European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00078.25M.0624.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt die Bezahlung des Werklohns für eine im Auftrag des Beklagten durchgeführte Terrassensanierung.
[2] Der Beklagte wendet – soweit für das Revisionsverfahren relevant – mangelnde Fälligkeit des Werklohns wegen Mängeln bei der Sanierung ein.
[3] Das Erstgericht wies im dritten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Auch wenn Gewährleistungsansprüche des Beklagten bereits verfristet seien, sei die Werklohnforderung aufgrund von bestehenden Schadenersatzansprüchen nach § 933a ABGB für vorhandene (und näher festgestellte) Mängel noch nicht fällig.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der restliche Werklohn könne nach § 1170 ABGB so lange zurückbehalten werden, als ein (schadenersatzrechtlicher) Verbesserungsanspruch bestehe und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liege. Eine Verbesserung der bestehenden Mängel komme gegenständlich noch in Betracht.
[5] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Zurückbehaltung des Werklohns nach § 1170 ABGB im Falle der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen trotz Verfristung des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruchs bestehe.
[6] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1.1 Der gegenständliche Werkvertrag wurde vor dem 1. Jänner 2022 geschlossen. Daher sind die Regelungen des Gewährleistungsrichtlinien-UmsetzungsG (GRUG), BGBl I Nr 175/2021, darauf nicht anwendbar (vgl § 1503 Abs 20 ABGB).
[8] 1.2 Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts des Werkbestellers nach § 1170 ABGB ist das Bestehen eines Verbesserungsanspruchs (vgl 10 Ob 71/14k). Dies setzt voraus, dass der Werkbesteller noch Mängelbehebung begehrt und ein Recht auf Leistung geltend macht (vgl 3 Ob 114/12d). Kein Zurückbehaltungsrecht des Bestellers besteht daher etwa dann, wenn er die zunächst geforderte Verbesserung des Werks nicht zulässt oder sonst vereitelt (RS0021814; RS0021684 [T1]), wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt oder lassen will (RS0021925 [T8]; 4 Ob 14/16m mwN), er in sonstiger Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung mehr Einfluss auf die Verbesserung zu nehmen verlangt, als er es allenfalls nach dem zugrundeliegenden Vertrag konnte (RS0021684), oder die Verbesserung durch den Unternehmer sonst nicht mehr im Interesse des Bestellers liegt (vgl RS0019929; 7 Ob 173/20x Rz 4).
[9] 2. Im Revisionsverfahren ist nicht weiter strittig, dass der Beklagte im Verfahren den Einwand mangelnder Fälligkeit des Werklohns sowohl auf gewährleistungsrechtliche als auch auf schadenersatzrechtliche Verbesserung der festgestellten Mängel der Terrassensanierung gestützt hat. Ebenso unstrittig ist, dass die vom Beklagten erst im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens erhobenen Gewährleistungs-ansprüche bereits verfristet sind, ein auf Verbesserung der vorhandenen (und in dritter Instanz von der Klägerin nicht mehr bestrittenen) Mängel gerichteter Schadenersatzanspruch des Beklagten nach § 933a ABGB aber besteht.
[10] 3.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 10 Ob 71/14k die Möglichkeit bejaht, den Einwand der mangelnden Fälligkeit nach § 1170 ABGB auch auf die Erhebung eines schadenersatzrechtlichen Verbesserungsanspruchs wegen bei Herstellung des Werks aufgetretener Mängel gemäß § 933a ABGB zu stützen. Hat der Übergeber den Mangel verschuldet, kann der Übernehmer auch Schadenersatz fordern (§ 933a Abs 1 ABGB). Auch wenn der Übernehmer Schadenersatz verlangt, ist er berechtigt, zwischen Verbesserung und Austausch zu wählen. Die dem Übernehmer zustehenden Einwände – somit auch jener der mangelnden Fälligkeit – sind dieselben wie bei der Gewährleistung (10 Ob 71/14k [I.4.2]). Auch in der Entscheidung 7 Ob 173/20x wurde festgehalten, dass Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts des Werkbestellers lediglich das Bestehen eines Verbesserungs-anspruchs ist (Rz 3).
[11] 3.2 In diesem Sinne vertreten auch in der Literatur etwa Reischauer (Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 158) und – diesem folgend – Spitzer/Kodek (in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1052 ABGB Rz 48), dass der auf das Schadenersatzrecht gestützte Mängelbeseitigungsanspruch nach § 933a Abs 2 ABGB ein Erfüllungsanspruch sei, sodass auch bei dessen Nichterfüllung die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags zustehe.
[12] 3.3 Dass der Besteller die Bezahlung des (allenfalls geminderten) Werklohns nicht mit der Begründung verweigern kann, das Werk sei noch nicht vollendet, wenn im Einzelfall nur (mehr) Gewährleistung in anderer Form als Verbesserung oder Schadenersatz in Betracht kommt (RS0019929 [T12]), steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Der Rechtssatz betrifft – ausgehend von der ihm zugrundeliegenden Entscheidung 5 Ob 43/09y – (bloß) den Fall, dass der Einwand nach § 1170 ABGB nicht in Betracht kommt, wenn eine Verbesserung vorliegender Mängel – wie im dortigen Fall wegen behaupteter Unmöglichkeit einer ordnungsgemäßen Werkausführung – nicht (mehr) möglich ist. Dass der Einwand bei auf Schadenersatzrecht gestützten Verbesserungsansprüchen ausscheidet, ist ihm dagegen nicht zu entnehmen.
[13] 3.4 Auch aus den weiteren in der Revision zitierten Rechtssätzen und Entscheidungen lässt sich nichts für den Standpunkt der Klägerin gewinnen: Die dem Rechtssatz RS0019929 [T19] (= RS0018756 [T11] = RS0021925 [T5]) zugrundeliegenden Entscheidungen enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass ein auf Schadenersatz – im Unterschied zu Gewährleistung – gestützter Verbesserungsanspruch nicht zur Erhebung des Einwands der mangelnden Fälligkeit berechtigt. Die Entscheidungen 7 Ob 43/14w und 1 Ob 107/16s betreffen den – hier nicht vorliegenden – Fall, dass Erfüllungsansprüche des Werkbestellers auf Übergabe eines vollendeten und damit mängelfreien Werkes wegen vorzeitiger Beendigung des Werkvertrags entfallen.
[14] 3.5 Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts besteht daher bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung (vgl RS0042833) zur streitentscheidenden Frage, ob dem Werkbesteller der Einwand nach § 1170 ABGB auch bei einer auf Schadenersatz nach § 933a ABGB gestützten Verbesserung zusteht. Dass die Klägerin durch die Ausübung dieses Leistungsverweigerungsrechts auch noch zur geschuldeten Verbesserung ihres mangelhaften Werks bestimmt werden kann, zieht sie nicht in Zweifel.
[15] 4. Weitere erhebliche Rechtsfragen macht die Revision nicht geltend.
[16] 5. Der Vorbehalt der Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.
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