OGH 6Ob3/25x

OGH6Ob3/25x3.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Mag. Böhm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* AG, FN *, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Felfernig Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 264.977,41 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2024, GZ 12 R 12/24h‑55, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00003.25X.0703.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin (bzw ihre Rechtsvorgängerin) schloss als Kreditgeberin mit dem Beklagten als Kreditnehmer in den Jahren 2005 und 2007 zwei Kreditverträge ab. Wegen Zahlungsverzugs kündigte sie am 20. 4. 2020 die gesamte Geschäftsverbindung mit dem Beklagten auf, teilte ihm die aushaftenden Salden zu beiden Krediten mit und stellte diese zur sofortigen Bezahlung fällig.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem (zuletzt) auf Zahlung der zum 30. 9. 2023 zu beiden Krediten aushaftenden Salden gerichteten Klagebegehren teilweise statt und sprachen der Klägerin 264.977,41 EUR samt (näher aufgeschlüsselter) vierteljährlich kontokorrentmäßig zu berechnender Zinsen und Überziehungszinsen zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Beklagten ist nicht zulässig:

[4] 1. Die Vorinstanzen gingen zusammengefasst davon aus, dass der Beklagte im Rahmen eines mit der Klägerin vereinbarten Kontokorrents (§ 355 Abs 1 UGB) die Salden zum 20. 4. 2020 anerkannt habe. Durch das Anerkenntnis des Saldos (Feststellung des Rechnungsabschlusses) nach § 355 Abs 4 UGB entstehe eine selbständige, einheitliche Forderung (der „abstrakte Saldo“), der sich nicht mehr aus der Summe von Einzelansprüchen zusammensetze. Bei der Feststellung des Rechnungsabschlusses handle es sich um ein eigenes Rechtsgeschäft.

[5] Das Schreiben der Klägerin vom 20. 4. 2020 habe ein Angebot zur Feststellung des Rechnungsabschlusses dargestellt. Der Beklagte habe dieses konkludent angenommen (W. Schuhmacher in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 355 Rz 25, 30; Burtscher in Zib/Dellinger, UGB § 355 UGB Rz 56 ff), indem er nach Fälligstellung der Salden Kontakt mit der Klägerin aufgenommen, aber trotz Kenntnis seines Zahlungsverzugs mit mehreren Raten und der von der Klägerin erklärten Beendigung der Vertragsverhältnisse keine Einwendungen gegen die bekanntgegebenen Salden und die ihm gegenüber erhobenen Forderungen erhoben, sondern in Folge der Gespräche mit der Klägerin einen Teil der ausständigen Raten zurückgezahlt habe. Eine Auseinandersetzung mit allfällig zu viel verrechneten Zinsen im Zeitraum davor sei deshalb nicht erforderlich gewesen.

[6] 2. Der Beklagte stellt in der Revision weder die Vereinbarung eines Kontokorrents im Sinne der §§ 355 bis 357 UGB in Frage noch, dass § 355 Abs 4 UGB in der geltenden Fassung des HaRÄG (BGBl I Nr 120/2005; siehe dazu § 907 Abs 18 UGB) auf den vorliegenden Sachverhalt in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist. Auch das Vorliegen eines für beide Parteien unternehmensbezogenen Geschäfts zieht er (in Bezug auf beide Kredite) nicht mehr in Zweifel.

[7] 3.1 Die Revision hält den Vorinstanzen im Wesentlichen bloß entgegen, sie seien von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgegangen, wonach einem durch das Unterlassen der – in den AGB von Kreditunternehmen üblicher Weise (wie auch hier von der Klägerin) geforderten – fristgebundenen Reklamation gegen Rechnungsabschlüsse bewirkten Saldoanerkenntnis im Regelfall nur deklarative Wirkung zukommt und ein konstitutives Anerkenntnis nur dann anzunehmen ist, wenn damit im konkreten Fall in der Tat ein ernstlicher Streit oder Zweifel beigelegt werden sollte (1 Ob 27/01d [verstärkter Senat]; 6 Ob 172/05w; RS0115012).

