European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00100.25V.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen bestehen zwei Unfallversicherungsverträge. Einem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1989) zugrunde, dem anderen Versicherungsvertrag die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2015, Fassung 02/2016).
[2] Die AUVB 1989 lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 17
Ausschlüsse
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
[…]
9. die der Versicherte infolge einer Bewu ßtseinsstörung erleidet, oder infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente;
[...]“
Die AUVB 2015, Fassung 02/2016, lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 15
Ausschlüsse
In welchen Fällen zahlen wir nicht?
[…]
8. die die versicherte Person infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente erleidet;
[…]“
[3] Am 19. 2. 2023 kletterte der Kläger auf einem Faschingsball auf einen etwa 1,10 bis 1,20 m hohen und etwa 60 bis 80 cm breiten Stehtisch, um darauf zu tanzen. Beim nachfolgenden Sprung auf den Boden verletzte er sich. Sein Blutalkoholwert betrug zu diesem Zeitpunkt 1,9 Promille.
[4] Der Kläger begehrt von der Beklagtendie Zahlung von 53.313,51 EUR sA als Versicherungsleistung aus diesem Ereignis.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
[6] 1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen werden soll, grundsätzlich auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO) als solche angeführt sind (RS0107501). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Kläger aber nicht auf.
[7] 2.1. Der – einem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbare – Sinn der gegenständlichen Ausschlussklauseln liegt darin, solche Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die Folge einer beim Versicherten schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrerhöhenden Beeinträchtigung und sich daraus ergebenden Einschränkung sind (7 Ob 168/19k; vgl RS0122121). Die Bewusstseinsstörung oder Beeinträchtigung muss, um einen Ausschluss von der Versicherung zu begründen, den Unfall verursacht haben, zumindest aber mitursächlich gewesen sein (RS0082132 [T1]).
[8] Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrades, ab dem der Ausschlusstatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit erfüllt ist, hängt davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stellt oder nicht (RS0081871). Die Grenzwerte der Alkoholisierung werden dahin dementsprechend verschieden sein, je nachdem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist (7 Ob 171/20b; vgl RS0082043 [T2]). Wenn der Blutalkohol allein für die Annahme des Ausschlussgrundes noch nicht ausreicht, ist der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit danach zu bemessen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich in der Zeit des Unfalls befindet, einigermaßen zurechtzukommen (RS0081872).
[9] 2.2. Das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, die Alkoholisierung des Klägers habe offensichtlich zu dessen Entscheidung geführt, auf einen Stehtisch zu klettern, um darauf zu tanzen, und somit in der Folge zum Sprung und zur Verletzung. Aufgrund seiner Alkoholisierung habe er die Herausforderungen eines solchen Sprungs an eine (erhöhte) Aufmerksamkeit und die – sich dann auch verwirklichende – Gefahr unterschätzt, in alkoholisiertem Zustand von einem Tisch zu springen und sturzfrei zu landen.
[10] 2.3. Diese Ausführungen werden von der Revision weder bemängelt (vgl RS0043173; RS0043108; RS0043057; RS0043026 [insb T1]) noch näher aufgegriffen. Dass – nach Ansicht des Berufungsgerichts – daraus aber nicht nur die (Mit‑)Ursächlichkeit der durch Alkohol beeinträchtigten Leistungsfähigkeit des Klägers am Unfall folgt, sondern damit auch der – vom Versicherer zu beweisende (vgl RS0081884; RS0082083; RS0081447) – Ausschlussgrund nach Art 17.9 AUVB 1989 bzw Art 15.8 AUVB 2015 verwirklicht wurde, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl 7 Ob 93/18d).
[11] 2.4. Auf den in der Revision hervorgehobenen Umstand, dass der Blutalkoholwert des Klägers zum Unfallszeitpunkt unter 2 Promille betrug, sowie die Frage, ob der festgestellte Blutalkohol allein für die Annahme des Ausschlussgrundes ausreicht, kommt es daher nicht entscheidungswesentlich an. Ebenso wenig bedarf es der vom Kläger begehrten ergänzenden Feststellungen, ob sein Verhalten für ein durchaus vorhandenes Koordinationsvermögen spricht. Solche weiteren Feststellungen stünden den vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Umständen des konkreten Geschehens auch nicht entgegen.
[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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