OGH 1Ob33/25x

OGH1Ob33/25x24.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Erwachsenenschutzsache des R* J*, vertreten durch den Vorsorgebevollmächtigten A* J*, dieser vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder‑Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, wegen Beendigung der Vorsorgevollmacht und Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 13. November 2024, GZ 23 R 367/24d‑26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 4. Oktober 2024, GZ 5 P 94/24h‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00033.25X.0624.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Der (nunmehr) 92‑jährige Betroffene erteilte am 27. 6. 2023 seinem Neffen A* J* für den Fall des Verlusts seiner Geschäfts‑, Einsichts‑ und Urteilsfähigkeit Vorsorgevollmacht unter anderem zur Vertretung vor Gericht. Der Eintritt des Vorsorgefalls wurde am 31. 1. 2024 im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen.

[2] Das Erstgericht ordnete gemäß § 246 Abs 3 Z 1 ABGB die Beendigung der Vorsorgevollmacht an, bestellte einen Rechtsanwalt gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter für den Betroffenen zur Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten und diesen Rechtsanwalt gemäß § 119 AußStrG zum Rechtsbeistand im Verfahren. Gemäß § 44 Abs 1 AußStrG sprach es aus, dass der Beschluss vorläufig verbindlich ist.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Gegen diese Entscheidung richtet sich der im Namen des Betroffenen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vorsorgebevollmächtigten.

[5] Der Rechtsbeistand und einstweilige Erwachsenenvertreter des Betroffenen beantragte in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten

[7] 1.1. Die Vorsorgevollmacht wird nach § 245 Abs 1 ABGB wirksam, wenn und soweit der Eintritt des Vorsorgefalls im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen ist. Ein solcher Eintrag erfolgte hier am 31. 1. 2024. Der Vorsorgebevollmächtigte war seitdem gesetzlicher Vertreter des Betroffenen. Gemäß § 246 Abs 1 Z 2 ABGB endet die Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten mit gerichtlicher Entscheidung, worunter (vgl auch § 43 Abs 1 AußStrG) nur eine rechtskräftige Entscheidung verstanden werden kann(1 Ob 99/24a [Rz 7] mwN).

[8] 1.2. Im vorliegenden Fall erkannte das Erstgericht jedoch seiner Entscheidung, mit der es die Beendigung der Vorsorgevollmacht aussprach, gemäß § 44 Abs 1 AußStrG vorläufige Verbindlichkeit zu und bestellte gemäß § 120 AußStrG mit sofortiger Wirksamkeit einen einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten.

[9] Diesen Fall sieht das Gesetz vor. Nach § 120 Abs 3 AußStrG kann in Abweichung von der Grundregel des § 243 Abs 3 ABGB – vgl auch § 271 Z 2 ABGB, wonach ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nicht denselben Wirkungsbereich wie ein Vorsorgebevollmächtiger haben kann (Stefula in KBB7 [2023] § 243 ABGB Rz 4) – ein einstweiliger Erwachsenenvertreter auch für denselben Wirkungsbereich wie ein bereits eingesetzter Vertreter (hier Vorsorgebevollmächtigter) bestellt werden, falls dies notwendig ist, um die betroffene Person möglichst schnell vor drohenden Nachteilen zu schützen. In diesem Fall kann die Vertretungsbefugnis des bisherigen Vertreters nach den allgemeinen Regeln mit sofortiger Wirksamkeit (§ 44 AußStrG) beendet oder geändert werden (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  67; Fritz in Schneider/Verweijen, AußStrG § 120 Rz 4 [Stand 1. 10. 2018, rdb.at]; Traar/Pesendorfer/Lagger‑Zach/Fritz/Barth, Erwachsenenschutzrecht2 § 120 AußStrG Rz 1 [Stand 1. 2. 2023, rdb.at]).

[10] 1.3. Der Beschluss über die Beendigung der Vorsorgevollmacht wurde aufgrund des Ausspruchs nach § 44 Abs 1 AußStrG mit der Zustellung durch das Erstgericht vorläufig verbindlich und somit wirksam (Thunhart in Schneider/Verweijen, AußStrG § 44 Rz 1 und 6 [Stand 1. 10. 2018, rdb.at]; Traar/Pesendorfer/Lagger‑Zach/Fritz/Barth, Erwachsenenschutzrecht2 § 246 ABGB Rz 10 [Stand 1. 2. 2023, rdb.at]). Aufgrund der vorläufigen Wirksamkeit endete die Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten und damit die Befugnis, im Namen des Betroffenen rechtswirksam handeln zu können (vgl § 246 Abs 1 Z 2 ABGB; Schauer in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 246 Rz 27 [Stand 1. 8. 2019, rdb.at]). Der Vorsorgebevollmächtigte kann jene Angelegenheiten, die ihm mit der Vorsorgevollmacht eingeräumt wurden, nicht mehr für den Betroffenen erledigen.

[11] 1.4. Hat der Wirkungsbereich des Vorsorgebevollmächtigten – so wie hier – auch die Vertretung in gerichtlichen Verfahren umfasst, bleibt der Vorsorgebevollmächtigte jedoch für den Betroffenen insoweit vertretungsbefugt, als das Erwachsenenschutzverfahren die Beendigung der Vorsorgevollmacht betrifft:

[12] 1.4.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist in einem Zwischenstreit über die Wirksamkeit einer Vollmacht jedenfalls von deren Wirksamkeit auszugehen (6 Ob 240/10b; 6 Ob 241/10z [Pkt 1.7.]; 6 Ob 14/21h [Rz 16]). Auch im Außerstreitverfahren ist in einem Zwischenstreit über die Prozessvoraussetzung der gesetzlichen Vertretung von deren Vorliegen auszugehen (2 Ob 174/08i [Pkt II.1.]; 2 Ob 153/11f [Pkt I.]).

[13] Hier liegt eine vergleichbare Verfahrenssituation vor. Im Hinblick auf den Rechtsfürsorgecharakter des Erwachsenenschutzrechts und zur Vermeidung eines Rechtsschutzdefizits ist – trotz des erstinstanzlichen Ausspruchs über die vorläufige Verbindlichkeit der Beendigung der Vorsorgevollmacht – der Vorsorgebevollmächtigte noch legitimiert, zur Überprüfung der Beendigung der Vorsorgevollmacht im Namen und im Interesse des Betroffenen einzuschreiten.

[14] 1.4.2. Für die Rechtsmittelbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten spricht auch die Intention des Gesetzgebers des Sachwalterrechts‑Änderungsgesetz 2006 (SWRÄG 2006), BGBl I 92/2006, und des 2. Erwachsenenschutz‑Gesetz (2. ErwSchG), BGBl I 59/2017, mit diesen Reformen insbesondere die Selbstautonomie psychisch kranker und geistig behinderter Menschen zu stärken (vgl ErläutRV 1420 BlgNR 22. GP  3; Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung 1461 BlgNR 25. GP  1, 4, 6 und ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  4).

[15] Das zentrale Anliegen des Erwachsenenschutzrechts besteht darin, die Autonomie der schutzberechtigten Person möglichst umfassend zu wahren und dementsprechend die Selbstbestimmung im größtmöglichen Umfang solange wie möglich aufrechtzuerhalten (4 Ob 115/19v [Pkt 2.]). Dementsprechend soll die betroffene Person vorrangig durch die erforderliche Unterstützung selbst in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten zu besorgen und am Rechtsverkehr teilzunehmen. Daraus ist der Grundsatz der Subsidiarität der Erwachsenenvertretung abzuleiten; die Selbstbestimmung hat grundsätzlich Vorrang vor der Bestellung eines Erwachsenenvertreters (4 Ob 180/18a [Pkt 3.1.]; 4 Ob 75/20p [Pkt 3.1.]; 1 Ob 158/22z [Rz 4]; 4 Ob 173/23d [Rz 1]; 9 Ob 76/23a [Rz 8]).

[16] Um diesem Grundsatz zum Durchbruch zu verhelfen, muss dem Vorsorgebevollmächtigten die Legitimation zuerkannt werden, den Beschluss auf Beendigung der Vorsorgevollmacht trotz dessen sofortiger Wirksamkeit nach § 44 Abs 1 AußStrG namens des Betroffenen im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen.

[17] 1.4.3. Mit dem Beschluss auf Beendigung der Vorsorgevollmacht mit sofortiger Wirksamkeit steht hier aber die Bestellung eines Rechtsbeistands im Verfahren und einstweiligen Erwachsenenvertreters zur Besorgung dringender Angelegenheiten anstelle des Vorsorgebevollmächtigten in einem untrennbaren Zusammenhang. Aus dem – vom 2. ErwSchG in den Vordergrund gestellten – Primat der Selbstbestimmung folgt das Interesse des Betroffenen, grundsätzlich nur einen – und zwar in erster Linie selbst gewählten – Vertreter zu haben. Dieses Interesse würde konterkariert, wenn dem Vorsorgebevollmächtigten allein eine Rechtsmittelbefugnis gegen den Beendigungsbeschluss zugebilligt würde. Dies könnte nämlich dazu führen, dass trotz Erfolgs des Rechtsmittels des Vorsorgebevollmächtigten für den Betroffenen weiterhin – zumindest zeitweilig bis zu einer allfälligen amtswegigen Enthebung – auch der einstweilige Erwachsenenvertreter (ex lege mit sofortiger Wirksamkeit) rechtswirksam zum Vertreter bestellt bliebe, sodass die Gefahr widerstreitender Vertretungshandlungen bestünde.

[18] Da die hier erfolgte Bestellung eines Rechtsbeistands im Verfahren und eines einstweiligen Erwachsenenvertreters zur Besorgung dringender Angelegenheiten die direkte Folge der Beendigung der Vorsorgevollmacht ist (vgl §§ 119 f AußStrG), umfasst die Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten daher auch die Bekämpfung des Beschlusses, mit dem – als unmittelbare und notwendige Folge seiner Enthebung – für den Betroffenen ein Rechtsbeistand im Verfahren und ein einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellt wurden (vgl auch § 246 Abs 3 Z 1 ABGB zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter).

[19] Ein darüber hinausgehendes Interesse an der Bekämpfung des Bestellungsbeschlusses durch den bisherigen Vorsorgebevollmächtigten namens des Betroffenen besteht aber nicht, insbesondere kann er sich auch im Namen und im Interesse des Betroffenen nicht gegen die Auswahl der Person des Rechtsbeistands und des einstweiligen Erwachsenenvertreters wenden oder den Umfang der vom einstweiligen Erwachsenenvertreter zu besorgenden dringenden Angelegenheiten bekämpfen. Diese Vertretungsbefugnis steht nur dem bestellten Rechtsbeistand im Verfahren zu.

[20] Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Ansicht ist der Vorsorgebevollmächtigte auch befugt, für das Revisionsrekursverfahren einen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen. Andernfalls könnte er den Betroffenen in dritter Instanz, in der im Erwachsenenschutzverfahren absoluter Vertretungszwang besteht (§ 6 Abs 2 AußStrG), nicht wirksam vertreten.

[21] 1.5. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass ein Vorsorgebevollmächtigter, dessen Vorsorgevollmacht vom Gericht gemäß § 246 Abs 3 Z 1 ABGB mit vorläufiger Verbindlichkeit nach § 44 Abs 1 AußStrG beendet wurde, im Verfahren über die Beendigung der Vorsorgevollmacht vertretungsbefugt bleibt und im Namen und im Interesse des Betroffenen ein Rechtsmittel erheben kann. Seine Vertretungsbefugnis erstreckt sich auf die Bekämpfung des Beschlusses, mit dem die Vorsorgevollmacht beendet wurde, und auf den Beschluss, mit dem ein Rechtsbeistand für das Verfahren und ein einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellt wurden.

2. Zur Beendigung der Vorsorgevollmacht

[22] 2.1. Das Gericht hat die Beendigung der Vorsorgevollmacht anzuordnen und erforderlichenfalls einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu bestellen, „wenn der Vertreter nicht oder pflichtwidrig tätig wird oder es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert“ (§ 246 Abs 3 Z 1 ABGB).

[23] Jede Beendigung der Vorsorgevollmacht (oder Erwachsenenvertretung) nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen sie erfordert (3 Ob 167/24s [Rz 20] mwN). Das Erwachsenenschutzgericht hat sicherzustellen, dass die Handlungen des Bevollmächtigten keine Nachteile für die betroffene Person nach sich ziehen und ihr Wohl nicht gefährdet ist, etwa weil dieser mit der Vertretung überfordert ist (3 Ob 102/21b [Rz 7]; vgl RS0123430 [T2]).

[24] 2.2. Nach den Feststellungen war derdemente Betroffene unbegleitet im Freien unterwegs, stürzte und war selbst nicht in der Lage, Hilfe zu rufen, sodass er erst nach Stunden von der Polizei im Freien aufgefunden wurde. Nach der stationären Aufnahme des Betroffenen im Krankenhaus verweigerte der Vorsorgebevollmächtigte die Kontaktaufnahme mit dem Entlassungsmanagement. Auch nach diesem Vorfall war der Vorsorgebevollmächtigte nicht in der Lage, die notwendige Betreuung des Betroffenen durchgehend sicherzustellen. Gegenüber dem Erwachsenenschutzverein (vgl § 117a Abs 1 AußStrG iVm § 4a ErwSchVG) wollte er keine Angaben zum Einkommen und Vermögen des Betroffenen machen.

[25] 2.3. Dadurch, dass der Vorsorgebevollmächtigte die notwendige Pflege des Betroffenen nicht sichergestellt hat, handelte er pflichtwidrig. Im Zusammenhalt mit seiner mangelnden Kooperation mit dem Entlassungsmanagement des Krankenhauses, in das der Betroffene nach dem unbegleiteten Aufenthalt im Freien stationär aufgenommen worden war, und mit dem Erwachsenenschutzverein im Rahmen des Clearingverfahrens erfordert das Wohl des Betroffenen die Beendigung der Vorsorgevollmacht.

[26] Das Erstgericht ist daher im angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Beendigung der Vorsorgevollmacht nach § 246 Abs 3 Z 1 ABGB vorliegen.

3.  Zur Bestellung eines Rechtsbeistands im Verfahren und eines einstweiligen Erwachsenenvertreters

[27] 3.1. Gemäß § 119 AußStrG hat das Gericht im Verfahren über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für einen Rechtsbeistand der betroffenen Person im Verfahren zu sorgen. Hat die betroffene Person keinen geeigneten gesetzlichen oder selbstgewählten Vertreter, so ist ein Rechtsbeistand mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen.

[28] Da die Vorsorgevollmacht aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Vorsorgebevollmächtigten beendet wurde, hatte der Betroffene keinen geeigneten Vertreter im Erwachsenenschutzverfahren. Die Bestellung eines Rechtsbeistands im Verfahren war daher notwendig.

[29] 3.2. Erfordert es das Wohl der betroffenen Person, so hat ihr das Gericht zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen (§ 120 Abs 1 AußStrG).

[30] Der Betroffene wendet sich gegen die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters nur dahin, dass die Vorsorgevollmacht nicht beendet werden hätte dürfen und aus diesem Grund die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters nicht erforderlich war.

[31] Genau das Gegenteil ist hier der Fall. Die Beendigung der Vorsorgevollmacht war erforderlich, um das Wohl des Betroffenen zu wahren. Da nach den Verfahrensergebnissen bereits vor der Entscheidung über die Bestellung eines (endgültigen) Erwachsenenvertreters dringende Angelegenheiten für den Betroffenen zu erledigen waren, war auch die Bestellung des einstweiligen Erwachsenenvertreters notwendig.

[32] Soweit sich der Betroffene gegen die Person des einstweiligen Erwachsenenvertreters wendet und einen Verstoß gegen den „Stufenbau“ des § 274 ABGB releviert, steht dem Vorsorgebevollmächtigten – wie oben in Punkt 1.4.3. ausgeführt – keine Vertretungsbefugnis für den Betroffenen mehr zu.

4.  Zum rechtlichen Gehör

[33] Der Betroffene beanstandet, dass weder der Vorsorgebevollmächtigte noch er selbst im Verfahren angehört wurden.

[34] 4.1. Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG) ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht absolut wirkt. Er kann nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RS0120213). Nach ständiger Rechtsprechung wird der Mangel des rechtlichen Gehörs in erster Instanz behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RS0006057).

[35] 4.2. Der Vorsorgebevollmächtigte wurde von der Einleitung des Erwachsenenschutzverfahrens verständigt, er hatte daher die Möglichkeit, sich im erstinstanzlichen Verfahren schriftlich zu äußern. Von dieser Möglichkeit hat er mit dem von seiner Rechtsvertreterin eingebrachten Schriftsatz (ON 3) – sowie später ausführlich im Rekurs (ON 13) – auch Gebrauch gemacht.

[36] Der Vorsorgebevollmächtigte hatte vor Erhebung des Rekurses auch Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses, mit dem die Vorsorgevollmacht beendet und ein Rechtsbeistand im Verfahren sowie ein einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellt wurden. Ihm war es daher möglich, die Interessen des Betroffenen im Verfahren umfassend wahrzunehmen, wodurch ein allfälliger Mangel des rechtlichen Gehörs behoben wurde (2 Ob 121/17h; 4 Ob 161/17f [Pkt 2.3.]). Das Rekursgericht hat das Rekursvorbringen auch unter Berücksichtigung des übrigen Akteninhalts inhaltlich überprüft.

[37] 4.3. Zwar kann ein einstweiliger Erwachsenenvertretergemäß § 120 Abs 2 AußStrG erst nach Abklärung durch den Erwachsenenschutzverein und Durchführung der Erstanhörung bestellt werden. Jedoch kann ein einstweiliger Erwachsenenvertreter auch ohne vorherige Abklärung und Erstanhörung bestellt werden, wenn sonst ein erheblicher und unwiederbringlicher Nachteil für die betroffene Person zu befürchten ist. Die Abklärung und die Erstanhörung müssen unverzüglich nachgeholt werden.

[38] Hier erfolgte vor der Bestellung des einstweiligen Erwachsenenvertreters eine Abklärung durch den Erwachsenenschutzverein, jedoch noch keine Erstanhörung. Angesichts des vom Erstgericht festgestellten Vorfalls, bei dem der Betroffene unbegleitet im Freien unterwegs war, in einem Feld stürzte und erst Stunden später von der Polizei aufgefunden worden war, bestand jedenfalls die Gefahr eines erheblichen und unwiederbringlichen Nachteils für die Gesundheit des Betroffenen, die die unverzügliche Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Personenpflege, auch ohne Erstanhörung rechtfertigte.

[39] Wie sich aus dem Akt ergibt, wurde die Erstanhörung am 10. 12. 2024 nachgeholt. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.

[40] 5. Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.

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