[8] 3.2 Die Ausführungen in der Revision zeigen aber nicht auf, dass (und wenn ja warum) es – abweichend von der Rechtsansicht der Vorinstanzen – auch für die Begründung einer rechtlich selbständigen Saldoforderung durch die (konstitutive) Feststellung des Rechnungsabschlusses nach § 355 Abs 4 UGB darauf ankommen soll, dass der wie im Regelfall des kausalen Anerkenntnisses sonst erforderliche Rechtsgrund der Streitbereinigung vorliegt (dies verneinend etwa W. Schuhmacher in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 355 Rz 25, 30; Schauer in Krejci, Reformkommentar UGB § 355 Rz 11; vgl auch ErläutRV zum HaRÄG, 1058 der Beilagen XXII. GP 57, wonach mit der Neuregelung des § 355 UGB ein „abgeschwächt abstraktes Schuldanerkenntnis“ im Gesetz verankert werden sollte; vgl auch Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht² II Rz 2/43 und 2/44). Mit der bloßen Behauptung eines Widerspruchs zu der vor Inkrafttreten des § 355 Abs 4 UGB ergangenen Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen eines konstitutiven Saldoanerkenntnisses ohne weitere Auseinandersetzung damit, ob diese auch auf die von den Vorinstanzen herangezogene neue Rechtsgrundlage anwendbar sind, zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0043654 [T15]).

[9] 4. Die Auslegung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0042555 [T18, T28]; RS0109021 [T6]). Eine unvertretbare Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen zeigt die Revision nicht auf:

[10] Ob im Schreiben der Klägerin vom 20. 4. 2020 das Wort „Zinsen“ vorkommt, ist für die Beurteilung, ob darin ein Angebot zur Feststellung des Rechnungsabschlusses im soeben dargestellten Sinn zu erkennen war, nicht maßgeblich. Auf die Argumentation des Berufungsgerichts, wonach im nachfolgenden Schreiben der Klägerin vom 7. 5. 2020 ohnehin auch die Höhe des jeweils herangezogenen Zinssatzes für jedes Kreditkonto gesondert ersichtlich gewesen sei und dass in Zusammenschau mit der Fälligstellung vom 20. 4. 2020 von einem Unternehmer eine detaillierte Auseinandersetzung mit den gegen ihn erhobenen Forderungen zu erwarten gewesen wäre, geht die Revision nicht ein. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass für die Klägerin deshalb kein vernünftiger Grund bestanden habe, daran zu zweifeln, dass der Beklagte mit den unterlassenen Einwendungen das Angebot auf Feststellung des Rechnungsabschlusses annehmen habe wollen, ist im Einzelfall also nicht unvertretbar.

[11] Mit der Entscheidung 6 Ob 172/05w, bei der ein stillschweigender Verzicht des auf den Ersatz irrtümlich zuviel bezahlter Zinsen klagenden Kreditnehmers auf seinen Rückzahlungsanspruch durch vorzeitige Tilgung des Kredits verneint wurde, wobei zu diesem Zeitpunkt die Rückzahlung von ihm bereits gerichtlich verfolgt worden war, ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

[12] 5. Trotz der Möglichkeit des Gläubigers, sich auf den abstrakten Saldo zu berufen, bleibt dem Schuldner der Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung erhalten (§ 355 Abs 4 Satz 3 UGB). Mit dem pauschalen Hinweis auf die Möglichkeit nach § 355 Abs 4 Satz 3 UGB ohne nähere Ausführung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er der Ansicht sei, dass der festgestellte (abstrakte) Saldo – ausgehend von den ihm zugrunde liegenden Einzelforderungen – höher sein soll als der kausale Saldo, zeigt der insoweit behauptungs- und beweispflichtige Beklagte ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl Burtscher in Zib/Dellinger, UGB § 355 UGB Rz 64; Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 355 Rz 27; Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht² II Rz 2/43 und 2/44).

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