktrechts eine WhatsApp‑Nachricht, in der er unter anderem mitteilte, jedes Telefonat mit der Klägerin aufzunehmen; falls diese meine, er könne ihr nichts nachweisen, werde sich dann zeigen, ob er tatsächlich das Kontaktrecht nicht ausüben habe wollen. Ob der Beklagte Tonaufnahmen von Telefonaten mit der Klägerin machte, ist nicht bescheinigt.

[2] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, Telefongespräche, die er mit der Klägerin führt, aufzuzeichnen. Zur Sicherung dieses Anspruchs beantragte die Klägerin die Erlassung einer gleichlautenden einstweiligen Verfügung.

[3] Der Beklagte beantragte die Abweisung von Sicherungsantrag und Klage.

[4] DieVorinstanzen wiesen den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs über Antrag der Klägerin nachträglich mit der erkennbaren Begründung zu, es sei nicht auszuschließen, dass im Zusammenhang mit der offengelegten Aufzeichnung von Telefongesprächen kein strenger Maßstab bei der Beurteilung des unwiederbringlichen Schadens iSd § 381 Abs 2 EO anzulegen sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden, Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs der Klägerin nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch im Revisionsrekurs wird eine erhebliche, im vorliegenden Fall auch präjudizielle Rechtsfrage iSd §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

[6] 1. Analog zum Recht am eigenen Bild ist in der Judikatur auch das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das ebenfalls aus § 16 ABGB abgeleitet wird (RS0031784 [T2]). Schutzgegenstand des Rechts am eigenen Wort sind die Privatheit der Person und ihrer nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Äußerungen (6 Ob 236/19b [ErwGr 1.3.]; vgl RS0009003 [T10, T11]). Es wurde bereits ausgesprochen, dass schon die Tonbandaufnahme einer Besprechung ohne Zustimmung des Gesprächspartners grundsätzlich rechtswidrig ist (6 Ob 236/19b [ErwGr 1.2.]; 6 Ob 82/18d [ErwGr 4.1.]; vgl RS0031784 [T1]) und selbiges auch für die Aufnahme von Telefongesprächen gilt (6 Ob 82/18d [ErwGr 4.1.]; RS0031784 [T3]).

[7] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer (behaupteten) Verletzung des Rechts auf Achtung der Privatsphäre das Rechtswidrigkeitsurteil nur aufgrund umfassender Interessenabwägung zu finden (6 Ob 206/19s [ErwGr 1.1.]; vgl RS0022917). Die gebotene Interessenabwägung hat sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren (RS0125721). In der Rechtsprechung wurde das dem Betroffenen offengelegte Anfertigen von Bild- oder Tonaufnahmen zur Erlangung von Beweismitteln für ein behördliches Verfahren wiederholt für zulässig erachtet (6 Ob 206/19s; 6 Ob 6/19d).

[8] Der Frage, ob schutzwürdige Interessen des Verletzten beeinträchtigt werden und zu wessen Gunsten die vorzunehmende Interessenabwägung ausschlägt, kommt in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RS0008990 [T6]).

[9] 3.1. Nach dem Vorbringen des Beklagten sollten die Aufzeichnungen der Telefonate zu Beweiszwecken im Pflegschaftsverfahren zur Einhaltung seines Kontaktrechts erfolgen, was sich auch aus der festgestellten Korrespondenz ergibt. Überdies brachte auch die Klägerin vor, die Äußerung des Beklagten sei vor dem Hintergrund der Kontaktrechtsausübung zur Gewinnung diesbezüglicher Beweismittel erfolgt.

[10] 3.2. Bereits das Erstgericht war im Ergebnis der Ansicht, das berechtigte Interesse des Beklagten an der Erlangung von Beweismitteln für das anhängige Kontaktrechtsverfahren sei höher zu bewerten als jenes der Klägerin, bei künftigen Telefonaten mit dem Beklagten nicht aufgenommen zu werden. Die Klägerin wickle ohnehin den Großteil der Kommunikation mit dem Beklagten über WhatsApp ab und könne sich auf ein künftiges Aufnehmen der Telefongespräche entsprechend einstellen, etwa indem sie von solchen überhaupt Abstand nehme. Die Gefahr eines rechtswidrigen Eingriffs in die Privatsphäre der Klägerin bestehe daher nicht. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze und des den Gerichten notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[11] 4. Einen Korrekturbedarf im Einzelfall, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf:

[12] 4.1. Von einer „Telefonüberwachung auf Schritt und Tritt“ kann ebenso wenig gesprochen werden wie von einer (angedrohten) bloß prophylaktischen Aufzeichnung ohne konkreten Anlass. Es trifft auch nicht zu, dass bei die Tochter betreffenden Telefonaten zwischen den Streitteilen „zwangsläufig“ auch der Gesundheitszustand der Klägerin besprochen werden müsste. Dass der Beklagte auf schonendere Weise hätte vorgehen können (vgl RS0120423), hat die Klägerin nicht behauptet und liegt solches auch nicht auf der Hand. Eine Aufnahme, die erst nach einer etwaigen Absage eines Kontakttermins durch die Klägerin beginnt, könnte den Dokumentationszweck nicht erfüllen (vgl 6 Ob 6/19d [ErwGr 1.4.2.]). Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass in einem Gerichtsverfahren oftmals der Beweis misslingt, wenn bloß „Aussage gegen Aussage“ steht (6 Ob 206/19s [ErwGr 1.3.]).

[13] 4.2. Allfällige Ansprüche der gemeinsamen Tochter macht die nur im eigenen Namen auftretende Klägerin nicht geltend. Soweit sich die Klägerin darauf stützt, das Verhalten des Beklagten beeinträchtige die Ausübung der gemeinsamen Obsorge, steht es ihr frei, das dafür zuständige Pflegschaftsgericht anzurufen und die ihrer Meinung nach im Interesse des Kindeswohls gebotenen Verfügungen zu beantragen (vgl RS0127247).

[14] 4.3. Die – im Verfahren bisher nicht angesprochene – Frage, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen ein bloßer Unterlassunganspruch ohne Begehren auf Datenlöschung auf eine Verletzung der DSGVO gestützt werden kann (vgl dazu das beim EuGH zu C‑655/23 , IP gegen Quirin Privatbank AG, anhängige Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [VI ZR 97/22]; vgl auch OGH 27. 8. 2024, 6 Ob 159/23k), kann hier dahinstehen. Denn auch die im Revisionsrekurs rudimentär angesprochene Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO hinge von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0044088 [T58]). Mit seinem bloßen Hinweis auf eine „allgemeine prophylaktische Speicherung“ der Aufnahmen, von der – wie bereits dargelegt – hier nicht gesprochen werden kann, zeigt der Revisionsrekurs ein fehlendes berechtigtes Interesse des Beklagten nicht auf.

[15] 5. Ob gegenständlich eine Gefahrenbescheinigung iSd § 381 Abs 2 EO durch die Klägerin erforderlich war und ob sie diese ausreichend erbracht hat, ist demnach nicht mehr relevant. Daher ist auch auf die Ausführungen im Revisionsrekurs zum Vorliegen einer unzulässigen „Verfolgung nach § 382d EO“, bei der es keiner Gefahrenbescheinigung bedürfe, nicht einzugehen.

[16] 6. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet auf § 393 Abs 1 und §§ 402, 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte