European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00025.25D.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 61 Abs 2 Satz 2 ASGG wirken Urteile über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und daraus abgeleitete Ansprüche auf das rückständige laufende Arbeitsentgelt (§ 61 Abs 1 Z 1 ASGG) unbeschadet eines allfälligen Rückzahlungsanspruchs.
[1] Wird das erste Urteil des Erstgerichts rechtskräftig im klageabweisenden Sinn abgeändert, hat der Kläger, da § 61 Abs 1 ASGG keinen endgültigen Entgeltanspruch schafft, auf der Grundlage von § 1435 ABGB den etwa erhaltenen Geldbetrag wieder zurückzuzahlen, soweit – wie hier – der Leistung des Arbeitgebers keine Arbeitsleistung (bzw Arbeitsbereitschaft) des Arbeitnehmers gegenüber gestanden ist (RS0113095; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 61 ASGG Rz 10: aA G. Kodek, Einordnung und Auswirkungen der vorläufigen Entscheidungswirkungen gemäß § 61 ASGG, in Kozak (Hrsg), Die Tücken des Bestandschutzes [2017] 29 [47]).
[2] Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung umfasst der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers auch „Verzugszinsen“ (im Sinn von „Vergütungszinsen“; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 61 ASGG Rz 10; Kodek in Köck/Sonntag, ASGG [2020] § 61 ASGG Rz 38; Prankl, Entgeltnachzahlung nach Kündigungsanfechtung – Wann tritt Fälligkeit ein?, DRdA 2021, 196 [202]; Danzl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB: Großkommentar zum ABGB – Klang-Kommentar – §§ 1331–1341 ABGB, Schadenersatz3 [2022] § 1333 ABGB Rz 9; 9 ObA 42/91 = SZ 64/47 = RS0010229; zweifelnd Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses, DRdA 1988, 16 [29] FN 60, soweit der Arbeitnehmer mit dem Entgelt seinen Lebensunterhalt finanziert hat).
[3] Die außerordentliche Revision des beklagten Arbeitnehmers zeigt mit ihrem zentralen Argument, dem Beklagten gebührten die Früchte für den Zeitraum seines Besitzes, weil er gemäß § 330 ABGB vom Gesetz (§ 61 ASGG) als redlicher Besitzer des vom Arbeitgeber gezahlten Entgelts angesehen werde, keine geeigneten Gründe auf, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
[4] Nach Rechtsprechung und Lehre schließt die Erwähnung des „Rückzahlungsanspruchs“ in § 61 Abs 2 Satz 2 ASGG die Gutgläubigkeit des Arbeitnehmers beim Verbrauch des aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils erhaltenen Entgelts aus (RS0085764; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 61 ASGG Rz 10). Dafür spricht der vorläufige Charakter des Zuspruchs, der auch dem Arbeitnehmer bewusst sein muss (G. Kodek, Einordnung und Auswirkungen der vorläufigen Entscheidungswirkungen gemäß § 61 ASGG, in Kozak [Hrsg], Die Tücken des Bestandschutzes [2017] 29 [45]). Solange im laufenden Erkenntnisverfahren die vorläufig wirksame Entscheidung bekämpft wird, muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass er unterliegen könnte. Damit liegen aber jene objektiven Gründe vor, die den Arbeitnehmer an der Richtigkeit der Zahlung zweifeln lassen müssen (Konecny, Wirkungen erstinstanzlicher Urteile in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 61 ASGG, ZAS 1986, 155 [164]).
[5] Nach ständiger Rechtsprechung hat auch der redliche Bereicherungsschuldner – außer bei Vorliegen einer Gegenleistung – die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben („Vergütungszinsen“) (4 Ob 46/13p Pkt. 4.2. mwN). Bei Geld ist die Nutzung (zumindest) mit den gesetzlichen Zinsen abzugelten (RS0032078 [T2]).
[6] Mag der Arbeitnehmer im Falle des § 61 ASGG das Entgelt auch nicht unredlich entgegen genommen haben, weil es ihm von Gesetzes wegen (vorläufig) zustand, so besteht kein ausreichender Grund, ihm die Früchte zu belassen. Vielmehr soll er aus der vorläufigen Zahlung des Arbeitgebers, von der er wissen musste, das er sie im Falle eines Prozessverlustes zurückzahlen muss, keinen Gewinn erzielen. Er hat daher die Nutzungen, hier in Höhe der gesetzlichen Zinsen, herauszugeben (9 ObA 42/91).
[7] Der Beklagte hat der Klägerin daher – unabhängig davon, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Entgeltzahlung aufgrund der vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstgerichtlichen Urteils im Kündigungsanfechtungsverfahren rechtzeitig nachgekommen ist – die begehrten gesetzlichen Zinsen für die Zeit zu ersetzen, in der er über den nunmehr rückgeforderten Betrag verfügen konnte (9 ObA 42/91).
[8] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.
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